Kniefall für Johanna Kirchner

Saarbrücken. Die Kunst Gunter Demnigs besteht darin, auf die Knie zu gehen. Gut 35 000 Mal hat der Kölner Künstler das getan. So viele "Stolpersteine" hat er in etwa 750 Städten verlegt - zehn mal zehn Zentimeter große Messingplatten, auf denen eine Inschrift an Menschen erinnert, die von den Nazis ermordet wurden

 Gunter Demnig verlegte gestern den 33. Stolperstein zum Andenken an Nazi-Opfer in Saarbrücken. Fotos: Martin Rolshausen

Gunter Demnig verlegte gestern den 33. Stolperstein zum Andenken an Nazi-Opfer in Saarbrücken. Fotos: Martin Rolshausen

Saarbrücken. Die Kunst Gunter Demnigs besteht darin, auf die Knie zu gehen. Gut 35 000 Mal hat der Kölner Künstler das getan. So viele "Stolpersteine" hat er in etwa 750 Städten verlegt - zehn mal zehn Zentimeter große Messingplatten, auf denen eine Inschrift an Menschen erinnert, die von den Nazis ermordet wurden. Vorgestern ist Gunter Demnig in der Saarbrücker Bahnhofstraße für Johanna Kirchner in die Knie gegangen - und mit ihm (zumindest im Geiste) Vertreter der Stadt, der Arbeiterwohlfahrt, der Politik und anderer gesellschaftlicher Gruppen.Johanna Kirchner kam im Mai 1933 nach Saarbrücken, auf der Flucht vor den Nazis, die im Reich die Macht übernommen hatten. Im Saargebiet, damals noch unter Völkerbundsverwaltung, war Kirchner, engagierte Sozialdemokratin aus Frankfurt, zunächst sicher. Sie arbeitete in der Fremdenpension, die die ebenfalls aus dem Reich geflüchtete Marie Juchazc in der Bahnhofstraße 80 betrieb, später auch als Parteisekretärin für die Saar-SPD. Mit Juchazc und anderen hatte Hanna Kirchner bereits 1919 die Arbeiterwohlfahrt (Awo) gegründet.

Deshalb war es die Awo, die vorgeschlagen hat, Kirchner einen Stolperstein zu widmen und ihn dort in den Boden zu setzen, wo sich Kirchner um Menschen kümmerte, die auf der Flucht vor den Nazis waren: vor das Gebäude in der Bahnhofstraße 80. Johanna Kirchner, sagte der Awo-Landesvorsitzende Paul Quirin, habe den Mut gehabt, sich gegen die Nazis und für die von ihnen Verfolgten zu engagieren, obwohl ihr klar war, dass sie das nicht überleben würde. Nach dem Anschluss des Saargebiets an Nazi-Deutschland konnte Kirchner zwar in Lothringen untertauchen, wurde aber im Juni 1942 von der französischen Geheimpolizei an die deutsche Gestapo ausgeliefert. Sie wurde am 9. Juni 1944 in Plötzensee mit dem Fallbeil hingerichtet.

 Der Stein für Johanna Kirchner.

Der Stein für Johanna Kirchner.

Auf der Saarbrücker Bahnhofstraße sei der Stolperstein nicht nur wegen Kirchner richtig. Anlass zum Innehalten gebe es hier auch, weil es in der Straße Geschäfte gegeben habe, die von später vertriebenen und ermordeten Juden betrieben wurden, sagte Kulturdezernent Erik Schrader. Es sei wichtig, dass es neben dem auf dem Rabiner-Rülf-Platz entstehenden zentralen Denkmal viele kleine Erinnerungsorte gebe. 32 Stolpersteine hat Demnig bisher in Saarbrücken verlegt. Es sollten über 300 werden, regte Schrader an.

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