Netzwerk-Überlastung Riesen-Ärger um Online Schule Saar

Update | Saarbrücken · Das Bildungsministerium hat sich zu den schweren Problemen mit der Lernplattform geäußert, die saarländische Lehrer und Schüler vor allem am Mittwochmorgen plagten. An den Schulen ist der Ärger groß.

 Der Neustarts des Fernunterrichts in der Corona-Krise verlief am Mittwoch im Saarland sehr holprig.

Der Neustarts des Fernunterrichts in der Corona-Krise verlief am Mittwoch im Saarland sehr holprig.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Viel Frust bei Lehrern und Schülern: Am ersten Tag des Lockdowns hat es massive Probleme bei der landeseigenen Lernplattform Online Schule Saar (OSS) gegeben. Das bestätigte das saarländische Bildungsministerium der SZ. „Die OSS war heute Morgen zeitweise nicht für alle registrierten Nutzer*innen nutzbar. Hintergrund ist die am ersten Tag des Lockdowns sehr hohe Zahl der zeitgleichen Anmeldeversuche bei der OSS, die das System technisch nicht adäquat verarbeiten konnte“, teilte das Ministerium am späten Nachmittag mit. „Der Engpass beim Anmeldeprozess war bisher nicht bekannt, da es bisher keine derart konzentrierten Anmelde-Anfragen gab.“ Er sei behoben worden, „indem der technische Vorgang des Anmeldeprozesses verschlankt und beschleunigt wurde“.

Über das Portal soll während des Lockdowns der Fernunterricht saarländischer Schüler laufen. Rund 70.000 Schüler und rund 8700 Lehrkräfte sind dort registriert. Die Bildungscloud werde von Schulen, Schülern und Lehrkräften auch gut angenommen, so das Bildungsministerium. „Jedes System kommt aber an seine Grenzen, wenn es in Spitzen zu sehr hohen Datenströmen kommt. Das ist am ersten Tag des Lockdowns der Fall und das beobachten wir momentan auch bei anderen Plattformen und in anderen Bundesländern, auch bei Internet-Riesen wie Google bereits in den vergangenen Tagen.“

Der Ausbau des digitalen Unterrichtens sei auch ein stetiger Lernprozess, teilte das Ministerium weiter mit. „Wichtig ist, dass aufkommende Probleme schnell gelöst werden, was wir heute zusammen mit unserem IT-Dienstleister getan haben. Die OSS ist wieder nutzbar und wir arbeiten weiter an der Verbesserung der Performance.“

Mehrere Lehrer schilderten der SZ derweil bis in die Nachmittagsstunden schwerwiegende Probleme mit OSS. Die Plattform habe teilweise weiterhin gar nicht oder nur sehr langsam funktioniert. Stefan Breyer, Lehrer am Saarbrücker Ludwigsgymnasium, schrieb der SZ um kurz vor 14 Uhr, dass die technischen Probleme weiterhin andauerten. Unter Eltern, Schülern und Lehrern herrsche „extremer Frust“. „Auch acht Monate nach den ersten Schulschließungen wurden die Server nicht entsprechend aufgerüstet.“ Ähnlich äußerte sich wenig später Karen Claassen, Lehrerin an einer Gemeinschaftsschule und Landesvorsitzende des Verbandes Reale Bildung (VRB): Sie forderte, die Server-Kapazitäten so schnell wie möglich zu erholen. Auch sie klagte gegen 14.30 Uhr weiterhin über massive technische Probleme bei OSS. Die technischen Voraussetzungen für den Fernunterricht am ersten Tag des Lockdowns bezeichnete sie als „katastrophal“.

Eva Schmitt, Lehrerin am Leibniz-Gymnasium St. Ingbert, brachte in einer Nachricht an die SZ ihre Verzweiflung darüber zum Ausdruck, dass „die Online-Lernplattform, mit der sich das Ministerium seit Wochen brüstet, schon letzte Woche überlastet war und seit gestern, als die Schulschließung unmittelbar bevorstand, kaum noch erreichbar ist“. Sie betonte, dass OSS „theoretisch“ gute Möglichkeiten biete. Allerdings müsse sie eben auch funktionieren. „Entweder man richtet eine Plattform ein, die auch nutzbar ist, oder man hört auf damit, Lehrern und Schülern die funktionierenden Kommunikationskanäle aus datenschutzrechtlichen Gründen zu verbieten“, sagte Schmitt.

Der Saarländische Philologenverband (SPhV) bezeichnete den Zusammenbruch von Lernplattformen zum Start in den Distanzunterricht als „Spitze des Eisbergs“: Der Verband fordere seit Oktober eine vorausschauende Planung für einen geordneten Übergang in den Distanzunterricht, sagte der SPhV-Landesvorsitzende Marcus Hahn. „Eine solche Planung hätte auch die absehbaren Last-Probleme der Lernplattformen am ersten Tag selbstverständlich in den Blick nehmen können. Allerdings weigerte sich die Politik, an etwas anderes als Präsenzunterricht auch nur zu denken – und nun müssen Schüler und Lehrerschaft es ausbaden“, so Hahn.

Die Saar-Grünen bezeichneten den Ausfall der Lernplattform Online-Schule Saar als „Offenbarungseid für das Bildungsministerium“. Bereits am ersten Tag des neuen Lockdowns zeige sich, dass das Ministerium die vergangenen Monate nicht genutzt hat, um ein stabiles und leistungsfähiges Lernnetzwerk aufzubauen. Grünen-Landeschef Markus Tressel forderte, die Verantwortlichkeit für dieses Versagen zu klären. Jetzt erscheine auch die strikte Weigerung der Ministerin, die Schulen Hybrid- und Wechselunterricht wenigstens erproben zu lassen, in einem neuen Licht.  Tressel: „Ministerpräsident Hans muss hier die Notbremse ziehen und eine Task Force einrichten, die sich für die gesamte Landesregierung dieses Problems annimmt. Alleine auf das Bildungsministerium zu bauen, hat sich als problematisch erwiesen.“

Das so heftig attackierte Bildungsministerium versicherte derweil, dass die Server-Kapazitäten nicht das Problem seien: Diese seien bereits im November deutlich ausgebaut worden und entsprächen dem tatsächlichen Bedarf. „Die verfügbaren Kapazitäten wurden heute Morgen wegen des Engpasses bei der Anmeldung aber gar nicht erst abgerufen.“ Das Ministerium zeigte sich optimistisch, was die Funktionsfähigkeit der Plattform anbelangt: „Die OSS ist jetzt unser digitales Schulgebäude während des Lockdowns. Zu wissen, dass lediglich die Tür hakte, ist eine gute Nachricht. Wichtig ist, es gibt insgesamt genügend Platz in der OSS und unsere Lehrkräfte werden den digitalen Unterricht jetzt mit Leben füllen.“

Am Mittwochabend äußerte sich auch der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Jürgen Renner, zu dem Ausfall der OSS: „Die vorübergehenden Zugangsprobleme zur Lernplattform Online Schule Saarland sind sicherlich ärgerlich, aber kein Grund zu überzogenen Reaktionen oder ideologischen Auseinandersetzungen darüber, welche Plattform nun besser sei oder nicht“, teilt er mit. Das Saarland sei bei den Ausfällen kein Einzelfall, bundesweit sei es zu Problemem am ersten Tag des Lockdowns gekommen. „Wichtig ist, dass das Ministerium für Bildung und Kultur umgehend die Behebung der Zugangsprobleme angegangen ist und darüber hinaus beständig an der Weiterentwicklung der OSS mit allen ihren Diensten arbeitet. Die OSS ist der zentrale Baustein für das digitale Lernen im Saarland“, so Renner.

Landesschülersprecher Lennart-Elias Seimetz verwies am Abend in einer Stellungnahme auf die Vorteile, die OSS für das Saarland mit sich bringe: „Auch wenn es weiteren Ausbaubedarf und Verbesserungen an der Oberfläche und Bedienung des Programmes braucht, wir im Saarland, wenn die OSS denn funktioniert, sind vielen anderen Bundesländern mit dieser einheitlichen Lernplattform einen Schritt voraus.“ Allerdings bedauere man, dass sich offenbar nicht gut genug „auf eine abrupte Umstellung von Präsenzunterricht auf Online-Unterricht vorbereitet wurde“:

Wegen steigender Corona-Zahlen laufen die Schulen im Saarland – wie auch bundesweit – seit Mittwoch im Notbetrieb. Die Präsenzpflicht ist aufgehoben, die Schüler werden in der Regel aus der Ferne unterrichtet. Bereits während des ersten Lockdowns im Frühjahr hatte das Saar-Bildungsministerium die Lernplattform OSS aufgebaut. Sie soll von möglichst allen saarländischen Schulen für den Fernunterricht genutzt werden. Das Projekt ist nicht unumstritten. Kritiker bemängeln schon länger unter anderem eine zu geringe Geschwindigkeit der Plattform und verweisen auf bereits bestehende bessere Projekte. Das Ministerium hingegen hält den Betrieb einer landeseigenen Plattform etwa aus Datenschutzgründen für notwendig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort