Andenken von Saar-Promis Lafontaine, Aug’ in Aug’ mit Helmut Kohl

Saarbrücken · Das Historische Museum zeigt in einer Ausstellung überraschende Geschichten über Saar-Prominente. SZ-Serie, Teil 2.

Oskar Lafontaine war von 1985 bis 1998 saarländischer Ministerpräsident. Im Herbst 1990 war er SPD-Kanzlerkandidat. Das Foto zeigt ihn 1996.

Oskar Lafontaine war von 1985 bis 1998 saarländischer Ministerpräsident. Im Herbst 1990 war er SPD-Kanzlerkandidat. Das Foto zeigt ihn 1996.

Foto: Wunderlich

Das Historische Museum Saar stellt in einer Ausstellung die 29 wichtigsten Prominenten aus dem Saarland vor. Die SZ enthüllt Überraschendes und Kurioses, was sich aus den Exponaten ablesen lässt. Auch der frühere Saar-Ministerpräsident und SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine hat es in die Ausstellung geschafft, als einziger noch lebender Politiker aus dem Saarland, vor Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), vor Heiko Maas (SPD). Wir fragten nach, was es mit einer Grafik auf sich hat, die sich Lafontaine, heute Fraktionschef der Linken im Saar-Landtag, als Büroschmuck ausgesucht hat.

Warum verbringt er seine Zeit im Landtags-Arbeitszimmer mit einem Kontrahenten, dem er einen der bittersten Momente seines Lebens verdankt? Nein, die Grafik zeigt nicht etwa Ex-Kanzler und Erzfeind Gerhard Schröder, der Lafontaine veranlasste, das Amt als Bundesfinanzminister hinzuschmeißen, die SPD zu verlassen und die Linke zu gründen. Vielmehr arbeitet Lafontaine Aug’ in Aug’ mit Helmut Kohl (CDU) in einem Raum, mit einem der wenigen Männer, die gegen ihn, den einstigen sozialdemokratischen Überflieger und Chef-Charismatiker siegreich blieben. Das war 1990 im Einheitswahlkampf, damals unterlag der SPD-Spitzenkandidat Lafontaine dem Wiedervereinigungs-Kanzler Kohl. Und das hat sich zumindest künstlerisch gerächt. Das Blatt stammt nämlich von einem Künstler, der antifaschistisch, stramm links und für Politisch-Provokantes bekannt war, vor allem aber: der mit Lafontaine persönlich befreundet war, von Alfred Hrdlicka (1928-2009). Der Österreicher zeigt Kohl als (halb)nackten Mann, der Bananen und 100-DM-Scheine unter den Ostdeutschen verteilt.

Helmut Kohl steht vor den buckelnden, vor ihm kriechenden Bürgern der ehemaligen DDR und verteilt Bananen und DM-Scheine. Der Künstler Alfred Hrdlicka, der die Grafik für seinen Freund Oskar Lafontaine anfertigte, liebte immer die Provokation in seinen Werken.

Helmut Kohl steht vor den buckelnden, vor ihm kriechenden Bürgern der ehemaligen DDR und verteilt Bananen und DM-Scheine. Der Künstler Alfred Hrdlicka, der die Grafik für seinen Freund Oskar Lafontaine anfertigte, liebte immer die Provokation in seinen Werken.

Foto: Hrdlicka

Harter Tobak, typisch Hrdlicka, wohl auch typisch Lafontaine, der Polemik schätzt. Und er klopft sich bekanntlich ganz gerne auch selbst auf die Schulter und freut sich, wenn sich frühe steile Thesen und Prognosen seiner Meinung nach historisch legitimieren. Bis heute wird Lafontaine nicht müde zu wiederholen, dass Kohl zwar machtpolitisch gewonnen habe, er, Lafontaine, aber wirtschafts- und sozialpolitisch im Nachhinein Recht behalten habe. Die Währungsunion sei überstürzt eingeführt worden und habe zu Massenarbeitslosigkeit und einer sozialen West-Ost-Spaltung geführt. Triumphiert Lafontaine also klammheimlich in seinem Landtagsbüro? Das fragen wir ihn am Telefon und er winkt ab: „Es ist nur eine Erinnerung an eine Auseinandersetzung. Es bringt nichts mehr, die alten Dinge hervorzuholen.“ Er habe mit Kohl in seiner Amtszeit als saarländischer SPD-Ministerpräsident sogar eine „sehr gute Arbeitsbeziehung“ gehabt. Die Grafik habe Hrdlicka ihm gewidmet, sie sei als „Trost für die verlorene Wahl“ gedacht gewesen. In seinem Büro, sagt Lafontaine, hingen außerdem auch noch Werke von A.R. Penck und Tomi Ungerer, die ihn im 1990er Wahlkampf unterstützt hätten. Das Image des Kunst- und Intellektuellenfreundes, es dürfte wohl Lafontaines Lieblings-Außenspiegel sein. Zuhause in Merzig-Silwingen ist er, wie er erzählt, ausschließlich von Werken saarländischer Künstler umgeben, von Zolnhofer über Messner bis Dahlem. Keine Kunstmarkt-Gipfelstürmer, aber für den Menschen Lafontaine, man weiß es, zählen heimatliche und biografische Bezüge. Als Politiker ist er jetzt ein Fall für die Museumsvitrine, dort begegnet man einem der unberechenbarsten, begabtesten und ungewöhnlichsten Politiker der Nachkriegsgeschichte, so sehen es die Historiker schon heute.

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