Gesundheit Kinderärzte immer seltener auf Hausbesuch

Saarbrücken · Das ARD-Magazin „Report Mainz“ kritisiert Kinderärzte stark: Sie kämen ihrer Pflicht nicht nach.

 Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen sind Teil der Aufgaben von  Kinderärzten. Ob Hausbesuche dazu gehören, ist umstritten.   Foto: Pleul/dpa

Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen sind Teil der Aufgaben von  Kinderärzten. Ob Hausbesuche dazu gehören, ist umstritten.   Foto: Pleul/dpa

Foto: picture-alliance/ dpa/Patrick Pleul

Das Kind liegt mit hohem Fieber im Bett, wimmert unter Gliederschmerzen. Ans Aufstehen möchte es gar nicht denken. Kommt der Kinderarzt also zum Hausbesuch vorbei? Glaubt man dem ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ tut er das immer weniger. Die Zahl der Hausbesuche habe sich innerhalb der letzten 20 Jahre halbiert. Die Gründe: Zeitmangel, zu schlechte Bezahlung und der Verdacht, Patienten wollten sich durch einen Hausbesuch nur die Wartezeit in der Praxis sparen. In seinem Beitrag vom 20. Juni übt das Magazin starke Kritik an den Kinderärzten, die nach ihrer Berufsordnung zu Hausbesuchen verpflichtet seien. Für Kassenärzte habe die Kassenärztliche Vereinigung mit den Krankenkassen zudem einen Vertrag ausgehandelt. Er besagt, dass kranke Versicherte einen Anspruch auf einen Hausbesuch haben, wenn ihnen der Praxisbesuch nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Für Benedikt Brixius, Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte im Saarland, bildet der Fernseh-Beitrag die Situation nicht wahrheitsgemäß ab. „Die meisten kranken Kinder sind transportfähig, im Gegensatz zu alten, gebrechlichen Patienten“, sagt er. Der Besuch in der Praxis sei also in der Regel möglich. Wenn es notwendig sei, wie zum Beispiel bei beatmeten Kindern, komme der Kinderarzt aber auch nach Hause. Es gebe jedoch Patienten, die glaubten, der Kinderarzt müsse immer zum Hausbesuch vorbeikommen: „Letzte Woche hat mich eine Frau angerufen und verlangt, dass ich zu ihrem an Durchfall erkrankten Kind komme“, sagt er. Als er ihr zu erklären versucht habe, dass das kein Grund für einen Hausbesuch sei, sei sie sehr forsch aufgetreten. „Sie hat mir gesagt, dass sie den Fernseh-Beitrag gesehen hat und meinte, ein Anrecht auf den Hausbesuch zu haben“, sagt Brixius.

Der Grund, warum legitime Hausbesuche immer schwieriger zu leisten seien, sei die „fehlgeleitete Bedarfsplanung“. Seit 1992 regele diese, wie viele Kinderärzte es in welchem Umkreis geben darf. Seitdem sei sie nicht revidiert worden. „Es wird immer damit argumentiert, dass die Geburtenzahlen gefallen sind“, sagt Brixius. Gleichzeitig hätten aber bestimmte Krankheitsbilder zugenommen, die für mehr Patienten in den Kinderarztpraxen sorgen. „Übergewicht ist ein Riesenproblem“, sagt Brixius. Auch im „sozialpädiatrischen Bereich“, der Krankheiten wie Verhaltensauffälligkeiten (ADHS) und allgemein entwicklungstherapeutische Aspekte umfasst, habe die Fallzahl zugenommen. Die Patientenzahl nehme auch durch die Flüchtlingskinder zu, die Vorsorgeuntersuchungen brauchten. Brixius` Fazit: Kinderärzte sind derzeit extrem überlastet. Der Sprecher des BVKJ-Bundesverbands, Hermann Josef Kahl, bestätigt: „Die Mehrbelastung der Kinder- und Jugendärzte wird von der Politik vollkommen ignoriert.“

Gunter Hauptmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Saarland, widerspricht: „Die Bedarfsplanung wurde 2013 von dem Gemeinsamen Bundesausschuss neu gestaltet“, sagt er. Dabei habe das Gremium errechnet, dass für das ganze Saarland 48 Kinderärzte ausreichten. „Tatsächlich sind es aktuell sogar 74 Kinderärzte“, sagt KV-Chef Hauptmann. Darüber hinaus würden die Kinderärzte-Zahlen jedes Jahr an die Bevölkerungszahlen angepasst. Dass Argument, dass Hausbesuche aufgrund von Zeitmangel nicht machbar seien, hält er für ungültig: „Das ist nicht in Ordnung. Das muss gehen“, sagt Hauptmann.

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