"Keiner weiß, wie es weitergeht"

Mettlach/Merzig. Gestern, um kurz vor 14 Uhr in Mettlach. Ein frischer, fast schon rauer Wind bläst den Arbeitern ins Gesicht, als sie das Firmengelände von Villeroy & Boch verlassen. Und es hat fast den Anschein, als sei das Wetter auch symptomatisch für die Lage beim Keramikkonzern

Mettlach/Merzig. Gestern, um kurz vor 14 Uhr in Mettlach. Ein frischer, fast schon rauer Wind bläst den Arbeitern ins Gesicht, als sie das Firmengelände von Villeroy & Boch verlassen. Und es hat fast den Anschein, als sei das Wetter auch symptomatisch für die Lage beim Keramikkonzern. Die meisten Mitarbeiter, die nach Feierabend das Werk verlassen, wollen aber nichts sagen und winken beim Anblick des SZ-Reporters schon ab."Kein Kommentar", meint eine Frau und hastet vorbei. Eine andere sagt: "Ich bin eine von den Betroffenen, ab 1. April bin ich arbeitslos." Spricht's, setzt sich in ihr Auto und fährt davon. Ein Mettlacher, der seit zehn Jahren in der Mosaikfabrik arbeitet, sagt, er habe in den Nachrichten von den 220 wegfallenden Jobs gehört. Gerüchte habe er vorher keine gehört. In der Mosaikabteilung wurden bereits im Dezember 20 Leute entlassen, "mehr geht nicht, sonst müssten sie das komplett auslagern", meint der Mann. "Die Leute haben einfach nicht mehr genug Geld", sieht er als Grund für den schlechteren Absatz an. Der Mettlacher merkt das auch an sich selbst. Durch die Kurzarbeit fehlen ihm 150 bis 200 Euro pro Monat. Da ist Essen gehen oder generell ausgehen erst mal gestrichen. "Die Stimmung ist schon das ganze Jahr gedrückt, keiner weiß, wie's weitergeht", sagt der Arbeiter.Michael Gepert (Foto: rup) aus Faha-Weiten ist als Ferienarbeiter drei Wochen bei V&B eingesetzt. "Die Leute dachten eher an Kurzarbeit. Und dann das", berichtet er von der Betriebsversammlung am Freitag. Die Ankündigung schien die meisten regulären Beschäftigten ohne Vorwarnung getroffen zu haben. "Die Leute wussten auch nichts davon, das war eine große Überraschung", sagt Gepert."Eine schöne Überraschung", meint eine 55-jährige Frau, die im Bereich Tischkultur arbeitet. Ihre 48-jährige Arbeitskollegin Jocelyne Sausy (Foto: rup) aus dem französischen Montenach pflichtet ihrer Arbeitskollegin bei: "Wo finden wir in dem Alter noch was?" Wie genau alles ablaufen wird, ist den Mitarbeiterin unklar. "Wir wissen gar nichts", sagt Sausy. Denn auch die Abteilungsleiter wüssten von ihren Vorgesetzten noch wenig. Die beiden Frauen arbeiten schon seit 28 beziehungsweise 31 Jahren bei V&B. Spätestens 2010 wird damit aber Schluss sein, wenn die Sparte Tischkultur in Mettlach komplett geschlossen wird. "Wir haben auf der Betriebsversammlung gesessen, nicht alles verstanden", erinnern sich die Frauen an den Moment, als es auf der halbstündigen Versammlung plötzlich mucksmäuschenstill wurde. "Wir waren richtig geschockt." Den Frauen wurde gesagt, sie sollen "mal ruhig bleiben und weiterarbeiten wie vorher". Ein Satz, bei dem sie während des Erzählens unbewusst mit den Köpfen schütteln.Und wie geht es jetzt weiter? "Wir machen uns schon lange Gedanken", sagt die Französin Sausy. Sie schaut sich nach einer neuen Stelle um. Nur eins versteht sie nicht: Dass die Deutschen einen solchen Arbeitsplatzabbau kampflos über sich ergehen lassen, weder demonstrieren noch protestieren: "In Frankreich wären wir bei so was wie hier schon längst draußen auf der Straße."

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