Kunst, die überrascht

Heckendalheim. Kanister mit Hinweisen, die vor dem ätzenden Inhalt warnen: Salpetersäure oder Eisenchlorid etwa. Nadeln, Kupferplatten, eine Druckmaschine, eine Herdplatte. Und unzählige Farbtuben und gefärbte Gazebäusche

Heckendalheim. Kanister mit Hinweisen, die vor dem ätzenden Inhalt warnen: Salpetersäure oder Eisenchlorid etwa. Nadeln, Kupferplatten, eine Druckmaschine, eine Herdplatte. Und unzählige Farbtuben und gefärbte Gazebäusche. Wer Eva Kohls Atelier im Dachgeschoss ihres Hauses betritt und ihre Arbeitsutensilien mustert, wird sofort neugierig: Wozu dient das alles?

"Die Kupferplatten beschichten wir mit Asphaltlack, mit den Nadeln ritzen wir Motive hinein. Dann legen wir die Platten in Säure, die die eingeritzten Stellen ätzt. Bevor wir die Platten färben, legen wir sie noch auf den Herd, damit sich das Metall dehnen und die Farbe anschließend besser verteilen kann. Und zu guter Letzt wird das Motiv mit der Maschine gedruckt", umreißt Eva Kohl die Prinzipien ihrer Kunst - der Radierung (von lateinisch "radere": kratzen, wegnehmen).

Die prägnante Beschreibung kann den Aufwand und die Komplexität dieses Verfahrens nur andeuten. "Es ist ein langwieriger Prozess. Eine Radierung wächst und gedeiht ganz langsam - auch weil sie verschiedene Techniken vereint", sagt Kohl. Und noch etwas kann eine kurze Zusammenfassung nicht erfassen: die Momente der Ungewissheit und die darauf folgende Überraschung. Die Momente, in denen der Radierer keinen Einfluss nehmen kann, die "Macht über sein Werk" verliert. Gerade diese Ungewissheit ist es, die die Radierkunst für Eva Kohl so reizvoll macht: "Ich weiß vorher nie, wie das Ergebnis aussehen wird. Das liegt nicht zuletzt an der Wirkung der Säure - die ich nicht kontrollieren kann." Ebenso wenig wie ihre eigenen Ideen: "Es passiert einfach." Da kann es schon mal vorkommen, dass das Thema einer Radierung wechselt: von "Tanz" hin zu "Wind". "Oft beginne ich experimentell, das Thema entwickelt sich erst nach und nach." Dennoch hat Kohl bevorzugte Themen und Motive: einerseits die Natur, andererseits Mythologie. Letztere zeigt sich in ihrer düsteren Radierung "Der Fährmann". Dieser steuert in den Mythen die Fahrt ins Reich der Toten. Andere Werke Kohls wiederum erinnern an Karikaturen, etwa "Mode". Es führt Frauen vor, aus denen die Mode Marionetten gemacht hat.

Ihren künstlerischen Drang hat Kohl schon als Kind verspürt und stundenlang Comics gezeichnet. Die Liebe zur Kunst blieb, doch den Mut, damit ihr Geld zu verdienen, konnte die 65-Jährige nicht aufbringen. "Als Flüchtlingskind hatte ich auch nicht die finanziellen Möglichkeiten, musste mir vieles erkämpfen", blickt Eva Kohl zurück. Sie machte auf dem zweiten Bildungsweg Abitur, studierte in Heidelberg die Politische Wissenschaft Südostasiens, wo sie drei Jahre verbrachte. Danach forschte Kohl an der Universität und promovierte, jobbte aber auch als Sekretärin. Mit dem Radieren begann sie, als sie arbeitslos war und im Katalog der Volkshochschule blätterte: "Schon als ich las, welche Materialien und Utensilien beim Radieren zum Einsatz kommen, wusste ich: Das ist es." Kohl belegte den Kurs - und wurde nicht enttäuscht, so dass sie in vielen weiteren Kursen an ihrem Können feilte. Am meisten gelernt hat sie vom Homburger Künstler Willi Krebs. Dieser hat sie auch dazu ermutigt, ja beinahe gedrängt, ihre Werke öffentlich zu präsentieren - für ihn ein Muss: "Kunst lebt von der Auseinandersetzung", sagt Krebs. An diesem Wochenende stellen die beiden gemeinsam aus. Die Reaktionen der Besucher wird Kohl nicht beeinflussen können. Es ist fast so spannend wie beim Radieren.

An diesem Wochenende, 18. und 19. September, stellen Eva Kohl und Willi Krebs anlässlich des Fests der Freundschaft zwischen Heckendahlheim und Saône ihre Radierungen in Heckendalheim, St. Ingberter Straße 85, aus.

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