Saartalk zur Klima- und Energiepolitik Warum eine Haussanierung 150 000 Euro kosten kann
Saarbrücken · Können sich nur Reiche die Energiewende leisten? Was können Verbraucher selbst tun? Darum ging es beim Saartalk von SR und SZ.

Die Diskussionsrunde auf einen Blick: Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung (l.), und SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adams (Mitte) mit ihren Gästen (v.l.): Saar-Energieminister Jürgen Barke (SPD), aus Düsseldorf zugeschaltet Reinhard Loch, Verbraucherzentrale NRW, Simone Peter, Präsidentin Bundesverband Erneuerbare Energien, und Reinhard M. Schneeweiß, Architekt und Energieberater der Verbraucherzentrale des Saarlandes.
Foto: Iris Maria MaurerBenzin und Diesel für über zwei Euro pro Liter, gestiegene Gaspreise, gleichzeitig das Ringen um eine nachhaltige Energie- und Klimawende: Der Krieg in der Ukraine und die Klimakrise treiben die Preise nach oben – und reißen Löcher in die Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher. Werden Heizen und Autofahren zum Luxus? Das waren Themen, die SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adams und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst am Donnerstagabend im Saartalk mit ihren Gästen live im SR-Fernsehen diskutierten. Zu Gast waren Saar-Energieminister Jürgen Barke (SPD), die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie Simone Peter, der Energieeffizienzexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen Reinhard Loch sowie der saarländische Architekt und Energieberater Reinhard M. Schneeweiß.
Ende April hatte die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket beschlossen, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Dazu zählt unter anderem der Tankrabatt. Allerdings sind seit seiner Einführung vor mehr als einer Woche die Preise für Benzin und Diesel an den Zapfsäulen nicht so stark gesunken wie erhofft. Der Tankrabatt „hat nach meiner Einschätzung nicht funktioniert“, sagte Energieminister Barke. „Da steht am einen Ende der Rabatt und am anderen Ende der Begünstigte, die Mineralölwirtschaft. Und das verschwurbeln wir über eine Entlastung für die Bürger an der Tankstelle, die bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht ankommt.“ Dieser Meinung ist auch Simone Peter. Die frühere Saar-Umweltministerin und Ex-Bundesvorsitzende der Grünen sagte: „Dass der Tankrabatt jetzt in den Hals der Mineralölkonzerne kommt und nicht zur Entlastung beiträgt bei denen, die das wirklich brauchen – das ist falsch aufgelegt. Es braucht einen anderen Ansatz.“
Für Reinhard Loch von der Verbraucherzentrale NRW war der Tankrabatt von vorneherein ein falsches Mittel. „Wir wollen doch das Sparen belohnen. Das funktioniert besser, wenn die Preise hoch bleiben. Dann sind die Menschen eher motiviert, auf den ÖPNV umzusteigen.“ Besser wäre eine Mobilitätsprämie für alle gewesen.
Heftig diskutiert wird aktuell eine Übergewinnsteuer. Ob das eine Möglichkeit ist, „beim Tankrabatt nachzusteuern?“, fragte SR-Chefredakteurin Müller-Adams. „Branchenisoliert Abschöpfungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen, ist schwierig. Ich bin sehr dafür, dass wir es tun, aber es muss vernünftig austariert sein, damit es rechtlich auch hält“, sagte Barke. Es sei eine Gerechtigkeitsfrage für dieses Land. Der Ansatz, die Bundesratsinitiative, sei gut. Das Saarland werde sie auch unterstützen. „Aber wir müssen schauen, dass wir ein rechtssicheres Paket haben.“ Denn: „Nicht alle, die in einer Krise gut verdienen, sind Kriegsgewinnler.“
Was dagegen offenbar gut ankommt ist das 9-Euro-Ticket. Gerade am vergangenen Pfingstwochenende waren die Züge voll – wenn auch in manchen Fällen zu voll. „Es stellt einen Reiz dar. Es ist ein günstiges Angebot, und diejenigen, die man in den drei Monaten abholt, überlegen sich schon, ob sie nochmal zum Auto zurückkehren“, sagte Peter. Langfristig müsse der ÖPNV günstiger werden. „Darüber muss man mit dem Bund reden.“
Nicht günstiger wird derweil das Heizen. Nicht abzusehen ist, ob im kommenden Winter sogar Engpässe bei der Gasversorgung drohen. Ist das Heizen mit Holz „eine gute Alternative“?, fragte SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. Das sei ein „schwieriges Thema“, sagte Energieberater Schneeweiß. Vor allem, weil das Bundesumweltamt das Aus dieser Heizungen fordert. „Das hat zu viel Verunsicherung geführt“, so Schneeweiß. Er betonte, dass man unterscheiden müsse: Zwischen einer normalen Scheidholz-Heizung mit einer „relativ hohen Feinstaubemission“ und einer Pellet-Heizung, bei der Holzabfälle wie Späne genutzt werden mit einer „sehr niedrigen Emission“.
Egal ob Pellet oder andere Alternativen zur fossilen Energieversorgung: Eigentümer müssen investieren. Energieminister Barke verwies auf Förderprogramme. „Mit unserer Programmgestaltung sind wir gut ausgestattet.“ Etwa die energetische Neubauförderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW 40). Dem widersprach Energieberater und Architekt Schneeweiß: „Diese Förderung ist tot.“ Es gebe nur noch die Förderung zum nachhaltigen Bauen. „Und dieses Qualitätssiegel für Familienhäuser darzustellen, ist wirtschaftlich nicht möglich.“
Reinhard Loch hat derweil vor allem die Altbauten im Blick. „Die Energiewende bemisst sich am Bestand. Wir müssen den Bestand sanieren.“ Während aktuell vorrangig neue Heiztechniken gefördert würden, „brauchen wir dringend mehr Förderung für die Hüllensanierung und attraktive Anreize für mehr Sanierung des Bestands“.
Denn auch erst dann machten etwa Wärmepumpen Sinn, betonte Loch. Elektrische Wärmepumpen sind derzeit der absolute Renner, meist in Kombination mit einer Photovoltaikanlage, über die der Strom erzeugt wird. „Im Neubau sind Wärmepumpen heute fast schon die Standardlösung“, sagte Loch. Sie hätten den „großen Vorteil, dass wir den Strom, den wir dafür einsetzen, ab 2030 zu 80 Prozent und irgendwann zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien haben werden.“ Experten gingen davon aus, dass in 15 Jahren „80 Prozent unserer Wohngebäude mit Wärmepumpen heizen“. Aber: Wärmepumpen seien ungeeignet, wenn sie in Altbauten eingesetzt würden, die gar nicht gedämmt sind. „Die grottenschlechten Altbauten aus den 60er Jahren. Außenwände ungedämmt, Heizkörper zu klein. Hier brauchen wir also mehrere Sanierungsschritte.“
Dem pflichtete Energieberater Schneeweiß bei. Seine Erfahrungen aus der Praxis zeigten: Einfach nur Wärmepumpen in unsanierten Gebäuden machen wenig Sinn. „Es ist eine sehr große Investition mit einem wirtschaftlich fragwürdigen Ergebnis.“ Wenn sich jemand entscheidet, ein solches Haus wärmepumpenfähig zu sanieren, „reden wir sehr schnell von 150 000 Euro“ Investitionskosten. „Die Menschen, die im Saarland in diesen alten Häusern sitzen“, könnten sich das nicht leisten. Ebenso sei es zumindest aktuell auch ökologisch gesehen fragwürdig, bei Neu- wie Altbauten, sagte Schneeweiß. „Weil wir den Strom gerade im Winter eben kaum regenerativ erzeugen. Im Winter nur durch Windkraft und sie schwankt sehr stark. Im Sommer sieht das anders aus, wir reden beim Heizen aber über den Winter.“
Die erneuerbaren Energien müssten also sehr stark ausgebaut werden. Die Bundesregierung hat ein Ziel vorgegeben: ab 2035 sollen 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Während des Übergangs hin zur Energiewende kann auf fossile Quellen aber kaum verzichtet werden. Oder doch? Wegen der hohen Energiepreise und der Russlandkrise hat Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) appelliert, eine Rückkehr zur Nutzung von Atomkraft zumindest nicht komplett abzulehnen. Für Jürgen Barke kommt Atomkraft nicht infrage. Man müsse sich zwar durchaus mit allen Szenarien, die „uns unter Druck setzen könnten“, auseinander setzen. „Aber: Atomkraft nein“, sagte Barke. Sollte ein Mangel an Gas eintreffen, „dann lieber Gaskraftwerke durch Kohle substituieren“.