Regierungserklärung im Landtag Tobias Hans zur aktuellen Corona-Lage im Saarland: „Verlieren wir jetzt nicht die Nerven“

Saarbrücken · Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat im Landtag die Lockerungen in der Corona-Pandemie verteidigt. Dazu erklärte er am Montagmorgen, wie er die Saarländer schneller impfen und öfters und kostenlos testen will. Und gestand auch Fehler ein.

Corona im Saarland: Tobias Hans zu Lockerungen, Impfen und Testen
Foto: BeckerBredel

Etwas die Luft rauslassen – um etwas Luft im Kampf gegen die Pandemie zu gewinnen: Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat in seiner Regierungserklärung am Montagmorgen vor dem Landtag die Lockerungen in der neuen Corona-Verordnung begründet. Dazu hat er angekündigt, dass das Saarland mehr testen und schneller impfen will, um eine drohende dritte Pandemiewelle zu verhindern.

Hans blickte zunächst zurück auf den Beginn des Kampfes gegen das Sars-CoV2-Virus. Vor einem Jahr gab es noch keine Impfungen, noch keine Selbsttests: Harte Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen waren die Lösung. Sie haben die erste Welle gebrochen. Der zweiten Welle im November trat die Politik „mit einem leichten Lockdown“ entgegen, wie Hans erinnerte. Ein Fehler, er „hat sich leider als unzureichend erwiesen“, gestand der Regierungschef. Erst der später verhängte härtere Lockdown habe wieder zu fallenden Infektionszahlen geführt. Allerdings auch zu einer „verfassungsrechtlichen Extremsituation“; es kam zu „massiven Grundrechtseingriffen“, wie Hans erklärte – so „wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik“.

Geschlossener Einzelhandel, Kultureinrichtungen, Schulen, Kitas – nahezu das komplette öffentliche Leben hat die Politik einfrieren müssen, um die Welle zu brechen. Nicht nur daher ist so mancher Durchhaltewille in der zweiten Welle gebrochen. Das stellte Hans nicht in Abrede. „Wie jede Therapie hat auch dieses Mittel Nebenwirkungen“, sagte er. Viele Menschen kämen „an ihre Grenzen. Es droht die Gefahr, dass die Geduld, die Disziplin allmählich erodiert; dass man nach Lücken in unseren Rechtsverordnungen sucht; dass man mehr und mehr die Corona-Auflagen umgeht und dass man auf diese Art sozusagen unter dem Radar den Boden für die verstärkte Verbreitung des Corona-Virus bereitet“, befürchtet Hans.

Corona im Saarland: Tobias Hans zu Lockerungen, Impfen und Testen
Foto: Bundesregierung

Auch daher habe die Regierung Lockerungen geplant. Gekoppelt hat sie diese an Inzidenzwerte, also an die Anzahl der Infizierten unter 100 000 Menschen in den vergangenen sieben Tagen. „Wir stehen vor der großen Herausforderung, einerseits das Pandemiegeschehen mit den neuen Varianten unter Kontrolle zu halten, andererseits aber auch dem dringenden und verständlichen Bedürfnis nach mehr Freiräumen ein Stück weit nachzukommen“, erklärte Hans das Dilemma der Landesregierung. Ihre Lösung: Sie räumt Freiräume ein, lockert die Kontaktbeschränkungen. Fährt also genau das Instrument zurück, das die erste und zweit Welle brechen konnte. Friseure, Gärtnereien, Gartencenter, Fahr- und Musikschulen, Einzelhandel und Kultur mal mit, mal ohne nach Terminvergabe. Kontaktloser Sport. Die schrittweise Öffnung der Schulen; auch private Zusammenkünfte von drei Haushalten sind unter Bedingungen wieder möglich. Alles gekoppelt an Inzidenzwerte. Steigt zum Beispiel „die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinander folgenden Tagen auf über 100, treten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft“, erklärte Hans „die Notbremse“ im Lockerungssystem. Derzeit steht der Inzidenzwert im Saarland auf 59,4.

Das könnte sich schnell ändern. Wegen der Virus-Varianten. Sie seien ansteckender oder provozieren öfters schwere Verläufe als die Basisvariante, erklärte Hans. Oder sie täten einfach beides. Der Anteil der Varianten an allen Infektionen betrage laut Schätzungen des Saarbrücker Professors Thorsten Lehr „bereits um die 50 Prozent“, wie Hans berichtete. Solche Mutanten seien laut Ministerpräsident wohl der Grund dafür, dass die Zahl der Neuinfektionen, die Sieben-Tage-Inzidenzen und der R-Wert „bundesweit seit Mitte Februar wieder ansteigen“. Trotz harten Lockdowns. In Deutschland sei hauptsächlich die britische Variante vertreten. Direkt über der Landesgrenze, im Departement Moselle, verbreite sich vor allem die südafrikanische; dort stünde die Inzidenz bei einem Wert von über 300. Diese Variante hätten „wir nun auch vermehrt bei uns im Saarland“, warnte Hans. Professor Lehr rechnet bei allzu leichtfertigen Lockerungen und allzu großer Unachtsamkeit für den Monat April wieder mit Sieben-Tage-Inzidenzen von über 200. Und: Es sei keineswegs ausgeschlossen, „dass weitere gefährliche Varianten entstehen“. Welche, die etwa den Immunschutz einer bereits durchgemachten Corona-Infektion umgehen und „damit eine bereits erworbene Herdenimmunität wieder zunichtemachen können“, erklärte Hans.

Dennoch die Lockerungen. Hans erklärte den Mut dazu vor allem mit dem Vertrauen in die „neuen“ Instrumente der Pandemiebekämpfung: „Was wir auf der einen Seite wegnehmen, das müssen wir auf der anderen Seite umso mehr zulegen. All das muss einhergehen mit einer deutlich beschleunigten Impfkampagne und einem weit ausgerollten Testkonzept“, erklärte Hans. Seit Dezember 2020 ist Impfen im Saarland möglich. Bis Montag seien hier „mehr als 90.000 Dosen verimpft“, erklärte Hans. Fast 4.000 Impfungen fänden in den Impfzentren täglich statt, sie seien zu 75 Prozent ausgelastet. Voll ausgelastet sind sie deshalb nicht, weil nicht genügend Impfdosen da sind. „Wir haben bis Ende März Lieferankündigungen von über 200 000 Dosen, die bereits angewandten Dosen mitgerechnet, also noch über 100 000 zusätzliche in den kommenden drei Wochen.“ Alle Bewohner von Pflegeeinrichtungen hätten ihre Erstimpfung erhalten, „etwa die Hälfte ihre Zweitimpfung“, erklärte Hans. Mit Erfolg: „Lag der Anteil der Über-80-Jährigen an den Neuinfizierten vor wenigen Wochen noch bei über 13,4 Prozent, so beträgt er heute rund sechs Prozent. Der Anteil hat sich also mehr als halbiert“, sagte Hans. In den Arztpraxen werde bald geimpft, kündigte Hans an, auch in den Krankenhäusern. Wenn denn genügend Impfstoff im Saarland ankommt. Hans erwarte durch die Impfungen einen Rückgang bei den schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen „und eine deutliche Entlastung unserer Intensivstationen. Dadurch verliert die Pandemie, falls sich unsere Erwartungen erfüllen, gewaltig an Schrecken.“ Aber, so Hans: „Bis unsere Impfkampagne in der Masse der Bevölkerung spürbare Wirkungen zeigt, wird es noch dauern.“ Bis Ende Juli will die Landesregierung 500 000 Saarländer geimpft haben. Bis dahin „dürfen wir unseren hart erarbeiteten Erfolg nicht gefährden. Verlieren wir jetzt nicht die Nerven!“. Es sei unsere gemeinsame Aufgabe, „eine dritte Pandemie-Welle zu vermeiden“. 

Das dritte Instrument im Kampf gegen die Pandemie seien „regelmäßige Testungen in der gesamten Breite der Bevölkerung. Ähnlich wie bei den Impfungen stehen uns die Antigen-Schnelltests erst jetzt in hinreichender Menge zur Verfügung“, sagte Hans. Neben den regulären Antigen-Schnelltests habe die Landesregierung „früh 2,5 Millionen Schnelltests, die zur Eigenanwendung zugelassen sind, bestellt. 500 000 haben wir bereits verteilt. Die Lieferung von 500 000 weiteren ist für diese Woche angekündigt. Wir haben alle Vorkehrungen getroffen, um jetzt eine wahre Testoffensive starten zu können“, sagt Hans. Bereits heute verfüge das Saarland über sieben Testzentren. Jeder Landkreis soll mindestens eines bekommen, auch Apotheken, Haus- und Fachärzte sollen testen. Die Landkreise, Städte und Gemeinden sollen „mit Hilfsorganisationen oder örtlichen Partnern dezentral Testangebote und Testzentren einrichten“. Hans will mit diesem Dreisäulen-Modell künftig allen Bürgern „ einen kostenlosen Schnelltest pro Woche anbieten“, wie er versprach. 

Auch bei der schrittweisen Rückkehr in den Präsenzunterricht „haben wir beim Start der Grundschulen 110 000 Testkits ausgeliefert, so dass dort regelmäßige Testungen gewährleistet werden können. Das Gleiche gilt bei den weiterführenden Schulen für den sukzessiven Start des Wechselunterrichts.“ Die Tests sind freiwillig. Lehrkräfte, pädagogisches Personal und Kinder können zwei Antigen-Schnelltests pro Woche machen, kündigte Hans an. Und: „Wir testen auf breiter Basis in den stationären Pflegeeinrichtungen. Allein in der achten Kalenderwoche haben wir bei Beschäftigten und Bewohnern knapp 60 000 Antigen-Schnelltests durchgeführt.“

Zum vierten Instrument könnten sich laut Hans die „elektronischen Hilfsmittel“ entwickeln. Apps zur Kontaktnachverfolgung - wie Luca zum Beispiel. Oder die Kontaktnachverfolgungs-Software Sormas, die in den saarländischen Gesundheitsämtern be Ende März laufen soll. Oder Apps, die negative Tests auf dem Smartphone nachweisen – etwa, wenn man ein Restaurant oder ein Kino betritt. „Daran wird zurzeit fieberhaft gearbeitet, auch bei uns hier im Saarland. Wir warten nicht, bis andere diese Technologien entwickeln. Nein, gerade als Exzellenzregion in Sachen Zukunftstechnologien ist es unsere Pflicht und Schuldigkeit, hier an Lösungen mitzuarbeiten“, berichtete Hanson einem Projekt der SAP. Letztlich sei aber nur durch ein Zusammenspiel der Instrumente, das Virus in Schach zu halten. „Wir sind darauf angewiesen, dass alle mit uns an einem Strang ziehen. Diese Pandemie ist und bleibt eine Bewährungsprobe für unsere gesamte Gesellschaft. Und ich bin nach wie vor sicher: Gemeinsam werden wir sie bestehen.“

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