Kommt im Saarland die Vorkasse?

Saarbrücken. Patienten sollten Termine beim Kardiologen, Urologen oder Orthopäden möglichst bald vereinbaren. Denn im Laufe der nächsten Wochen drohen die saarländischen Fachärzte längerfristige Schließungen ihrer Praxen an. Das hat Dirk Jesinghaus, Chef des Saarländischen Fachärzteforums, im Vorfeld des morgen stattfindenden Saarländischen Fachärztetags (siehe Infobox) angekündigt

Saarbrücken. Patienten sollten Termine beim Kardiologen, Urologen oder Orthopäden möglichst bald vereinbaren. Denn im Laufe der nächsten Wochen drohen die saarländischen Fachärzte längerfristige Schließungen ihrer Praxen an. Das hat Dirk Jesinghaus, Chef des Saarländischen Fachärzteforums, im Vorfeld des morgen stattfindenden Saarländischen Fachärztetags (siehe Infobox) angekündigt. Unklar sei, ob die verschiedenen Ärztegruppen wie Kardiologen oder Augenärzte alle gemeinsam streiken oder nacheinander in einem längeren Zeitraum. Sicher ist bereits jetzt: Für die Zeit vom 14. bis 17. April haben die saarländischen Orthopäden und Unfallchirurgen erneut vor, ihre Praxen dicht zu machen. Bereits am Mittwoch hatten viele ihre Türen geschlossen. Kurzarbeit beim Arbeitsamt sei bereits angemeldet. Jesinghaus: "Wir haben uns für die Kampfmaßnahmen auch mit den Hausärzten zusammengetan." Auch der Chef des saarländischen Hausärzteverbandes, Joachim Meiser, schloss im SZ-Gespräch Streiks nicht aus. Laut Jesinghaus sei aber im Rahmen des aktuellen Protests nicht vorgesehen, wie in den vergangenen Wochen im Bundesgebiet bereits geschehen, Patienten erst gegen Vorkasse behandeln zu wollen.

Fach- und Hausärzte fühlen sich gleichermaßen bedroht vom aktuellen Gesundheitssystem, wollen gemeinsam dagegen protestieren. Die Zukunft der freiberuflichen Ärzte stünde ebenso auf dem Spiel wie die ortsnahe Fachversorgung und die freie Arztwahl der Patienten. "Es ist fünf nach zwölf", sagt der Urologe Harry Derouet.

Ein wichtiger Kritikpunkt ist dabei das seit Januar gültige Honorarmodell. Es belohnt laut Derouet nicht die erbrachte Leistung der Mediziner, sondern gefährdet die Existenz der niedergelassenen Ärzte. Auch die Arbeitsplätze von Arzthelferinnen sind damit in Gefahr. Ein Beweis in den Augen der Fachärzte ist, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Saarland gerade 200 Ärzte mit einem Hilfsprogramm vor dem finanziellen Aus bewahren muss (wir berichteten). Die Saar-Ärzte machen sich für einen Systemwechsel stark, bei dem Patienten in Vorkasse treten müssen.

In der Vertreterversammlung der KV haben Fach- wie Hausärzte am Mittwoch nach Angaben von Jesinghaus einstimmig für einen Übergang vom Leistungs- auf das Erstatterprinzip votiert. Es besagt: Kassenpatienten zahlen wie Privatpatienten auch erst die Leistung beim Arzt und reichen danach eine Rechnung bei der Kasse ein. Die erstattet den ganzen oder auch nur Teile des Betrags zurück. Jesinghaus: "Das Ziel soll sein, dass die Patienten mehr Eigenverantwortung übernehmen, unnötige Arztkosten sparen und außerdem der Verwaltungsaufwand verkleinert wird. Patienten können auch direkt ihre Unkosten überprüfen." Eingeführt werden müsste dieses Modell allerdings auf politischer Ebene. Der Tenor der Ärzte: Die Politik müsse endlich ehrlich sein. Die Zeiten des Wohlfahrtsstaates seien vorbei. "Es ist fünf nach zwölf!"

Urologe Dr. Harry Derouet zum Honorarsystem

Hintergrund

Die Probleme der Fachärzte stehen am Samstag im Mittelpunkt im Saarbrücker Schloss.

Dort diskutieren die Mediziner beim dritten Saarländischen Fachärztetag etwa über die Konkurrenz durch so genannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Die Ärzte stört an den saarlandweit aktuell 15 MVZ, dass diese oft von privaten Investoren betrieben werden. Saar-Facharzt-Forumschef Dirk Jesinghaus: "Deren Interesse ist Profit."

Die Zentren könnten anders als die freiberuflichen Fachärzte staatliche Zuschüsse beantragen oder zu überhöhten Preisen die Praxen von Ärzten aufkaufen, die in Ruhestand gingen. Patienten drohten so Wartelisten und Fließbandmedizin in ortsfernen Kliniken.ek

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