Kontakt mit der Heimat ist wichtig

Frau Schön: Seit einem Jahr sind Sie Bundestagsabgeordnete, vertreten den Wahlkreis St. Wendel in Berlin. Haben Sie sich gut eingelebt?Nadine Schön: Ja, habe ich. Ich habe mich schon nach kurzer Zeit sehr wohl gefühlt

 Nadine Schön bei ihrer ersten Rede im Bundestag im Januar dieses Jahres. Foto: Schön

Nadine Schön bei ihrer ersten Rede im Bundestag im Januar dieses Jahres. Foto: Schön

Frau Schön: Seit einem Jahr sind Sie Bundestagsabgeordnete, vertreten den Wahlkreis St. Wendel in Berlin. Haben Sie sich gut eingelebt?Nadine Schön: Ja, habe ich. Ich habe mich schon nach kurzer Zeit sehr wohl gefühlt. Dazu haben wirklich nette und hilfsbereite Kollegen beigetragen und die Tatsache, dass ich Mitglied in den Ausschüssen geworden bin, die auf meiner Prioritätenliste ganz oben standen: dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Spannende Arbeitsgebiete, in denen man richtig inhaltlich arbeiten kann.Wo können Sie Schwerpunkte setzen?Schön: Meine Schwerpunkte liegen im Wirtschaftsausschuss bei den Themen Ausbildung und Fachkräfte und im Familienausschuss beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Gleichstellung. Das sind Themen, in denen großes Potenzial steckt. Außerdem sind sie sehr lebensnah. Meine Erkenntnisse aus den Gesprächen und Erfahrungen im Wahlkreis kann ich hier direkt einbringen. Wie oft und zu welchen Themen haben Sie im Parlament schon gesprochen?Schön: Meine erste Rede durfte ich bereits im Januar zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands halten. Der Tagesordnungspunkt wurde in der sogenannten Kernzeit zwischen neun und zwölf Uhr aufgerufen, am Donnerstagmorgen, eine besondere Herausforderung. Weitere Reden gingen um die Themen berufliche Bildung sowie die bessere Unterstützung Alleinerziehender. Und vor einigen Tagen habe ich eine Rede zur familienfreundlichen Arbeitswelt gehalten.Haben die alten Politprofis die neue Kollegin Nadine Schön akzeptiert?Schön: Ja, von Anfang an. Kollegen in meinem Alter gab es schon in den letzten Legislaturperioden. Das Parlament soll ja ein Spiegelbild der Gesellschaft sein und dazu gehören unterschiedliche Altersgruppen. Das Alter ist kein Kriterium, ob man in der Fraktion anerkannt ist oder nicht.Skizzieren Sie kurz eine typische Arbeitswoche in Berlin?Schön: Die Berliner Wochen bestehen aus langen Arbeitstagen, meistens von sieben bis 22 und 23 Uhr. Dazu gehören zahlreiche Sitzungen: Montags Landesgruppe Saarland/Rheinland-Pfalz, dienstags meine AGs Familie und Wirtschaft sowie die Fraktion, mittwochs die beiden Ausschüsse und von Mittwoch bis Freitag sind Plenarsitzungen. Außerdem gibt es Treffen der Gruppe der Frauen, deren stellvertretende Vorsitzende ich bin, der Jungen Gruppe (CDUler bis 35 Jahre) und anderer Gremien sowie Expertengespräche, Absprachen mit Kollegen und Mitarbeitern sowie Abendtermine. Dazu kommt die Büroarbeit, denn all diese Sitzungen müssen ja vorbereitet und viele Briefe, Emails, Anfragen und Einladungen bearbeitet werden. Das sind anstrengende Wochen, aber auch abwechslungsreich und spannend. Freitags geht's dann zurück in den Wahlkreis, denn auch dort gibt es immer viel zu tun.Wenn Sie auf das erste Jahr zurückblicken: Was würden Sie heute anders machen als beim Start in die Parlamentsarbeit?Schön: Am Anfang habe ich viel zu viel auf einmal gemacht. Es dauert eine Weile, bis man seine Schwerpunkte gefunden hat und sich Abläufe eingespielt haben. Dazu gehört auch mal Nein zu sagen. Auch das musste ich vor kurzem machen, als mir ein Amt in der Fraktion angeboten wurde.Gab es eigentlich von den Kollegen in Ihrer Fraktion Starthilfe?Schön: Ja, meine Kollegen haben mich sehr unterstützt. Meine saarländischen Kollegen Anette Hübinger und Peter Altmaier, die schon länger dabei sind, mein Vorgänger Hermann Scharf, aber auch viele andere, die ich schon vorher kannte oder in Berlin kennen gelernt habe.Haben Ihnen auch Parlamentarier aus anderen parteipolitischen Lagern geholfen, sich in Ihrer neuen Aufgabe zurecht zu finden?Schön: Das nicht, aber die Kollegen der anderen Fraktionen lernt man durch die Ausschussarbeit schnell kennen und schätzen.Was sind ihre persönlichen politischen Erfolge? Wo hätten Sie mehr erwartet?Schön: Es gibt eine Menge von Themen, an denen man mitarbeitet, und damit auch am Erfolg beteiligt ist. So haben wir gemeinsam die Erhöhung des Kindergeldes durchgesetzt. Stolz bin ich darauf, dass ich bei zwei Anträgen federführend tätig werden konnte. Anträge setzen die Agenda und die politischen Schwerpunkte der Parlaments- und Koalitionsarbeit in einem Themenbereich. Dabei geht es zum einen um die berufliche Bildung und zum anderen um Gleichstellung. Diese Anträge enthalten viele interessante Punkte und Maßnahmen, die nun Punkt für Punkt umgesetzt werden sollen. Ein aktuelles Thema, das ich federführend bearbeite, sind Verbesserungen im Bereich der Spielzeugsicherheit. Außerdem wurde im Oktober der nationale Ausbildungspakt verlängert. Diskussionen über die Neuausrichtung dieses Paktes waren ebenfalls Teil meiner aktuellen Arbeit.Sie waren ja schon Landtagsabgeordnete. Was unterscheidet die Arbeit im Landtag von der im Bundestag?Schön: Die Arbeitsweise eines Parlaments von 51 Abgeordneten und eines von 622 ist natürlich unterschiedlich. Und die Themen sind andere. Beides hat aber seinen Reiz. Der größte Unterschied für mich ist die Tatsache, dass wir uns bei allen Initiativen auch noch mit einem Koalitionspartner absprechen müssen - das kannte ich aus meiner Arbeit im Landtag ja nicht.Wo haben Sie in Berlin einen Platz gefunden, an dem Sie sich außerhalb der parlamentarischen Arbeit wohlfühlen?Schön: Außerhalb des Parlamentsviertels bleibt bisher eigentlich nur meine Wohnung, die ich mir gemütlich eingerichtet habe. Eigentlich schade, denn Berlin ist eine tolle Stadt mit vielen Möglichkeiten. Ich habe mir aber vorgenommen, demnächst auch ein paar Tage privat hier zu verbringen.Wo und mit was verbringen Sie in der Metropole Ihre Freizeit?Schön: Viel Zeit außerhalb der parlamentarischen Arbeit bleibt leider nicht. Die Sitzungstage sind immer sehr lang, und am Abend stehen entweder Veranstaltungen oder Büroarbeit auf dem Programm. Da mein Wahlkreis mit 16 Gemeinden sehr groß ist und mir der Kontakt dorthin sehr wichtig ist, bin ich an den Wochenenden und in den Wahlkreiswochen meist im Saarland unterwegs. Deshalb bin ich bislang noch ein schlechter Ansprechpartner für Freizeittipps in Berlin.Was war für Sie, die Sie ja nicht gerade aus einer Großstadtmetropole kommen, gewöhnungsbedürftig in Berlin?Schön: Ich mag die Vielzahl von Menschen und den gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Da ich während meiner journalistischen Ausbildung viele Seminare und Praktika in Großstädten gemacht habe, war die Metropole an sich nichts Neues.Was vermissen Sie in Ihrer Heimat, was Ihnen die Großstadt bietet?Schön: Berlin bietet unendlich viele Möglichkeiten. Umgekehrt gibt es dort nicht die Ruhe, die schöne Landschaft und die vielen Bekanntschaften, die mir die Heimat bietet. Apropos Heimat: Wie halten Sie Kontakt ins St. Wendeler Land von Berlin aus? Gibt es da Schwierigkeiten?Schön: Die Arbeit teilt sich zwischen Berlin und Wahlkreis auf. In den Wahlkreiswochen und am Wochenende bin ich im Saarland, besuche Veranstaltungen, Vereine und Organisationen, Betriebe und soziale Einrichtungen. Dieser Kontakt ist mir sehr wichtig, denn hier bekomme ich viele Anregungen für die politische Arbeit in Berlin. Die Balance zwischen der Arbeit in Berlin, dem Wahlkreis und dem Privatleben ist nicht immer einfach. Aber auch das wird von Monat zu Monat besser.Konnten Sie schon direkt für die Region etwas erreichen?Schön: Ich versuche den direkten Draht zwischen meinem Wahlkreis und der Bundesebene zu halten. Beispielsweise informiere ich Einrichtungen und Entscheidungsträger in meinem Wahlkreis über Bundesprogramme, von denen wir hier profitieren können, und versuche diese hier zu etablieren. Beispiele sind das Innovationsprogramm Mittelstand Zim, das Programm Logib-D zur Feststellung von Entgeltungleichheiten, Programme zur besseren Unterstützung Alleinerziehender oder Initiativen zum Thema Kinderbetreuung. Ich fühle mich so als Bindeglied zwischen Berlin und den Kommunen, Einrichtungen und Betrieben hier vor Ort. Außerdem biete ich viele Sprechstunden an, die rege genutzt werden. Hier bekomme ich Rückmeldung der Bürger und kann umgekehrt in vielen Fällen Rat und Hilfe geben.Sie haben in diesem Jahr geheiratet. Eine Beziehung auf Entfernung, klappt das? Wer reist eigentlich wem öfter hinterher: Ihr Mann Ihnen oder umgekehrt?Schön: Wir leben beide hier, nur ich pendele für die Sitzungswochen nach Berlin. Die Sitzungswochen erfordern natürlich viel Verständnis. Bisher meistern wir das aber ganz gut.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort