Trotz Kritik Saarland verzichtet auf Einspruch gegen Bundesnotbremse

Berlin/Saarbrücken · Schon bald wird das Saarland in weiten Teilen wieder in den Lockdown zurückkehren müssen. Die Bundes-Notbremse sieht das vor, wenn sie in Kraft tritt. Regierungschef Hans äußerte bis zuletzt Kritik.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU).

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU).

Foto: dpa/Oliver Dietze

Die Tage des Saarland-Modells unter gelber Ampelphase sind wohl gezählt. Wenn das am Donnerstag im Bundesrat passierte geänderte Infektionsschutzgesetz bald in Kraft tritt, greift die Bundes-Notbremse: Gezogen wird sie in Landkreisen oder Städten, in der die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen an drei Tagen hintereinander über 100 liegt. Und das ist derzeit in drei von fünf Landkreisen im Saarland sowie im Regionalverband Saarbrücken der Fall.

Im Bundesrat äußerte sich Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Donnerstag erneut kritisch zur Änderung im Gesetz. Man müsse die Frage stellen: „Wollen wir immer wieder stereotyp mit Lockdown antworten, mit Kontaktverboten oder Ausgangsbeschränkungen?“, fragte er. „Wir brauchen etwas, was nicht auf Dauer ewig Handel, Gewerbe, Kultur und Menschen insgesamt diesem Hin und Her aussetzt.“

Nötig seien „moderne Instrumentarien“, die ähnlich wie das Modell der Pandemiebekämpfung im Saarland darauf setzten, „dass die Bürger mitmachen“ und sich testen ließen. „Es wäre ein herber Verlust, wenn solche Projekte künftig nicht mehr möglich wären. Auch deshalb sehe ich dieses Gesetz durchaus kritisch“, sagte Hans.

Im Saarland läuft seit 6. April ein Modellprojekt, das auf Öffnungen auf der Basis von Tests setzt. Wie genau sich die Bundes-Notbremse nun auf das eigentlich landesweite Modell auswirkt, ob es nun regionalisiert wird - das war zunächst noch unklar.

Das neue Bundesgesetz sei „eine markante Zäsur in der Art und Weise, wie wir die Pandemie bekämpft haben“, sagte Hans. „Ob aber diese Kompetenzverlagerung auf die Bundesebene eine wirkungsvollere Art der Pandemiebekämpfung darstellt, dieser Beweis ist noch nicht erbracht“, sagte er. „Wir haben mit genau diesem Vorgehen die beiden ersten Pandemiewellen gebrochen“, sagte Hans zur Rolle der Länder.

Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes hat am Donnerstag den Bundesrat passiert. Es sieht bei hohen Infektionszahlen Ausgangsbeschränkungen ab 22.00 Uhr und weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Kontakten vor. Läden dürfen nur noch für Kunden öffnen, die einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Fitnessstudios, Museen und Kinos müssen schließen. Der Betrieb von Gastronomiebetrieben wird untersagt. Präsenzunterricht an Schulen soll ab einer Inzidenz von 165 meist gestoppt werden.

Hans äußerte Zweifel, ob die Sieben-Tage-Inzidenz als Referenzwert für grundrechtseinschränkende Maßnahmen ausreiche. „Ich glaube, das muss man noch mal betrachten. Und meine Vermutung ist auch, es wird auch höchstrichterlich betrachtet werden.“

Hans begrüßte die Testpflicht an den Schulen. „Ich bemängele aber, dass darüber hinaus keine weiteren Anreize zu Testungen geschaffen werden.“ Der negative Schnelltest als Zugangsvoraussetzung zum Einzelhandel, zur Außengastronomie, zu Kulturveranstaltungen und zu privaten Zusammenkünften im Freien habe dazu geführt, dass im Saarland die Schnelltests „in die Höhe geschossen“ seien.

Die Zahl der Schnelltests sei von 220 000 in der 14. Kalenderwoche auf 310 000 in der 15. Kalenderwoche gestiegen. Weltweit gelte Dänemark mit 30 getesteten Einwohnern pro Tag pro 1000 Menschen als Spitzenreiter bei Schnelltests – das Saarland liege mit umgerechnet 40 Einwohnern jetzt sogar noch höher als der „Weltmarktführer“.

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