Kommunalwahlen Bürgermeisterinnen-Plan „plakativer Quatsch“?

Saarbrücken · Die Landespolitik lehnt die Kampagne von Sabine Nowaczyk ab, Frauen fürs Bürgermeister-Amt zu mobilisieren. Auch Rathaus-Chefinnen sind skeptisch.

Die Aktivistin  Sabine  Nowaczyk  aus Hülzweiler

Die Aktivistin Sabine Nowaczyk aus Hülzweiler

Foto: Ruppenthal

Die parteilose Sabine Nowaczyk (55) fühlt sich eins mit der Kanzlerin. Denn Angela Merkel (CDU) war nach eigenem Bekunden „schockiert“, als sie sich für ihre Rede anlässlich des Jahrestages „100 Jahre Frauenwahlrecht“ schlau machte über den Frauenanteil in deutschen (Ober-)Bürgermeister-Stuben. Nur 8,2 Prozent der Bürgermeister sind weiblich, so eine Studie der Fernuniversität Hagen für die Heinrich-Böll-Stiftung. Die Hülzweiler Bürgerin Nowaczyk will das mit ihrer Initiative „Lust auf Bürgermeisterinnen Saar“ (LaBS) ändern. Sie packt die „historische Chance“ am Schopf, die sich 2019 bietet: 34 der 52 Stadtführungs-Posten werden bei der Kommunalwahl frei. Sie sollten möglichst  weiblich besetzt werden, meint Nowaczyk und hat eine Aufmerksamkeits-Kampagne losgetreten. Ihr unkonventionelles Werbemittel: Sie tritt selbst in 33 Kommunen an (die SZ berichtete).

Bei hiesigen Politikern stößt sie damit nicht auf Gegenliebe, wie die SZ in Erfahrung brachte. Auch nicht bei den wenigen Frauen, die es bereits bis zur (Ober-)Bürgermeisterin gebracht haben. Ganze vier sind es, in Eppelborn, Blieskastel, Saarbrücken und Völklingen.

 Birgit Müller-Closset, Bürgermeisterin von Eppelborn

Birgit Müller-Closset, Bürgermeisterin von Eppelborn

Foto: Robby Lorenz

Als etwas „blauäugig“ und praxisfremd beurteilt beispielsweise Bürgermeisterin Birgit Müller-Closset (Eppelborn, SPD) Nowaczyks Vorgehen. Ihrer Meinung nach funktioniert es nicht, wenn man als Kandidatin erst im Wahlkampf auftaucht und sich bei den Bürgern bekannt zu machen versucht.   „Frau Nowaczyk legt den Finger in die richtige Wunde“, so Müller-Closset, jedoch schade sie dem Ansehen des Amtes, wenn sie selbst sich gleich 33-fach bewerbe.

Genauso argumentiert die Blieskasteler Bürgermeisterin Annelie Faber-Wegener (CDU).  Durch die „großflächige Bewerbung einer einzelnen Kandidatin“ dürfe das Amt „nicht diskreditiert“ werden, mahnt Faber-Wegener. Die Oberbürgermeisterin von Völklingen, Christiane Blatt (SPD), hält Nowaczyks Denkansatz für falsch. Es gehe eben nicht um das Erobern von Macht- und Führungspositionen für Frauen an sich, sondern immer um einen speziellen  Posten in einer bestimmten Gemeinde: „Ich hätte mich niemals irgendwo anders als in Völklingen beworben. Es ist meine Heimatstadt, die mir am Herzen liegt.“ Genau dort und nicht irgendwo, sagt Blatt, wolle sie was voranbringen.  Nur wer diese Zielgerichtetheit und Motivation mitbringe, könne Bürger überzeugen, meint sie. Den geringen Frauenanteil  erklärt sie mit dem „engagierten“ Job: Zwölf-Stunden-Tage seien die Norm, das sei familienunfreundlich. Frauen halte dies eher ab als Männer. Keine Einschätzung der Nowaczyk-Initiative gab Saarbrückens Oberbürgermeisteirn Charlotte Britz (SPD) ab. 

 Annelie Faber-Wegener, Bürgermeisterin von Blieskastel

Annelie Faber-Wegener, Bürgermeisterin von Blieskastel

Foto: Jens Welsch

Für mehr weibliches Engagement in der Politik zu werben, das begrüßen die frauenpolitischen Sprecherinnen der Landtagsfraktionen. Doch für Martina Holzner (SPD) ist die Art, wie Nowaczyk das Thema anpackt, „nicht zielführend“. Um wirklich etwas für eine Kommune bewegen zu können, „sollte man sich auf eine Bewerbung konzentrieren und sich für die Interessen der Bürger vor Ort einsetzen.“ Dagmar Heib (CDU) betont ebenfalls, dass, wer in 33 Kommunen gleichzeitig antrete, kein Vertrauen beim Wähler finden werde. Und Barbara Spaniol (die Linke) sagt: „Wer sich für ein Bürgermeister-Amt zur Wahl stellt, sollte sich mit der Gemeinde verbunden fühlen.“

 Christiane Blatt, Oberbürgermeisterin von Völklingen

Christiane Blatt, Oberbürgermeisterin von Völklingen

Foto: BeckerBredel
Charlotte Britz, Oberbürgermeisterin von Saarbrücken

Charlotte Britz, Oberbürgermeisterin von Saarbrücken

Foto: Iris Maria Maurer/Iris Maria Maurer;GMLR

Besonders harsch reagiert der Bürgermeister der Stadt Illingen auf das Nowaczyk-Projekt. Armin König (CDU) spricht von „plakativem Quatsch“ und meint, Frauen benötigten keinen „Denkanstoß“. Nicht mangelnde Information oder mangelnder Kampfeswillen halte sie vom Kandidieren ab, sondern die realistische Einschätzung der zeitlichen Beanspruchung. Der Rund-um-die-Uhr-Einsatz stelle für alle Bewerber, ob Mann oder Frau, die größte Hürde dar, so König. Ihn ärgert: „Nowaczyk konterkariert mit ihrer Massenbewerbung die Arbeit aller, die derzeit im Amt sind. Es sieht so aus, als würden wir nichts Substanzielles leisten.“

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