3G-Modell im Saarland ab Freitag Saarland lockert Corona-Regeln – Ende der Maskenpflicht sorgt für Verwirrung bei Unternehmen

Saarbrücken · Ab dem 1. Oktober darf zum Beispiel in Clubs getanzt werden. Die Landesregierung des Saarlandes führt ein 3G-Modell ein. Sanfte Kritik kommt von der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände.

 Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und seine Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD) haben am Dienstag das neue Saarland-Modell Plus vorgstellt, dass viele Lockerungen der Corona-Regeln vorsieht.

Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und seine Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD) haben am Dienstag das neue Saarland-Modell Plus vorgstellt, dass viele Lockerungen der Corona-Regeln vorsieht.

Foto: BeckerBredel

Tanzen im Club, feiern im Stadion – alles ohne Maske und ohne verpflichtenden Abstand möglich: Das Saarland lockert die Corona-Regeln ab Freitag, 1. Oktober. Wenn die Gäste geimpft, getestet oder genesen sind, ist „weitestgehende Normalität“ hergestellt. Das hat der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Dienstag gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD) nach einer Sitzung des Ministerrates in Saarbrücken mitgeteilt. „So viel Beschränkung wie nötig – so viel Freiheit wie möglich: Das ist und bleibt die Richtschnur unseres Handelns“, sagte Hans zu den Lockerungen, die er und Rehlinger „Saarland-Modell Plus“ nennen. Demnach gibt es im Saarland kaum noch Einschränkungen für Menschen die getestet, geimpft oder genesen sind.

Im Privaten sind alle Kontaktbeschränkungen aufgehoben. Im öffentlichen Raum, in Gaststätten, Theatern, Stadien  gilt ab sofort die neue 3G-Regel. Sie enthält nun keine Maskenpflicht mehr, auch keine Pflicht mehr zu 1,5-Meter-Mindestabstand. Die Pflicht ist einer Empfehlung gewichen. Die 3G-Regel ermöglicht es den Saarländern, ohne weitere Auflagen auf Veranstaltungen jeglicher Art zu gehen. Sie dürfen Konzerte dürfen besuchen, ohne Maske mitsingen, sie können in Clubs (enger) tanzen. SIe können aber auch gemeinsam Vorlesungen besuchen, ohne Maske über einen Schulflur laufen, auf der Arbeitsstelle in Meetings ohne Maske sitzen (siehe Info), sie können in Kinos den neuen Bond schauen oder im vollen Saarbrücker Ludwigspark Dritte-Liga-Atmosphäre genießen. Ohne Begrenzung der Gästezahl – auch die Ein-Mensch-pro-fünf-Quadratmeter-Regel gilt nicht mehr.

„Mit dem Saarland-Modell Plus berücksichtigen wir jetzt die großen Impf-Fortschritte und schlagen das nächste Kapitel im Umgang mit Corona auf. Wir wollen nicht nur der Gastronomie, der Veranstaltungsbranche, der Kultur oder der Hotellerie eine wirtschaftliche Perspektive geben, sondern mit einer neuen, verschlankten Verordnung auch für eine Vereinfachung und bessere Nachvollziehbarkeit der Regeln sorgen“, sagt Hans.

Die wichtigste Regel des neuen Saarland-Modells sei „einfach zu verstehen“, wie beide betonten: Ob am Arbeitsplatz oder in der Schule: Die Masken können fallen, und der Abstand kann geringer sein, „wenn die 3G-Regel eingehalten ist“, fasste Rehlinger (SPD) zusammen.  Lediglich dort, wo die 3G-Regel nicht geprüft werden kann, wie im Einzelhandel oder im Öffentlichen Personennahverkehr, gelten weiterhin die alten Regeln des Abstandes und des Masketragens. Vorbild ist die Verordnung aus Schleswig-Holstein, die bereits gültig ist.

VSU empfiehlt Unternehmen, Masken zum Schutz weiter einzusetzen

Sanfte Kritik kam prompt von der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände. Sie hat darauf reagiert, dass ab dem 1. Oktober die Maskentragepflicht in geschlossenen Räumen und in Betriebs- und Arbeitsstätten ausgesetzt sein soll, wenn alle einen 3G-Nachweis vorlegen. Die VSU kritisiert eine mit diesen Regeln verbundenen Rechtsunsicherheit“. Sie empfiehlt daher den Unternehmen im Saarland, „weiter an der Maskentragepflicht in der bestehenden Form festzuhalten“.

Nach aktuell geltendem Recht auf Bundesebene müssen Unternehmen im Rahmen der Corona-Pandemie geeignete Schutzmaßnahmen nach Vorgabe der SARS-CoV-2-Arbeitschutzregel einhalten. Diese sieht als eine der grundlegenden Maßnahmen das Tragen von Masken vor, sollten Abstandsregeln nicht eingehalten werden, heißt es bei der VSU. Auch sei es den Unternehmen aktuell kaum möglich, den Impfstatus im Unternehmen zu erfragen. Bisher gebe es noch kein Fragerecht für den Arbeitgeber.

Fehlende Klarheit also. Rehlinger sah das auf der Pressekonferenz genau anders: „Wir schaffen ein System, das einfach und klar ist. Das erlaubt wieder weitgehende Normalität für Geimpfte“, betonte sie. Damit verbunden sei aber auch der dringende Appell: „Lassen Sie sich impfen. Das 3G-Modell macht vieles wieder wirtschaftlich möglich: von Clubs und Diskotheken über Veranstaltungen und ordentlichen Restaurantbetrieb im Innenraum. Das sorgt für lang ersehntes Aufatmen in der Wirtschaft. Die neue Freiheit setzt auf die Vernunft der Saarländerinnen und Saarländer. Maske und Abstand sowie allgemeine Vorsicht bleiben unsere Empfehlungen – vor allem aber die Impfung.“ Und auf Eigenverantwortung: Wenn zum Beispiel ein Friseur die 3G-Regel einführt und kontrolliert, kann er auf Masken verzichten. Verzichtet er auf 3G, muss er eine Maskenpflicht einführen. Wie er es macht, kann er selbst entscheiden. „Das neue Saarland-Modell sei auch ein Signal für mehr Eigenverantwortung“, wie Rehlinger sagte. Wer weiter eine Maske tragen und Abstand halten wolle, könne dies weiterhin machen. „Sie bleiben dringende Empfehlungen“, erklärte Rehlinger.

Hans verweist auf hohe Impfquote im Saarland

Die „neue Freiheit“ gilt zunächst 14 Tage. Dann nimmt die Regierung wieder die Zahlen kritisch in den Blick. „Unser Saarland-Modell war von Anfang an als langfristige Corona-Management-Strategie angelegt, um die Pandemie je nach Infektionslage zu steuern“, erklärte Hans. Da gehöre Kontrolle der Zahlen dazu. Die Kennwerte der Pandemie seien für das Modell neben der Sieben-Tage-Inzidenz für Neuinfektionen die Belegung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten. „Wir sind im regelmäßigen Austausch mit den Intensivmedizinern dieses Landes“, erklärte Hans. Derzeit sei es ruhig. Daher habe er auch keine Bedenken, den Menschen Freiheiten zurückzugeben.

Ein weiterer wichtiger Grund, Freiheiten zu ermöglichen, sei die gute Impfquote, wie Hans erklärte. „Wir haben über 70 Prozent vollständig Geimpfte im Land.“ Das Saarland habe von allen Flächenländern die höchste Impfquote. „Deswegen sind wir auch der Auffassung, dass wir diese Lockerungen vornehmen können. Wir haben zuletzt auch sehr wenige Sterbefälle wegen Corona im Saarland gehabt“, erklärte Hans. Die Zahl der Covid-19-Patienten in Krankenhäusern sei auch gefallen. Wenn die Corona-Messwerte wieder steigen würden, will das Saarland auf ein 2G-Modell „zurückfallen“.

Beiden Politikern ist offenbar bewusst, dass die Zahlen auch nochmal steigen könnten. Nicht zuletzt war der Monat Oktober im vergangenen Jahr ein Höhepunkt in der Corona-Pandemie. „Corona wird uns noch eine ganze Zeitlang begleiten“, sagte Hans. Daher sei das Saarland-Modell Plus „auch keine Einbahnstraße, sondern ist und bleibt eine flexible Steuerungsstrategie“, erklärte Hans, denn: „Sollte sich die Infektionslage deutlich verschlechtern und es die Situation in den Krankenhäusern erfordern, werden wir nicht zögern, das Modell entsprechend anzupassen.“

Andere Bundesländer wie Hamburg setzen zum Beispiel auf ein 2G/3G-Optionsmodell. Da muss der Wirt oder Clubbetreiber selbst entscheiden, ob er nur Geimpfte – und Genesene reinlässt (2G) – oder auf 3G setzt, damit aber Einschränkungen in Sachen Gästezahl hinnehmen muss. Auch in Sachsen-Anhalt, Hessen und Berlin ist der Übergang vom (alten) 3G-Prinzip zum sogenannten 2G-Optionsmodell bereits beschlossen. In Rheinland-Pfalz gilt auch ein 2G-Plus-Modell. Sachsen und Niedersachsen haben ähnliche Maßnahmen angekündigt. Eine kompliziertere Variante sicherlich, eine vorsichtigere allemal.

Eine Variante, die Frank Hohrath, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands im Saarland, nicht gut findet. Er ist „zufrieden mit der neuen 3G-Regel im Saarland“, da die Veranstalter nun nicht selbst zwischen 2G oder 3G entscheiden müssen. „Egal wie er die Entscheidung fällt“, sagt Hohrath, „er muss sie vor seinen Gästen rechtfertigen“. Natürlich sei die Entscheidung zum neuen 3G-Modell im Saarland „mutiger“ als das, was Hamburg oder Rheinland-Pfalz machen würden, sie sei dennoch „überfällig“ gewesen. Die neue 3G-Regel im Saarland schließe „keinen aus und ist relativ leicht vom Wirt zu kontrollieren. Das ist genau das, was wir wollten“, lobt Hohrath die Lockerungen der Landesregierung.

Veranstaltungsbranche lobt „mutigen“ Schritt, der überfällig gewesen sei

Auch der Poprat Saarland, eine Interessenvertretung der saarländischen Veranstaltungsbranche, erkennt an, dass nun in Clubs, Theatern oder Spielstätten wieder „eine wirtschaftlich sinnvolle Auslastung der Locations wieder möglich wird“, da auch die Ein-Mensch-pro-Fünf-Quadratmeter-Regel gefallen ist. „Das ist ein mutiger, aber auch wichtiger und überfälliger Schritt zurück zur Normalität und seit 15 Monaten Pandemie ein erster Lichtblick für die Branche", schreibt der Poprat in einer Mitteilung. Und: „Dass das Saarland nun sogar mit dem erweiterten Saarland-Modell einen Schritt weitergeht und großflächig auf Beschränkungen verzichtet, begrüßt der Poprat ausdrücklich, gerade auch, weil das Bundesland weiterhin einer der Vorreiter bei der Impfquote ist."

Hans und Rehlinger betonten beide, dass die Impfung die beste Möglichkeit sei, sich und andere zu schützen, solange noch kein Wirkstoff gegen die Krankheit gefunden sei. Dennoch gebe es Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen oder können. Auch sie könnten mit Tests am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Da die kostenlosen Bürgertests am 11. Oktober wegfallen, stellt sich die Frage, wo und für wie viel Geld die Nicht-Geimpften und Nicht-Genesenen an Tests kommen sollen. Es werde weiter Testzentren des Landes und der Kommunen geben, erklärte Hans. Ein Test „wird etwa 8,50 Euro kosten“. Die Test-Kosten der Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, übernehme weiterhin der Steuerzahler. Da werde es Ausnahmenregelungen geben. Alle andern müssen zahlen. „Eine Impfung hingegen ist kostenlos“, sagte Hans.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort