Kneipp-Verein erkämpft sich seine Zukunft

Saarbrücken · Staatsanwalt wirft Ex-Vorsitzenden vor, er habe 63 000 Euro veruntreut. Landesverband hilft Vorstand.

Senioren- und Wirbelsäulengymnastik, Rückenschulung, Gesellschaftstanz sowie Taiji-Qigong stehen auf der Seite mit den Fitnessangeboten ganz oben. Zu haben ist all das von Montag bis Freitag. Dazu gibt es die Gesundheitstipps des legendären Urvaters der Kneipp-Bewegung, die berühmten Wassergüsse inbegriffen.

Die Internetseite und das Kursprogramm des Kneipp-Vereins Saarbrücken spiegeln Routine. Es ist eine erkämpfte Normalität nach harten Zeiten. Denn der Verein geriet voriges Jahr in eine Schieflage (siehe Info).

Eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft Saarbrücken von dieser Woche verdichtet nach monatelangen Ermittlungen das Problem des Vereins in der Sprache der Juristen. Die Behörde hat gegen den ehemaligen Vorsitzenden des Vereins Anklage "wegen gewerbsmäßiger Untreue in 262 Fällen" erhoben. Betroffen sind nach Ansicht der Ankläger nicht nur die Kneippianer. Der Angeschuldigte (73) soll vom Januar 2013 bis zum Juli 2016 als Vorsitzender des Kneipp-Vereins Saarbrücken sowie als Kassenwart des Vereins Freunde des Deutsch-Französischen Garten (FDFG) "unter Ausnutzung der ihm übertragenen Kontovollmachten" 262-mal über Vereinsgeld verfügt haben, "ohne dass diese Verfügungen in einem erkennbaren Zusammenhang mit Aufgaben oder Verpflichtungen der Vereine standen".

Das soll der Mann insbesondere auch getan haben, "um mit dem Geld den eigenen Lebensunterhalt ganz oder teilweise zu bestreiten". Die Anklage beziffert den Schaden für den Kneipp-Verein auf 63 060, für den FDFG auf 17 270 Euro. Das ergibt also einen Gesamtschaden von 80 330 Euro.

Der strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getretene Angeschuldigte habe sich zu den Tatvorwürfen bisher nicht geäußert, heißt es von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken weiter.

Während der Ermittlungen, ausgelöst durch eine Anzeige des Kneipp-Landesverbandes, nahm der Saarbrücker Verein den Kampf um die Zukunft auf. Seit der außerordentlichen Mitgliederversammlung steht Dieter Leidner als 1. Vorsitzender an der Spitze des Leitungsteams. Er war schon von 2008 bis 2010 Vorsitzender und ließ sich im August 2016 erneut in die Pflicht nehmen.

Leidner, die Landesvorsitzende des Kneipp-Bundes, Andrea Pielen, und der neue Saarbrücker Vorstand wollten ein Stück Tradition in die Zukunft retten. Immerhin ist der im Jahr 1900 gegründete Kneippverein Saarbrücken einer der ältesten Kneippvereine Deutschlands und neben St. Ingbert der älteste im Saarland.

Um das Überleben zu sichern, gewährte der Landesverband den Saarbrückern einen 14 000-Euro-Kredit, mit Rückzahlungsmodalitäten, die für die Saarbrücker tragbar seien, wie Pielen sagte. Und der Bundesverband habe dem Verein offene Forderungen gestundet. "Ohne den Landesverband gäbe es den Saarbrücker Verein nicht mehr", sagte Leidner. Pielen sieht den Landesverband denn auch immer an der Seite der Saar-Kneippvereine und ihrer Vorstände. Dazu gehöre die Schulung in Rechts- und Steuerfragen. "Proaktiv", also vorausschauend und planend, wolle der Landesverband arbeiten. Der neue Saarbrücker Vorsitzende habe mit seinem Vorstandsteam und mit der Landesgeschäftsstelle "die entscheidenden Pflöcke" für die Zukunft des Vereins eingeschlagen.

Zum Thema:

Kneippverein mit neuer Spitze In die Schlagzeilen geriet der Kneippverein Saarbrücken im Juli 2016, weil Mitgliedsbeiträge und Kursgebühren offenbar nicht dort gelandet waren, wo sie hingehörten. Der Kneipp-Landesverband erstattete Anzeige gegen den damaligen Vereinschef. Rund ein Fünftel der damals 562 organisierten Saarbrücker Kneippianer forderte eine außerordentliche Mitgliederversammlung. Seit dem 10. September ist ein neuer Vorstand im Amt. Dieter Leidner steht an der Vereinsspitze. Weitere Auskünfte über das Programm gibt der Verein im Internet. kneippverein-sb.de/

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