Küsschen auf die schlammverschmierte Wange

Ein Küsschen von der Freundin auf die schlammverschmierte Wange, das war die schönste Auszeichnung für Sascha Weber nach dem Rennen. Zudem gab es für den St. Wendeler Lokalmatadoren bei der Radcross-WM in seiner Heimatstadt von allen Seiten reichlich Lob, Glückwünsche und Schultergeklopfe. Das alles hatte Weber, der sein erstes Weltmeisterschaftsrennen in der Elite-Klasse auf dem 25

Ein Küsschen von der Freundin auf die schlammverschmierte Wange, das war die schönste Auszeichnung für Sascha Weber nach dem Rennen. Zudem gab es für den St. Wendeler Lokalmatadoren bei der Radcross-WM in seiner Heimatstadt von allen Seiten reichlich Lob, Glückwünsche und Schultergeklopfe. Das alles hatte Weber, der sein erstes Weltmeisterschaftsrennen in der Elite-Klasse auf dem 25. Rang beendete, mit einer klasse Leistung auch mehr als verdient.

Alter Schwede, das war es, was dem St. Wendeler Querfeldein-Fahrer bis zur letzten Abfahrt vor dem Zieleinlauf im St. Wendeler Sportzentrum durch den Kopf gegangen sein muss. Denn mit Emil Lindgren, aktuell 115. der Weltrangliste, lieferte sich Weber ab der Hälfte des Rennens praktisch ein eigenes Duell - mit der besseren Platzierung im Endklassement als Preis. "Der Schwede hat Runde für Runde dagegen gehalten und das hat am Schluss richtig schlimm weh getan. Aber ich wollte ihn unbedingt schlagen", erzählt Weber. "In die letzte Abfahrt bin ich mit vollem Risiko rein und konnte ihn ein paar Meter abhängen. Den Vorsprung konnte ich dann bis ins Ziel halten. Aber der hat es mir wirklich schwer gemacht." Trotzdem: Am Ende stand mit dem 25. Platz das beste Resultat, das Weber in seiner ersten Saison in der Welt-Elite des Querfeldeinsports eingefahren hatte. Somit hat sich ein Traum erfüllt, der vor mehr als sechs Jahren seinen Anfang genommen hatte.

Gleiche Stelle, sechs Jahre zuvor: 16 Jahre ist Sascha Weber alt, ein Naturtalent auf zwei Rädern. Es ist sein erster großer Auftritt auf internationalem Parkett - die Radcross-Weltmeisterschaft 2005 in St. Wendel. Weber startet bei den Junioren und fährt das bis dahin beste Rennen seines Lebens. Der Startschuss für eine Radsportkarriere, deren Erfolgsbilanz bislang zwei deutsche U 23-Meistertitel auflistet. Und als St. Wendel dann erneut den Zuschlag für Ausrichtung der WM im Jahr 2011 bekommt, "war es mein Traum, hier wieder dabei zu sein. Dann bei der Elite."

Sprung in die Gegenwart: Es ist Sonntagmittag kurz vor 14 Uhr, blauer Himmel, Sonnenschein. Mehr als 30 000 Zuschauer säumen die Strecke am St. Wendeler Sportzentrum, es herrscht reges Treiben und ausgelassene Festplatz-Stimmung. Die Minustemperaturen der vergangenen Nacht haben den Boden leicht durchfrieren lassen. Doch die oberste Schicht ist inzwischen angetaut. Es ist schmierig. Zumal bereits drei Rennen über den Parcours gegangen sind - zuletzt das der Frauen am Morgen. "Die Strecke ist aber gut", sagt Weber. Dick eingemummelt sitzt er auf seiner Rennmaschine, ein roter Halswärmer lugt aus der weißen Jacke mit dem Bundesadler. Ein paar Runden zum Aufwärmen hat der Nationalfahrer gedreht. Weber wirkt ruhig, fühlt sich nach eigenem Bekunden gut. Dann geht's zum Start. Die Sekunden laufen herunter, und im Verlauf der nächsten gut 71 Minuten vereinen sich für Sascha Weber Traum und Realität. Der 16-jährige Junge sitzt gemeinsam mit dem 22-jährigen Mann im Sattel, und beide strampeln, als ginge es um ihr Leben. Das Rennen ist nicht einfach für den Lokalmatador, der vom heimischen Anhang rund um die Strecke lautstark nach vorne getrieben wird. "Das war ein Gefühl, das ist gar nicht zu beschreiben", sagt Weber, den auf seinem Husarenritt auch zwei Radschäden nicht aufhalten können. Die letzte Abfahrt: Lange hat sich Weber den Schweden zurechtgelegt, seine Schwächen gesucht. Im Wagemut ist er fündig geworden: Lindgren geht an die Grenze, Weber ein bisschen weiter: "Volles Risiko Innenlinie." Das bringt die entscheidenden Meter. Und seinem ganz persönlichen Traum ein echtes "Happy-End", mit Respekt und Anerkennung sowie dem Küsschen von der Freundin.

"In die letzte Abfahrt bin ich mit vollem Risiko rein. Den Vorsprung konnte ich dann halten."

Sascha Weber

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