Keine Angst vor der Europa-Galerie

Freuen Sie sich auf die Europagalerie oder haben Sie Angst davor?Schoenberg: Weder noch. Wir hatten als Händler in Saarbrücken jahrelang Angst davor. Die Angst ist verflogen, nachdem wir gelernt haben, dass ein solches Center heute nicht mehr zeitgemäß ist. Eine Planung aus den 90er Jahren für die Realisierung 2000 macht da 2010 auf. Der moderne Handel ist schon viel weiter

Freuen Sie sich auf die Europagalerie oder haben Sie Angst davor?

Schoenberg: Weder noch. Wir hatten als Händler in Saarbrücken jahrelang Angst davor. Die Angst ist verflogen, nachdem wir gelernt haben, dass ein solches Center heute nicht mehr zeitgemäß ist. Eine Planung aus den 90er Jahren für die Realisierung 2000 macht da 2010 auf. Der moderne Handel ist schon viel weiter.

Könnten Sie das erklären?

Schoenberg: Sie müssen sich vorstellen, dass wir in Europa vielleicht zehn Anbieter haben, die in jedem Land tätig sind. Sie haben aber in jeder Stadt individuellen Handel. Dieser individuelle Handel ist in den 70er bis 90er Jahren fast ausgestorben. Die überlebt haben, haben überlebt, weil sie besser waren als die anderen. Gehen Sie heute in eine moderne Einkaufsgalerie irgendwo in Deutschland und zeigen Sie mir eine moderne Einkaufswelt. Das wird schwierig. Es gibt genug Negativ-Beispiele, so dass ich glaube, dass sich die Saarbrücker Europa-Galerie nicht in die Erlebnisseinkaufscenter wie zum Beispiel die Pariser Galerie Lafayette einreihen kann.

Warum das?

Schoenberg: Der individuelle Mieter fehlt! Die Großkonzerne sind Flächenmieter, und im Gastronomiebereich werden wohl ein, zwei private Konzepte umgesetzt werden. Das war es. Sie werden in der Europa-Galerie, so schön die werden wird, nicht ein Produkt finden, das Sie vorher in Saarbrücken nicht haben finden können. Die Europa-Galerie ist eigentlich ein großes Geschäft mit verschiedenen Abteilungen. Es ist vom Gefühl her ein Kaufhaus, und die Zeit des Kaufhauses ist schwierig geworden.

Welche Veränderungen in der Stadt wird es Ihrer Meinung nach durch die Europa-Galerie geben?

Schoenberg: Die Anzahl unserer Kunden wird sich nicht automatisch erhöhen, das Saarbrücker Einzugsgebiet wird sich nicht vergrößern. Es wird durch die Europa-Galerie vielleicht besser bearbeitet werden. Das hoffe ich für uns alle. Falls das nicht geschieht, ist Umsatzverlust im bisherigen Saarbrücker Filialhandel programmiert. Dort wird ganz schnell eine Grenze erreicht, wo gewisse Geschäfte schließen werden. Die Gefahr ist, dass man sich hier etwas vormacht. Wir haben schon vor der Europa-Galerie definitiv eine Überversorgung mit Einzelhandelsflächen im Saarland.

Hat denn der Saarbrücker Einzelhandel eine Strategie, um auf diese Herausforderung zu reagieren?

Schoenberg: Der Saarbrücker Einzelhandel zerfällt in zwei Teile. Die lokalen Einzelhändler und eine nicht beeinflußbare Filial-Szene. Ich nehme hier die beiden Kaufhäuser Karstadt und Kaufhof bewusst aus, die sich als Saarbrücker Unternehmen fühlen und wissen: Wenn es Saarbrücken gut geht, geht es auch uns gut. Die sonstige Filialisierung ist nicht daran interessiert, dass es Saarbrücken gut geht. Die schauen nur auf ihren unmittelbaren Standort zum Beispiel in der Bahnhofstraße. Alle erfolgreichen Saarbrücker Einzelhändler aber haben in den vergangenen fünf Jahren ihre Geschäfte renoviert, ihre Sortimente überarbeitet und ihre Personalschulungen intensiviert. Jeder der Ahnung hat, passt auf, dass Grafitti sofort weg ist, dass die Laterne vor der Tür sauber ist, dass Kot und Urin beseitigt sind, bevor der Kunde morgens die Stadt betritt. Es ist ja viel in den letzten Jahren passiert. Gehen Sie durch die Fürstenstraße und die Rückseite der Fröschengasse und vergleichen Sie das mit dem Jahr 2000. Sie werden fast nur neue Fassaden und Geschäftsmodelle sehen. Das heißt, am St. Johanner Markt haben sich die Privatunternehmer gesammelt. Die Bahnhofstraße ist fast kampflos, eine der wenigen Ausnahme ist unser Kollege Leder Spahn, in die Hand der europäischen Filialisten gefallen. Das ist eine Entwicklung, die überall so gelaufen ist und die man der Stadtverwaltung sicher nicht vorwerfen kann.

Aber was kann denn die Stadt dann Ihrer Meinung nach machen?

Schoenberg: Die Stadt muss alles tun, damit die privaten Unternehmer Lücken füllen können. Das heißt, alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, zum Beispiel fehlgeleitete Verwaltungsbeamte, die Vorschriften extrem eng interpretieren. Der einzelne Familienunternehmer kann ohne diese Hilfen gegen die Konzerne nicht bestehen. Ohne den Familienunternehmer ist diese Stadt aber austauschbar.

Es gibt Ideen, die Bahnhofstraße wieder für den Verkehr zu öffnen - könnten Sie sich das vorstellen?

Schoenberg: Auf die Idee würde ich nie kommen. Ich würde in andere Richtungen denken. Man hat den innerstädtischen Verkehr ja bewusst auf die Autobahn gelenkt und argumentiert jetzt, dass man einen Tunnel braucht, wegen des vielen Verkehrs. Ich kann mir vorstellen, dass man über die Lösungen an der Saarbahn, Kaiserstraße, Mainzer Straße neu nachdenkt. Stichwort Mobilität! Das mögen die Anwohner sicher nicht gern hören, aber das muss ich jetzt sagen. Wir werden nicht eine Nation von Fahrradfahrern, wir werden alle älter. Deswegen kann ich Menschen nicht verstehen, die auf der einen Seite sagen, wir werden immer älter, und dann wollen sie Fahrradwege bauen.

Glauben Sie, dass sich Projekte wie etwa von ECE in Homburg (siehe Artikel rechts) auf Saarbrücken auswirken werden?

Schoenberg: Der Saarbrücker Einzelhandel hat eine Alleinstellung, die es so in anderen Bundesländern nicht gibt. Wir sind ein einziges Zentrum in diesem Land und mit der Autobahn perfekt angebunden. Ich glaube, der einzige Standort, der in Zukunft noch mit den großen Spielern mithalten kann, ist Saarbrücken.

Und wie stellen Sie sich die Stadt in fünf Jahren vor?

Schoenberg: Aus der Sicht des Einzelhandels werden wir einen Knochen haben, der in der Mitte völlig vertrocknet ist. Alles was ich und meine Kollegen tun, wird darauf abzielen, dass von der Dudweiler Straße bis hoch zu Café Becker pulsierender Einzelhandel und Gastronomie aus personengeführten Unternehmen bestehen bleibt. Zum Thema Bahnhof habe ich eine private Meinung: Auf der ganzen Welt werden Sie sehen, dass ein Bahnhof kein Kulturzentrum sein kann.

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