Studie zu Ganzstagbetreuung Bertelsmann-Stiftung warnt: Bis zu 800 Fachkräfte fehlen im Saarland an Grundschulen, an die 5000 bei Kitas – Was das Bildungsministerium dazu sagt

Update | Saarbrpücken · Bis 2030 will die saarländische Landesregierung jedem Grundschüler ein Angebot zur Ganztagsförderung unterbreiten. Ein hehres Ziel, das nach bisherigen Plänen so aber nicht zu bewerkstelligen ist. Das geht aus einer Studie hervor, die die Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh am Dienstag veröffentlichte.

 Wenn alle Grundschulkinder im Saarland ihren Anspruch auf Ganztagsbetreuung wahrnehmen, reicht das Personal nicht, lautet das Ergebnis einer Bertelsmann-Stiftung. (Symbolbild)

Wenn alle Grundschulkinder im Saarland ihren Anspruch auf Ganztagsbetreuung wahrnehmen, reicht das Personal nicht, lautet das Ergebnis einer Bertelsmann-Stiftung. (Symbolbild)

Foto: dpa/dpaweb/Karl-Josef Hildenbrand

Jedes Kind soll 40 Stunden die Woche an Grundschulen im Saarland betreut und gefördert werden. Schrittweise will die Landesregierung dieses Ziel erreichen. Zuerst die Abc-Schützen ab dem Schuljahr 2026/27, bis 2029/30 alle Stufen bis zur vierten Klasse.

Das Ergebnis der Studie Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule 2022“

Doch diese selbstgesteckte Vorgabe dürfte nach jetzigen Plänen nicht erreicht werden. Das zumindest prognostizieren Experten der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh. Grund dafür: ein immenser Mangel an Fachkräften, die diese Aufgabe eigentlich übernehmen sollen. Nach Analyse der am Dienstag, 5. Juli, vorgestellten Studie „Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule 2022“ fehlten 2030 dem Land bis zu 800 Beschäftigte.

Und auch wenn sich die Regierung nun mächtig ins Zeug legt, sei die Maßgabe wohl nicht zu erfüllen. „Das Saarland kann die Umsetzung des Rechtsanspruchs für alle Kinder bis 2030 kaum stemmen, der Fachkräftemangel ist bis dahin nur schwer zu decken“, wird Kathrin Bock-Famulla in einer Pressemitteilung der Stiftung zitiert.

Grund für diese pessimistische Ausschau der Expertin für frühkindliche Erziehung: Es mangle an einer langfristigen Fachkräfteoffensive. Die müsse die Politik „mit allen Verantwortlichen sofort“ auf den Weg bringen. Nur so könne, wenn überhaupt, erreicht werden, über genug Personal zu verfügen.

Noch höherer Fachkräftemangel an Kindertagesstätten (Kita)

Doch nicht nur an Grundschulen mache sich der Mangel bemerkbar. Zusätzlich benötige das Land sogar bis zu 5000 Mitarbeiter an Kindertagesstätten (Kitas). Hier mangle es ebenso an qualifiziertem pädagogischem Personal. Bock-Famulla spricht von einem „enormen Bedarf“ bis zum Ende des Jahrzehnts.

Um die Studie zum Personalmangel an Kitas und Grundschulen überhaupt zu erstellen, habe die Bertelsmann-Stiftung auf Daten der statistischen Bundes- und Landesämter zur Kinder- und Jugendhilfe zugegriffen. Außerdem sollen Angaben der Kultusministerkonferenz und weiterer Behörden eingeflossen sein.

Doch die Angaben seien überall in Deutschland, so auch im Saarland „sehr lückenhaft“ was die Bestandsaufnahme zum Angebot der Ganztagsförderung betrifft, kritisiert die Stiftung in ihrer schriftlichen Mitteilung. Das erschwere die Analyse, wie groß der Bedarf tatsächlich ist.

So nutzen Grundschüler heute das Betreuungsangebot

Was allerdings aus den Statistiken der Amtsstuben hervorgehe, sei die bisherige Inanspruchnahme der Ganztagsbetreuung an Grundschulen. Diese liege im Saarland aktuell bei 62 Prozent aller Grundschüler. Zum Vergleich: Im Schnitt aller westdeutschen Bundesländer betrage diese 47, im Osten bei 86 Prozent.

Der Fehlbedarf von 800 Fachkräften an Grundschulen bis 2030 bezieht sich darauf, dass alle Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse die Tagesbetreuung nutzen wollen. Werde das heutige ostdeutsche Niveau erreicht, gehen die Experten bei der Bertelsmann-Stiftung von immer noch 500 fehlenden Betreuern aus. Und endet die Betreuung gar schon zur Mittagszeit, dann klaffe eine Lücke von 400 Beschäftigten.

Für die Expertise engagierte die Bertelsmann-Stiftung das Münchner Forschungsinstitut Economix-Research & Consulting. das sich selbst als unabhängig bezeichnet. Die Stiftung, 1977 ins Leben gerufen, sieht ihren Schwerpunkt unter anderem bei der Forschung politischer, wirtschaftlicher und kultureller Zusammenhänge.

Junge Leute bei der Ausbildungsplatzsuche pessimistisch

Zuletzt hatte sie ihre repräsentative Umfrage zum Einfluss der Corona-Pandemie auf die berufliche Ausbildung veröffentlicht. Darin erklärten zwei Drittel der saarländischen Teilnehmer, dass sie die Suche nach einem passenden Praktikums- und Ausbildungsplatz viel schwieriger erachten. Damit lag ihr Pessimismus weit über dem Bundesschnitt von 53 Prozent.

Das Bildungsministerium relativiert die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung

Nach Angaben des Bildungsministeriums verfügt das Saarland über 20 315 Ganztagsplätze im Primarbereich in freiwilligen und gebundenen Ganztagsschulen, im Schuljahr 2016/17 waren es noch 17 200. Insgesamt arbeiteten derzeit rund 1000 Pädagogische Fachkräfte im Ganztag (FGTS und GGTS). Anders als die Bertelsmann-Studie, die von 100 Prozent Inanspruchnahme ausgeht, „gehen wir davon aus – auch gestützt durch die Berechnungen des Deutschen Jugendinstituts in München, der Technischen Universität Dortmund und des Bildungsberichts Deutschland 2022 –, dass zur Erfüllung des Rechtsanspruchs eine Versorgungsquote von etwa 77 Prozent ausreichend sein wird“, teilt das Ministerium mit. Zur Erreichung dieser müssten gemäß den aktuellsten Schülerzahlprognosen insgesamt 6900 zusätzliche Ganztagsplätze geschaffen werden. „Hierfür werden bis zum völligen Aufwachsen des Rechtsanspruchs im Schuljahr 2029/30 voraussichtlich rund 350 zusätzliche Fachkräfte erforderlich sein.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort