Saar-Polizei „Polizistinnen werden strukturell benachteiligt!“

Saarbrücken · Wenn Beamtinnen Familienpflichten übernehmen, werden sie schlechter beurteilt und später befördert, kritisieren Frauen im Landesbezirk der Gewerkschaft der Polizei.

 Frauen im saarländischen Polizeidienst sehen sich strukturell bennachteiligt.

Frauen im saarländischen Polizeidienst sehen sich strukturell bennachteiligt.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Seit mehr als 17 Jahren ist Vera Koch Frauenbeauftragte der saarländischen Polizei. Sie vertritt aktuell die Interessen von 672 Vollzugsbeamtinnen und etwa 220 weiteren Tarifbeschäftigten. Aktuell wird die Gesamtstärke der saarländischen Polizei (einschließlich Anwärter, Freistellungen und Abordnungen) mit 2875 Köpfen angegeben. Die Frauenquote im Polizeidienst liegt damit knapp unter 24 Prozent. Koch, auch stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Land, und ihre Kollegin Julia Rost, Vizevorsitzende der GDP-Frauen, loben ausdrücklich das Landespolizeipräsidium (LPP) als „familienfreundliches Unternehmen“. Für Präsident Norbert Rupp und dessen Stellvertreter Hugo Müller gibt es Komplimente: „Wir erkennen die Bemühungen der Behördenleitung an.“ Wenn es um familienfreundliche Beschäftigung oder um Härtefallreglungen gehe, werde „alles möglich gemacht, was nur möglich ist“. Was aber keineswegs bedeuten soll, dass es keinen weiteren Verbesserungsbedarf gebe.

Das Frauen-Duo Koch und Rost kritisiert beispielsweise, dass gelegentlich mit falschen, weil zu hohen Zahlen argumentiert wird, wenn von Polizistinnen in Mutterschutz oder Beamten in Erziehungsurlaub die Rede ist. LPP und GdP meldeten hier wiederholt auf Anfragen, dass durchschnittlich „rund 150“ Polizeibeschäftigte wegen Familienzeiten fehlen. Und dies bei der unbestrittenen akuten Personalnot. Tatsächlich befinden sich derzeit (Stand Anfang Juli) nach Angaben des LPP 45 Polizistinnen in Mutterschutz oder Erziehungsurlaub. Zudem haben sich 16 Väter bei der Polizei in Erziehungsurlaub abgemeldet. Weiter arbeiten 122 Männer und Frauen in Teilzeit, was unter dem Strich nach offiziellen Angaben 83 Vollzeitstellen entspricht. Werden zudem Sonderurlaub, Freistellungen und Abordnungen mit gerechnet, wird die Zahl von „rund 150“ wohl annähernd erreicht. Nähere Angaben dazu, wie viele Polizisten etwa zur Pflege von Angehörigen vorübergehend eine Auszeit genommen haben, kann das LPP nicht machen.

„Wir brauchen dringend eine moderne Personalplanung“, reklamieren die Gewerkschaftsvertreterinnen Koch und Rost. Konkret fordern Sie, dass weitblickend Familienauszeiten und Mutterschutz und Teilzeitanteile großzügig einkalkuliert werden. Will sagen: Bei 672 Frauen im Polizeidienst müssten Behördenleitung und Personalplaner davon ausgehen, dass die ein andere Beamtin Mutter wird und auch junge Beamte sich für Erziehungsurlaub entscheiden. In Bayern sei längst Normalität, dass mit Blick auf die Zukunftsplanung für solche Fehlzeiten mehr Neueinstellungen erfolgen. Dies wurde offenbar bislang in der mittelfristigen Personalplanung im Saarland nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem darf eine werdende Mutter aus Sicherheitsgründen nicht mehr im Wechseldienst oder in einem Streifenkommando eingesetzt werden. Tatsachen, die in den Dienstplänen berücksichtigt werden müssen. Die GdP-Frauen unterstützen die Forderung, dass künftig 175 statt jetzt 125 Nachwuchskräfte im Jahr bei der Polizei im Land eingestellt werden. Bis eine Kommissaranwärterin das Studium abgeschlossen hat und für den Alltagsdienst zur Verfügung steht, vergehen dreieinhalb Jahre.

 Die Frauenbeauftragte der saarländischen Polizei, Vera Koch.

Die Frauenbeauftragte der saarländischen Polizei, Vera Koch.

Foto: Hagen Immel/Foto Hagen Immel

Glücklicherweise nur noch in absoluten Einzelfällen kommen Koch und ihrer Kollegin Rost kritische Bemerkungen von Kollegen oder Vorgesetzten zu Ohren, wenn eine Beamtin ihre Schwangerschaftsbescheinigung eingereicht oder ihren Chef über den geplanten Erziehungsurlaub informiert hat.

Polizeivizepräsident Müller stellt klar: „Wir freuen uns über jede und jeden unserer Leute, die Mama oder Papa werden.“

Koch und Rost sehen derweil ihre Kolleginnen im Polizeidienst „strukturell benachteiligt“, wenn sie Familienpflichten wahrnehmen und im Dienst kürzer treten. Bei Beurteilungen, die bei Beförderungen eine wesentliche Rolle spielen, schneiden nach ihrer Einschätzung Frauen mitunter schlechter ab. Was bedeute, sie werden später befördert. So seien Fälle von Kommissarinnen bekannt, die 15 bis 18 Jahre auf die Ernennung zur Oberkommissarin warten.

Von den 672 Polizistinnen im Land sind nach Angaben des LPP 49 mit Führungsaufgaben betraut. Sie arbeiten beispielsweise als Leiterin oder Vertreterin eine Abteilung, einer Dienststelle, einer Dienstgruppe oder eines Kriminaldienstes. Von den 42 Stellen im höheren Dienst (ab Polizeirat) sind sechs mit Frauen besetzt, was einem Anteil von 14 Prozent entspricht.

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