Klär: Verlust bedeutet Einschnitte bei FahrernGewerkschaft kritisiert VergabeBehles versichert weitere Korrekturen im Fahrplan für den Landkreis

LinienstreitSaar-Pfalz-Bus kontra Behles - dazwischen die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi): Nach dem Übergang dreier Kreislinien im St. Wendeler Land vom einstigen Monopolisten Saar-Pfalz-Bus an Privatanbieter Behles klagen nach Kunden jetzt auch Gewerkschafter. Was bedeutet der Verlust der drei Kreislinien in St

 Bitte einsteigen: Kunden müssen sich im St. Wendeler Land seit Jahresbeginn mit mehreren Anbietern anfreunden. Foto: SPB

Bitte einsteigen: Kunden müssen sich im St. Wendeler Land seit Jahresbeginn mit mehreren Anbietern anfreunden. Foto: SPB

LinienstreitSaar-Pfalz-Bus kontra Behles - dazwischen die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi): Nach dem Übergang dreier Kreislinien im St. Wendeler Land vom einstigen Monopolisten Saar-Pfalz-Bus an Privatanbieter Behles klagen nach Kunden jetzt auch Gewerkschafter. Was bedeutet der Verlust der drei Kreislinien in St. Wendel zum Jahreswechsel wirtschaftlich für Ihr Unternehmen?

Klär: Die Saar-Pfalz-Bus verliert rund eine Million Kilometer des Bestandgeschäftes im Landkreis St. Wendel, was knapp 30 Prozent der Gesamtleistung im Landkreis ausmacht.

In welcher Größenordnung müssen Sie Einnahmeneinbrüche verkraften?

Klär: Die Saar-Pfalz-Bus ist Teil des Verkehrsverbundes Saar-VV. Die Einnahmenzuordnung auf die einzelnen Verkehrsleistungen erfolgt im Saar-VV ausschließlich mittels eines gemeinsam beauftragten Gutachters. Die Zahlen des Gutachters liegen uns derzeit noch nicht vor.

Gibt es im Saarland und in der Pfalz ähnliche Fälle, dass ein Auftrag von Ihnen an die private Konkurrenz wechselte?

Klär: Im Saarland mussten ebenfalls zum 1. Januar im Regionalverband Saarbrücken sechs Linien und im Landkreis Saarlouis eine Linie an neue Betreiber abgegeben werden. Größenordnung ebenfalls rund eine Million Kilometer.

Wie viele Mitarbeiter betrifft der Einschnitt? Welche Folgen hat dies für Beschäftigte - Entlassungen, Versetzungen, Sozialpläne?

Klär: Die Saar-Pfalz-Bus musste über Interessenausgleich- und Sozialplanverhandlungen rund 25 Mitarbeiter freisetzen und in der Folge rund 30 Mitarbeitern im Rahmen von Versetzungen neue Arbeitsstellen zuweisen. Da die Saar-Pfalz-Bus sehr eng mit Partnern des privaten Omnibusgewerbes zusammenarbeitet, gab es weit mehr Betroffenheit in der Unternehmerlandschaft. Dort zum Teil bis hin zur Insolvenz.

Wieso bekamen Sie den Auftrag nicht mehr? Hätten Sie nicht ein ebenso günstiges Angebot wie der zum Zuge gekommene Unternehmer Behles unterbreiten können?

Klär: Nein, aus folgenden Gründen: Zum einen liegt das Lohniveau unserer Fahrer weit über dem des privaten Gewerbes und damit auch weit über dem im saarländischen Vergabe- und Tariftreuegesetz verankerten Mindestlohn. Zum anderen bietet die Saar-Pfalz-Bus ein umfassendes Leistungspaket an, das wir bei allen Kalkulationen berücksichtigen müssen. Beispiele: Administration und Betrieb des Rechnergestützten Betriebsleitsystems (RBL), Betreuung und Entwicklung von bestehender und zukünftiger Vertriebstechnik, Verkaufstechnik, Datenlieferung an Verbünde, eigenes Abocenter mit umfassender Kundenbetreuung sowie kompetente Verkehrsplanung und der Betrieb Mobilitätszentralen.

Die Kritik seitens des Landkreises, der unrentable Verbindungen subventioniert, lautet: Die Saar-Pfalz-Bus GmbH wollte deutlich mehr Geld für weniger Verbindungen als der jetzige Anbieter.

Klär: Ja, in Teilen ist das richtig. Wir haben im ersten Schritt versucht, in Tagesrandlagen und an Samstagen die aus unserer Sicht entbehrlichsten Fahrten herauszukürzen, um den Zuschuss für den Landkreis zu reduzieren. Schulfahrten waren von Kürzungen überhaupt nicht betroffen. Ursprünglich war vereinbart, dass die Saar-Pfalz-Bus bis Ende September 2011 ein ganz neues Verkehrskonzept erarbeitet, um den Zuschuss für den Landkreis zu mindern. Während unserer Planung wurde uns mitgeteilt, dass ein günstiger Anbieter gefunden werden konnte und dieser auch den Zuschlag erhält. Wir haben das sehr bedauert, weil wir sicher waren, mit unserem neuen Angebot zu überzeugen und den Zuschussbedarf zu verringern. Gerne hätten wir die Kreis-Buslinien weiter gefahren, nicht nur um das gute Qualitätsniveau im Landkreis zu halten. Wir sind überzeugt davon, dass wir bezüglich des Zuschusses zu einer guten Lösung für beide Parteien gekommen wären.

Überraschen Sie die Probleme, die zurzeit bei Kunden der betreffenden Linien auftreten?

Klär: Bei der Übernahme von neuen Linien kommt es immer zu Startschwierigkeiten. Vor allem dann, wenn die Zeitspanne zwischen Vergabe der Leistung und Aufnahme des Betriebes zu kurz ist. Dass es zu Problemen im Fahrplan kommt - insbesondere hinsichtlich der Schülerbeförderung - war nach Bekanntgabe der Fahrpläne des neuen Betreibers zu erwarten.

Wie geht es mit dem Tour-Rondo am St. Wendeler Bahnhof weiter, an dem Sie beteiligt sind?

Klär: Im Sinne unserer Fahrgäste werden wir das Tour-Rondo bis auf weiteres mit den Partnern Fahrkartenausgabe der DB und Tourist-Info weiter betreiben. Wir haben den Landkreis darauf hingewiesen, dass bei weiteren Vergaben und gegebenenfalls resultierendem Betreiberwechsel eine Lösung für die gemeinsame Finanzierung des Tour-Rondo gefunden werden muss. Für die Fahrgäste ist es sehr wichtig, eine Anlaufstelle für alle Fragen rund um den ÖPNV im Landkreis zu haben. Der Kundenzuspruch bestätigt dies.

Ist der Fahrplan auf den Behles-Routen im St. Wendeler Land bereits in die elektronische Fahrauskunft des Saar-VV eingepflegt? Wenn nicht: Woran hapert es, und wer ist dafür verantwortlich? Wann wird es geschehen?

Klär: Nach Rückfrage bei der Verkehrsgemeinschaft Saar (VGS) liegen noch keine für die elektronische Auskunft verwertbaren Fahrplandaten vor. Die Verkehrsunternehmen im Saarland liefern die Fahrplandaten und die Echtdaten der mit RBL ausgerüsteten Fahrzeuge an die VGS. Ein neuer Betreiber muss seine Daten direkt an die VGS melden. Wann dies der Fall sein wird, müssen Sie die Firma Behles fragen.

Die im öffentlichen Personennahverkehr fahrenden Unternehmer sind verpflichtet, ihre Fahrer nach dem Tariftreuegesetz, also nach einem Mindestlohn, zu bezahlen. Ist das mit Preisdruck bei Streckenvergabe zu machen? Und: Gibt es ein Lohngefälle zwischen Saar-Pfalz-Bus und anderen Unternehmen im Land? Wenn ja: Wie groß ist es?

Klär: Das stimmt zum Teil. Bei der Vergabe von Verkehrsleistung durch die öffentliche Hand, bei der ein Zuschuss gezahlt wird, muss das saarländische Vergabe- und Tariftreuegesetz angewandt werden. Das heißt: Das Fahrpersonal der Kreis-Buslinien muss danach entlohnt werden, und der Betreiber muss eine Tariftreueerklärung abgeben. Die Differenz beträgt nach unserem Kenntnisstand zirka 400 Euro brutto im Monat. St. Wendel. Die Probleme mit den Schülerfahrten waren während der zurückliegenden Woche noch nicht ausgestanden. Das gibt Dirk Dannenfeld zu. Der Pressesprecher des Weiskircher Busunternehmers Behles versichert aber, dass alles daran gesetz werde, "die Schwierigkeiten in den Griff" zu bekommen.

Seit Jahresbeginn häuften sich die Klagen über unpünktliche Fahrten, seitdem Behles drei Strecken im St. Wendeler Land von der Saar-Pfalz-Bus übernommen hat. Dannenfeld waren bis Freitag noch Schwierigkeiten mit Fahrten nach Furschweiler bekannt. Es liefen Gespräche mit der Gemeinde Namborn, um dieses zu beseitigen. Und am Nachmittag Dannenfelds Zusage: "Seit heute läuft es auch hier. Die Busse brachten Schüler pünktlich zum Unterricht."

Gleichfalls sei für Februar geplant, die Behles-Fahrpläne der Verkehrsgemeinschaft Saar (VGS) elektronisch zu übermitteln, damit diese ebenfalls allen zugänglich sind. Dazu müssten aber die unterschiedlichen Computerprogramme noch angeglichen werden.

Darüber hinaus halte Behles an der eigenen Infostelle nahe des St. Wendeler Bahnhofs fest. Ein Einstieg in die Infozentrale des Landkreises, der Saar-Pfalz-Bus und der Deutschen Bahn (DB), Tour-Rondo, in unmittelbarer Nähe sei vorerst nicht geplant. Es sei denn, es finde sich eine neutrale Betreibergesellschaft.

Übrigens: Noch vor der Sitzung des für Buslinien zuständigen Werksausschusses des Kreistages wollen sich Landkreis- sowie Behles-Vertreter zur Aussprache treffen, kündigt Dannenfeld an. Voraussichtlicher Termin: Anfang Februar im St. Wendeler Landratsamt. hgnSaarbrücken. Alles andere als gelungen bewertet Bernd Oleynik den Übergang dreier Buslinien im Landkreis St. Wendel zum Jahreswechsel von der bisher zuständigen Saar-Pfalz-Bus GmbH an den privaten Anbieter Behles. Der Fachbereichsleiter Verkehr bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Saarbrücken kritisiert, dass darunter sowohl der öffentliche Nahverkehr als auch die Arbeitssituation der Busfahrer litten. Oleynik: "Die Qualität hat sich massiv verschlechtert." Damit bestätigt er Beschwerden zahlreicher SZ-Leser, die insbesondere Probleme beim Schulbusverkehr sowie gestrichene Verbindungen in den Abendstunden und an Wochenenden anprangerten. "Wir sehen die Vergabe der drei Linien im Landkreis St. Wendel als ein Negativbeispiel", schlussfolgert Gewerkschafter Oleynik.

Der Kreistag hatte einem Anbieterwechsel zugestimmt. Hintergrund: Die Saar-Pfalz-Bus verlangte in einem ersten Angebot rund eine halbe Million Euro vom Landkreis, um defizitäre Strecken aufrecht zu erhalten. Behles bot ein Paket für rund die Hälfte.

Oleynik moniert zwar die Verhandlungstaktik der Saar-Pfalz-Bus: "Da haben die Vertreter sich nicht immer geschickt verhalten." Allerdings sieht er auch die Kreistagsabgeordneten in der Pflicht: "Der Kreishaushalt wird auf Kosten der Busfahrer saniert."

Die Weiskircher Firma habe zugesagt, ihrer Fahrer nach dem Tariftreuegesetz im Saarland zu bezahlen. Oleynik hält dies aber für wenig hilfreich. Bei diesem Gesetz sei Verhandlungspartner die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) im Christlichen Gewerkschaftsbund (CGB) gewesen. Deren Abschluss fürs Saarland liege weit unter den im Saarland bislang gültigen Tarifen und ließe sogar noch Öffnungsklauseln zu. Darüber hinaus zähle die GÖD laut Oleynik im Saarland kaum Mitglieder. Erschwerend komme hinzu, dass sich das daraus resultierende Gehalt neben Berufsjahren an einer dreijährigen Facharbeiter-Ausbildung orientiere. Oleynik: "Die beginnt aber erst jetzt." Folglich fielen bislang nur wenige Busfahrer unter diese Abmachung.

Konkret heißt das nach Verdi-Angaben: Das Bruttogehalt für Busfahrer beträgt 2046,32 Euro bei einer 42-Stunden-Woche und liegt damit zwischen 300 und 400 Euro unter dem der Saar-Pfalz-Bus-Fahrer. Deren Arbeitszeit betrage 38,5 Stunden. "Zurzeit wissen wir noch nicht, was Behles zahlt", sagt Oleynik. Doch der Verdi-Verkehrsexperte macht wenig Hoffnung, dass dort die Gehälter nur annähernd an die bei Saar-Pfalz-Bus heranreichen. "Wir erleben Behles auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Pfalz. Dort haben wir keine guten Erfahrungen gemacht."

Ebenso wenig im Vorfeld des Anbieterwechsels mit dem Landkreis St. Wendel. Denn ein Gesprächsangebot von Verdi habe Landrat Udo Recktenwald (CDU) ausgeschlagen. Lediglich schriftlich habe er mitteilen lassen, dass seine Verwaltung voraussetze, das das Tariftreuegesetz von Behles eingehalten wird. Pflicht sei dies nach Oleynik nicht. Denn es habe sich nicht um eine europaweite Ausschreibung der drei Strecken gehandelt. Wegen der gebotenen Eile ging es in diesem Fall um eine Notvergabe, um nach dem herannahenden Ende des alten Vertrages einen neuen Betreiber für die Linien zu haben. Da gelte das Gesetz nicht. hgn

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Matthias Zimmermann

Hannelore HempelFoto: Privat/SZ

Foto: hgn

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