Wegen Corona-Lockerungen im Saarland Saar-Lehrerverband mit harter Kritik an der Regierung: „Fahrlässig“

Saarbrücken · Am Dienstag hat die saarländische Landesregierung beschlossen, die Corona-Regeln zu lockern. Der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) ist empört. Der deutliche Vorwurf: Fahrlässigkeit.

Corona – Saar-Lehrerverband mit harter Kritik an der Regierung: „Fahrlässig“
Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Eine Woche ist es her, da ist die Maskenpflicht im Unterricht an saarländischen Schulen gefallen. Und sogleich folgt die nächste Lockerung – das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes entfällt jetzt ganz. Schüler, Lehrer und anderes Schulpersonal können nun auch auf Masken auf den Fluren und Gängen verzichten. Das hat die saarländische Landesregierung am Dienstag beschlossen. Auch die bisher praktizierte Einteilung der Schülerinnen und Schüler in feste Gruppen findet nach Angaben des bildungsministeriums nicht mehr statt. Demzufolge erübrigten sich etwa auch feste Wegeführungen in den Schulgebäuden oder die Aufteilung des Schulhofes für die verschiedenen festen Gruppen.

„Wir haben heute gesagt, dass Kinder und Jugendliche nicht hintenanstehen. Da wo nochmal Normalität möglich ist in der Gesellschaft, gilt das selbstverständlich auch in den Schulen“, begründete Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Dienstag diesen Schritt. „Erleichterungen, die allgemein gelten, müssen natürlich auch für die Kinder und Jugendlichen und unsere Beschäftigten an den Schulen gelten. Die 3G-Voraussetzung ist an unseren Schulen erfüllt“, sagte Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) am Mittwoch. „Mit den allgemeinen Lockerungen und dem Paradigmenwechsel in der Corona-Politik, den wir gestern in der Landesregierung beschlossen haben, geht deshalb auch einher, dass wir die Regelungen an den Schulen entsprechend anpassen.“ Streichert-Clivot kündigte eine „verschlankte“ Neufassung des Musterhygieneplans zum 1. Oktober an, mit der „wir Organisationsaufwand abbauen und Regelungen vereinfachen“. Ihr sei es wichtig, dass sich die Schul-Teams wieder mehr auf ihre Kernaufgabe konzentrieren könnten – „und das ist die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“.

Reaktionen auf die Lockerungen ließen nicht lange auf sich warten. Der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) ist empört. Die Beschlüsse „könnten in der Bevölkerung den Eindruck erwecken, dass die Pandemie vorbei ist. Wissenschaftler allerdings warnen weiterhin vor zu schnellen Öffnungen. Zudem gibt es bislang keine offiziellen Zahlen dazu, wie sich die Infektionen an den Schulen entwickelt haben nach Wegfall der Maskenpflicht im Unterricht“, kritisiert SLLV-Vorsitzende Lisa Brausch.

 Der Verband hält es für „fahrlässig, einzig auf das vernünftige Handeln der Bevölkerung zu setzen“. Nach dem neuen 3G-Modell im Saarland entfallen Maskenpflicht und Abstandsregeln auch in öffentlich zugänglichen Innenräumen dann, wenn Getestete, Genesene und Geimpfte zusammenkommen – und der Zugang kontrolliert werden kann. Nicht jeder werde „mit Bedacht und rücksichtsvoll handeln“, warnt der Lehrerverband. Damit könnten die neuen Regeln „ad absurdum geführt werden“. Auch wenn alle Hygienevorschriften wie  regelmäßiges Lüften der Klassenräume eingehalten werden, seien Corona-Infektionen im Herbst und Winter unvermeidbar. Vor allem ein „Hin und Her“ mit Maskenpflicht „ja“ und Maskenpflicht „nein“, wie es in den vergangenen Wochen war, steigere „den Unmut und verringere die Akzeptanz notwendiger Maßnahmen“.

Lisa Brausch, Vorsitzende des Saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (SLLV).

Lisa Brausch, Vorsitzende des Saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (SLLV).

Foto: MB Photo

 Auch in den gelockerten Quarantäneregeln sieht der Lehrerverband ein Risiko. Der Ministerrat hat am Dienstag beschlossen, dass bei einem Corona-Fall nicht mehr die ganze Klasse in Quarantäne muss, sondern nur das infizierte Kind selbst. Alle anderen müssen sich an fünf Tagen in Folge selbst testen und wieder Masken tragen. „Für die Schulen sind einheitliche Handlungsvorgaben zum Schutz aller wichtig: zum Beispiel dass bei Rückkehr nach Krankheit ein negatives Testergebnis vorgelegt werden muss“, fordert SLLV-Chefin Brausch.

Sie blickt auch mit Sorge auf die Herbstferien und die „Reiserückkehrproblematik“. Zum einen sollten nach den Ferien in der Schule alle ein Test vor Betreten des Klassenzimmers machen müssen. Außerdem müssten „wieder strengere Regeln im Sinne von ‚Schutzwochen‘ gelten“. Lisa Brausch zeigt zwar Verständnis für die Bestrebungen, wieder Normalität in der Gesellschaft und den Schulen einkehren zu lassen. Der Schutz der Kinder und Jugendlichen sowie des Lehrpersonals stehe für sie aber an erster Stelle.

Saar-Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD)

Saar-Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD)

Foto: MBK/Christian Hell/Christian Hell

Zumindest begrüßt es der Verband, dass die Landesregierung nicht von der bisherigen Teststrategie in den Schulen abweichen wird und weiterhin zweimal wöchentlich und verpflichtende Tests durchgeführt werden. An den weiterführenden Schulen finden für Schüler und an allen Schulen für die Lehrkräfte und Beschäftigten weiterhin Selbsttests statt. An den Förderschulen werden die Testungen nach Angaben des Bildungsministeriums wie bisher mit Hilfe von medizinischem Personal durchgeführt. An den Grundschulen werden die Testungen bis zum 2. November ebenfalls wie gewohnt mit medizinischem Personal durchgeführt. Für die Zeit danach plant das Saarland eine Umstellung auf Lolli-Antigen-Schnelltests. Diese Tests könnten auch von Grundschülern selbst angewendet werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort