Kulturkampf im St. Wendeler Land

Marpingen · Der Kulturkampf, ein Konflikt zwischen preußischem Staat und katholischer Kirche, war im 19. Jahrhundert auch im St. Wendeler Land zu spüren. Ein Vortrag des Regionalhistorikers Edgar Schwer klärte auf.

 Regionalhistoriker Edgar Schwer im Kulturzentrum.Foto: Kulani

Regionalhistoriker Edgar Schwer im Kulturzentrum.Foto: Kulani

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Der als Eiserner Kanzler in die Geschichte eingegangene preußische Ministerpräsident und Reichskanzler Otto von Bismarck (1815 bis 1898) notierte in seinen Memoiren: "Ein ewiger Friede mit der römischen Kurie liegt nach den gegebenen Lebensbedingungen außerhalb der Möglichkeiten." Der Staatsmann witterte in den Katholiken nämlich Reichsfeinde. Denn diese gehorchten dem Papst im fernen Rom eher als dem Kaiser. So zumindest seine Befürchtung. Um sie im preußischen Sinne auf Staatslinie zu bringen, wurde eine Reihe von Gesetzen erlassen, die die Rechte der katholischen Kirche beschnitten. Dabei ging die Staatsmacht nicht ein Mal zu weit, missachtete die Verfassung. Der so genannte Kulturkampf brach aus - ein Konflikt, der auch im St. Wendeler Land seine Auswirkungen zeigte.

"Der Kulturkampf politisierte alle Schichten. So etwas gab es auf dem flachen Land bis dato noch nicht", sagte der Regionalhistoriker Edgar Schwer. Schwer hielt im Marpinger Kulturzentrum Alte Mühle einen Vortrag zu dieser Episode der deutschen Geschichte und den Auswirkungen im St. Wendeler Land. Die Veranstaltung ist Teil einer regionalen Vortragsreihe der Kulturlandschaftsinitiative St. Wendeler Land, über die 2500-jährige Vergangenheit der Region.

Als Kampf der Kulturen bezeichnete der liberale Politiker Rudolf Virchow 1873 den Konflikt zwischen katholischer Kirche und Staat. "Damit meinte er", ergänzte Schwer, "den Kampf zwischen fortschrittlicher Kultur und Unsitte, die er in der katholischen Volksfrömmigkeit sah."

Das Primat der weltlichen vor der geistlichen Autorität durchzusetzen, das war ein Ziel Preußens und der Gedanke hinter den Gesetzen, die als Mai-Gesetze, benannt nach ihren Erlassen im Mai 1873, 1874 und 1875, bekannt wurden. Drakonische Strafen drohten jenen, die zuwiderhandelten - sowohl Geistlichen, als auch dem einfachen Volk. Doch der Widerstand war in katholisch geprägten Landesteilen, wie es das St. Wendeler Land war, vorprogrammiert. "Preußen wollte die Bevölkerung disziplinieren, doch lief dies mit dem Kulturkampf aus dem Ruder", meinte Schwer. Übereifrige Staatsdiener, Bespitzelungen, Konflikte prägten diese Zeit.

Dafür gab es im St. Wendeler Land Beispiele. Etwa die Namborner Krawalle, die im gesamten Reichsgebiet Aufmerksamkeit erregten. Hauptfigur war dabei Pfarrer Jakob Isbert, der sein Amt in Namborn 1873 antrat. Allerdings ohne den Segen der weltlichen Macht. Ein Gesetzesverstoß. Weitere folgten, so zumindest die Auffassung des Staates. Durch gesetzliche Repressalien lies sich der nach kurzer Zeit im Volke hochverehrte Pfarrer jedoch nicht einschüchtern. Zehn Mal wurde Isbert verurteilt, zu insgesamt 2645 Mark Strafe oder fast zwei Jahren Haft. Als er seine Haft antreten sollte, versammelten sich erregte Gemeindemitglieder. Wüste Beschimpfungen gegen die Beamten folgten. Bis an den Bahnhof in St. Wendel begleitete die Menge ihren Hirten. Dort eskalierte die Situation: Ein Befreiungsversuch schlug fehl, das Militär intervenierte. Nicht nur Isbert, auch einige Bürger mussten hinter Gittern. Jedoch nicht so lange wie ihr Seelsorger. "Isbert war der am längsten inhaftierte Geistliche im Kulturkampf," kommentierte Schwer.

Auch in Nonnweiler hatte es die Staatsmacht auf den dortigen Pfarrer, Matthias Mergens, abgesehen. Auch er musste sich vor Gericht verantworten. Auch ihm standen seine Gemeindemitglieder treu zur Seite, und mehr als einer durfte dafür die ganze Härte des Gesetzes spüren.

Erst mit Leo XIII., seit 1887 Papst, entspannte sich das Verhältnis zwischen Rom und Berlin. Der Kulturkampf blieb jedoch in der Erinnerung vieler Katholiken wach. Schwer: "In ihrem Verständnis avancierte der Kulturkampf zu einem Mythos zu einem überzeitlichen Ringen zwischen Christentum und Antichristentum."

Eine besondere Episode, die sich während des Kulturkampfes ereignete, behandelt der Historiker Johannes Naumann am Dienstag, 14. Mai, im Kulturzentrum Alte Mühle in Marpingen. Sein Thema: Die Marienerscheinungen in Marpingen und der Kulturkampf. Beginn ist um 19 Uhr.

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