Saarland passt Testregime und Quarantäneregelung an „Grenzt an Ignoranz“ – Lehrer und Erzieher sehen Regelung bei Corona-Fällen kritisch

Saarbrücken · In den Schulen und Kitas im Saarland muss nur noch das positive Kind in Quarantäne. Das sorgt für reichlich Unmut in den Bildungseinrichtungen.

Corona in Schulen & Kitas im Saarland: Lehrer kritisieren neue Regeln
Foto: dpa/Patrick Pleul

Die saarländischen Schulen seien von den neuen Regelungen, die die Landesregierung zur Vorgehensweise bei Infektionsfällen in den Schulen getroffen hat, überrumpelt worden. Der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) sieht die darin enthaltenen Lockerungen angesichts der explorierenden Inzidenzen äußerst kritisch. Am Dienstag haben das Bildungsministerium und das Gesundheitsministerium in Absprache mit dem Landkreistag und dem saarländischen Städte- und Gemeindetag beschlossen, dass Schüler und Kita-Kinder nur noch dann in Quarantäne müssen, wenn sie selbst infiziert sind.

Zwar gleicht das formal der vorherigen Vorgabe, doch am Ende lag es im Ermessen der Gesundheitsämter, wie viele in Isolation mussten. Wegen steigender Infektionszahlen auch in den Bildungseinrichtungen führte das in den vergangenen Tagen dazu, dass teils ganze Klassen oder Gruppen in Quarantäne mussten. Anfang der Woche waren 2077 der rund 120 000 Schülerinnen und Schüler im Saarland positiv auf Corona getestet, 5170 befanden sich in Quarantäne. Anfang vergangener Woche waren noch rund 2500 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne. Die Anzahl hat sich somit binnen einer Woche verdoppelt. Von den rund 9400 Lehrkräften waren am Montag nach Angaben des Bildungsministeriums 137 positiv, 157 sind in Quarantäne.

Statt Schulen vor Infektionen zu schützen, werde nun die Grundlage dafür geschaffen, das Coronavirus noch mehr in die Schulen zu tragen, kritisiert der SLLV. Schulen weiterhin als „sichere Orte“ zu deklarieren, grenze „mittlerweile an Ignoranz“ und sorge bei Lehrkräften für großen Unmut. Die stellvertretende SLLV-Vorsitzende Michaela Günther dazu: „Wir vermissen vorausschauende Maßnahmen, die dem Infektionsgeschehen gerecht werden. Statt gelockerten Quarantäneregelungen, sollten alle, die mit Schule in Berührung kommen, ausreichend geschützt werden.“ Der SLLV bleibt dabei, dass Präsenzunterricht unbestritten wichtig ist, aber angesichts des dynamischen Infektionsgeschehens ein Aussetzen des Präsenzunterrichtes oder ein Übergang in den Wechselunterricht nicht mehr gänzlich ausgeschlossen werden dürfe. Insbesondere in den Förderschulen, die von vielen äußerst vulnerablen Schülerinnen und Schülern besucht werden, sollten mehr schützende Maßnahmen ergriffen werden.

Das Testen sei unbestritten eine dieser Maßnahmen und der SLLV begrüßt, dass an den Schulen nun drei statt zwei Mal pro Woche  getestet werden muss. Allerdings sei der damit verbundene Aufwand für Lehrkräfte allmählich nicht mehr zu leisten. „Auch die mit dem Testen einhergehende Verantwortung lehnt der SLLV ab.“ Es gehe nicht nur wichtige Unterrichtszeit verloren, sagt Michaela Günther, „sondern es ist die Grenze der zumutbaren Belastungen längst überschritten.“ Der SLLV fordert für die Schulen mehr Entscheidungskompetenz. Sie benötigten einen Fahrplan, „mit dem sie schnell und unbürokratisch darüber entscheiden können, ob und wann einzelne Klassen oder gegebenenfalls die gesamte Schule in das Lernen von zuhause wechseln können“.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert eine eindeutigere Strategie. Dazu zählten tägliche Tests und eine PCR-Test-Priorisierung für Lehrkräfte und Erziehern.

Neben den Schulen wurde auch in den Kitas das Testregime angepasst. Das freiwillige Test-Angebot wird auf Kinder ab einem Jahr ausgeweitet. Freiwillige Tests waren bisher für Kinder ab drei Jahren möglich. „Mit dieser Maßnahme und dem sogenannten Testregime geraten  Kinder und Fachkräfte in eine Testschleife und werden dauergetestet“, sagt Susanne Kunz vom Verband der Kita-Fachkräfte Saar. „Inzwischen sind fast alle Einrichtungen mal mehr, mal weniger von dem Testregime betroffen, was eine achttägige Testung schon ab einem positiven Schnelltest für die ganze Kohorte vorsieht. Dies sind je nach Größe der Gruppen mindestens 45 bis 50 Kinder einer Einrichtung.“ Durch die Quarantäneanordnungen nur für positiv Getestete, gerieten Kinder und Fachkräfte in eine „Art Dauerschleife“. Das sei „realitätsfern und opportun“. Die Landesregierung nehme dabei die „Durchseuchung von Kindern und Fachkräften billigend in Kauf“.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind aktuell 481 der rund 37 000 Kita-Kinder im Saarland positiv auf Corona getestet, 3093 Kinder sind in Quarantäne. Zudem sind 248 Beschäftigte positiv und 267 in Quarantäne. Zehn der etwa 490 Einrichtungen sind wegen eines Ausbruchsgeschehens ganz geschlossen, 45 Kitas sind teilweise geschlossen.

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