Nach der Katastrophe Keine Ruhe nach dem Sturm
St.Ingbert/Kleinblittersdorf · Nach dem Unwetter zeigen sich die Saarläner solidarisch. Schnelle Hilfe unter Nachbarn lindert die erste Not.
Dramatische Szenen spielten sich beim Unwetter in der Nacht zu Freitag im Saarland ab. „Es ging schnell. In der Intensität habe ich das nicht gekannt“, sagt Lisa Schmeer über ihre Erlebnisse in Bliesransbach. Mitten in der Nacht wurde sie von ihrer Tochter geweckt. Eine der Türen ihrer Erdgeschoss-Wohnung in der Kreuzstraße wurde eingedrückt. Das Wasser strömte ein. Nur mit Mühe und der Hilfe einer Nachbarin konnten ihre beiden Kinder an Bettlaken festgeschnürt aus einem der Fenster gerettet werden. Sie selbst versuchte zu schwimmen, doch die Strömung war zu stark. „Ich habe noch aus dem Fenster nach Hilfe gerufen“, erzählt sie. Erst nach einiger Zeit gelang es ihr, sich über eine Treppe in ein höheres Stockwerk zu retten, ebenfalls mit tatkräftiger Hilfe der Nachbarin.
Von Ihrer Wohnungsausstattung sei allerdings nichts mehr zu retten. „Wir sind noch in der Nacht barfuß zu meinem Freund gelaufen, um dort wenigstens unterzukommen.“ Zwei Tage später trägt sie Tüten mit Kleidungsstücken. „Es sind Spenden von Nachbarn und Menschen aus dem Ort. Sie haben mitbekommen, was passiert ist, und haben uns einfach so geholfen.“
Wenige Meter weiter in der Bliesbolchener Straße ist eine ganze Gruppe dabei, den Schlamm aus dem Keller zu entfernen und kaputtes Mobiliar und Einrichtungsgegenstände unter der sengenden Sonne an die Container zu schleppen. Das Wasser kam hier unerwartet über Garten und Straße in die Keller. Ein völlig zerstörtes Auto steht am Straßenrand. „Es wurde vom Wasser über die Einfahrt in die geschlossene Garage gedrückt“, berichtet Michael Haupenthal, der in der Unwetternacht ein Haus weiter bei seiner Freundin war und nun Möbel, Waschmaschine und Fernseher Richtung Container schleppt. „Die Wassermassen haben dann die Rückwand der Garage rausgedrückt und das Auto in den Garten gespült“, so Haupenthal weiter über die unvorstellbaren Kräfte, die in der Nacht gewirkt haben. 50 Zentimeter hoch habe das Wasser gestanden. „Eine Strömung ohne Ende.“
Und auch hier am Haus sind fleißige Helfer am Werk. So viele, dass einige schon weggeschickt wurden. „Wir haben uns gegenseitig im Weg gestanden“, erklärt Haupenthal. Einer der Helfer, die noch vor Ort sind, ist Daniel Cravelius. Auch bei ihm drang das Wasser ins Untergeschoss, doch sei die Lage bei weitem nicht so dramatisch gewesen. „Ich kann doch nicht zu Hause ruhig sitzen, wenn hier noch das Wasser im Keller steht“, sagt er über seine Motivation.
Auch für die Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) gibt es von den Anwohnern viel Lob. Sie hatten den Kleinwagen wieder aus dem Garten geholt und packten bei den schweren Dingen mit an. Hilfe, die bitter nötig war, denn kaum ein Haus in der Straße am Ortsrand scheint verschont geblieben zu sein. So auch bei den Eheleuten Meiniger, die von 1 bis 8 Uhr morgens auf den Beinen waren, um zu retten, was zu retten war.
„Mit der aufgehenden Sonne kam der zweite Schock, als das ganze Ausmaß der Katastrophe sichtbar wurde. Wir können froh sein, dass keine Personen zu Schaden gekommen sind“, sagt Gudrun Meiniger. Ihr Auto wurde ebenfalls vom Wasser erfasst und Richtung eines kleinen Bächleins an einen Metallzaun neben dem Haus geschwemmt. Der Zaun ist eingedrückt, nur ein Pfosten scheint den Kleinwagen davor gerettet zu haben, vollends in den Bachlauf gedrückt zu werden. Und auch hier waren neben THW und Feuerwehr die Nachbarn die ersten Helfer. „Wir sind erst vor zwei Jahren hierher gezogen. In den letzten Tagen haben wir viele aber erst richtig kennengelernt.“
Ein paar Kilometer weiter in der St. Ingberter Innenstadt bietet sich ein ähnliches Bild. In der Straße Im Sumpe steht auch mehrere Tage nach dem Unwetter das Wasser noch knöchelhoch in der Tiefgarage. Die Spuren an den Wänden zeigen, dass es bis zur Decke stand. Wer hier sein Auto parkte, dürfte nur noch Schrott wiederfinden. In manchen Straßen stehen fast reihenweise die Container. Anwohner helfen sich gegenseitig, etwa wenn das gerade erst verlegte Parkett wieder aus dem Haus gerissen werden muss. Sascha Hauck wohnt In der Lauerwiese. „Das Wasser stand in nur 45 Minuten bereits 50 Zentimeter hoch“, berichtet er. Stundenlang hat er in der Nacht zum Freitag mit Eimern das Wasser aus dem Keller gebracht, doch die Gasheizung war nicht mehr zu retten. „6000 Euro Schaden allein an der Heizung. Ich dusche seit drei Tagen kalt“, sagt er. Hinzu kommt auch hier Mobiliar und einiges an Elektronik. Bei ihm, wie bei den meisten anderen Gesprächspartnern der SZ, fehlt es an der Elementarschadenversicherung, die die Kosten aufwiegt.