Debatte im Saar-Landtag über Corona-Impfung für Kinder „Eltern, lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen!“

Saarbrücken · Auf Antrag der Linksfraktion diskutierte der Saarländische Landtag über die mögliche Impfung von Kindern und Jugendlichen. Was plant die Landesregierung?

Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche im Saarland
Foto: dpa/Oliver Berg

Schon im Juni könnte es soweit sein: Dass der Corona-Impfstoff des deutschen Herstellers Biontech und seines US-Partner Pfizer auch für Kinder von zwölf bis 15 Jahren zugelassen wird. Biontech/Pfizer haben bei der europäischen Arzneimittelbehörde (Ema) die Zulassung ihres Vakzins beantragt. Bislang ist der Impfstoff erst für Jugendliche ab 16 Jahren freigegeben. Saar-Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) befürwortet eine Impfung auch der jüngeren Altersgruppe, wie sie vergangene Woche erklärte. „Sobald die Zulassung vorliegt, müssen entsprechende Konzepte zur Durchimpfung dieser Gruppe greifen. Das Saarland wird ein entsprechendes Konzept vorsorglich erarbeiten, um zeitnah zur Zulassung mit der Verimpfung starten zu können.“

Die Linksfraktion im Saar-Landtag warnt davor. „Wir würden derzeit in keinem Fall verantwortlich handeln, wenn wir jetzt den Impfstoff für Kinder und Jugendliche freigeben würden“, sagte Fraktionschef Oskar Lafontaine. Der Linken-Politiker verwies auf die einzige Studie aus den USA mit nur etwa 1000 Jugendlichen. Diese Zahlen seien zu gering, um Sicherheit zu bringen. Außerdem, so Lafontaine, müsse weiter die Priorisierung eingehalten werden. Besonders gefährdete Menschen müssten nach wie vor Vorrang haben. Zumal viele über 80-Jährige und Menschen über 70 im Saarland noch immer nicht geimpft seien. „Das entscheidende Problem ist auch, dass immer noch nicht die Langzeitfolgen bekannt sind.“ Sowohl des Coronavirus als auch der Impfstoffe. Selbst wenn die Ema das Vakzin freigibt und die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Empfehlung gibt. Es brauche ein besseres Verständnis für die Nebenwirkungen. „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass den Kindern nichts passiert. Bei den Kindern gibt es für mich derzeit keine überzeugende Begründung, alle durchzuimpfen“, sagte Lafontaine. „Eltern, lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen!“

CDU-Politiker Hermann Scharf forderte, zu „mehr Sachlichkeit“ zurückzukehren. Man brauche keinen Druck zu machen, zumal die Zulassung für Kinder und Jugendliche noch nicht erfolgt ist. „Ich kann uns nur empfehlen: Warten wir die Studien ab. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.“ Würde es im Saarland zu einer Priorisierung von Kindern kommen, müsse man die Kinder- und Jugendärzte sowie die Virologen miteinbeziehen, betonte Scharf.

Es sei ein sehr sensibles Thema, sagte Martina Holzner (SPD). Die Wirkung des Impfstoffes für Kinder und Jugendliche müsse in weiteren Studien erforscht werden. „Es dürfen keine falschen Hoffnungen geweckt werden.“ Wenn es allerdings seitens der Ema und der Stiko keine Einwände gibt, müsse den Kindern und Jugendlichen ein Impfangebot gemacht werden. Wie kann das aussehen? Es müsse freiwillig sein, sagte Holzner. Kinder und Erziehungsberechtigte müssten zudem umfassend aufgeklärt werden. Grundrechte dürften nicht von einer Impfung abhängig sein. „Ich begrüße ein Impfangebot für Kinder und Jugendliche. Aber: Es muss eine bundesweite Strategie geben. Außerdem die Empfehlung der Stiko“, ergänzte Petra Berg, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion.

AfD-Fraktionschef Josef Dörr ist „strikt dagegen“, Kinder zu impfen, sofern noch nicht ausreichend Informationen vorliegen. Zumal die Fachwelt sich derzeit ebenfalls noch uneins sei. Dörr befürchtet auch, dass es zu einer Impfpflicht kommen könnte, wogegen sich die AfD wehrt.

Gesundheitsministerin Bachmann verwies am Mittwoch auf die „vielen Entbehrungen“, die Kinder und Jugendliche in den vergangenen Monaten haben erleiden müssen. Daher: „Unser Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen so schnell es geht ein Impfangebot zu machen. Sobald die Ema ein Vakzin freigegeben hat. Nicht mehr und nicht weniger.“ Das sei keine Impfpflicht. Rund 49 400 Kinder und Jugendliche im Saarland kämen für eine Impfung infrage. Zählt man Schüler aus Rheinland-Pfalz dazu, die hierzulande zur Schule gehen, summiert sich die Anzahl auf etwa 60 000. Am 18. Mai soll ein runde Tisch mit Kinder- und Jugendärzten, Verbänden, Landkreisen, dem Bildungsministerium und Schulträgern stattfinden und ein Konzept diskutiert werden. Auch darüber wo und wie – im Impfzentrun, bei den Haus- oder Kinderärzten – die Impfung erfolgen könnte.

Unterdessen warnt der Verband der Kinder- und Jugendärzte im Saarland vor einem zu schnellen Einsatz des Vakzins unmittelbar nach dessen Zulassung. Auch der Verband betont, dass man zunächst die Empfehlung der Stiko abwarten müsse. Das habe sich seit Jahrzehnten auch im Saarland bewährt. Grundsätzlich spreche sich der Verband nicht gegen ein Impfangebot für Zwölf- bis 15-Jährige aus. Insbesondere für Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen wie Trisomie 21 und schwerwiegenden neuromuskulären Erkrankungen sei eine Impfung sinnvoll. Allerdings sei es zu früh, die Sicherheit des Impfstoffes für alle in dieser Altersgruppe abschließend beurteilen zu können, da es lediglich eine einzige Studie aus den USA mit 1131 Jugendlichen gibt.

Zudem müsse die Impfung einen Vorteil für das „das geimpfte Individuum“ bringen. Das sei bei gesunden Kindern und Jugendlichen nur bedingt der Fall, schreibt der Verband, weil bei ihnen der Krankheitsverlauf nach einer Corona-Infektion meist milde verlaufen würde. Eine Freigabe der Impfung für alle Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren sollte nur dann erfolgen, sobald ausreichend Impfstoff für alle „vulnerablen und zur Impfung bereite erwachsene Menschen“ vorhanden ist.

Der Verband warnt ebenso davor, den Besuch von Kitas und Schulen an eine Impfung zu koppeln. Das sei nicht zu rechtfertigen, insbesondere dann nicht, wenn die erwachsenen Kontaktpersonen in den Bildungseinrichtungen noch nicht vollständig geimpft seien. Außerdem käme „dies einer indirekten Impfflicht gleich“.

Laut Gesundheitsministerin Bachmann seien im Saarland bereits 500 000 Impfungen verabreicht worden. 100 000 Saarländer seien vollständig geimpft. Damit sei das Saarland weiter bundesweit Spitzenreiter in Sachen Impfung. 2300 Anträge seien nach Angaben von Hermann Scharf bei der Härtefallkommission eingegangen, 90 Prozent davon „abgearbeitet“. Vielen Menschen sei geholfen worden.

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