"Kaiser Wilhelm" ist die Streuobstsorte des Jahres 2011Was bedeutet der Begriff "Streuobst"?Der Becher zum ApfelDie Bedeutung der Obstwiesen

Der Arbeitskreis "Obstsorten" des Verbandes der Gartenbauvereine Saarland/Rheinland-Pfalz e.V. hat den Tafel- und Wirtschaftsapfel "Kaiser Wilhelm" zur Streuobstsorte des Jahres 2011 für das Verbandsgebiet benannt. Die Sorte "Kaiser Wilhelm" kommt auf den Streuobstwiesen im Saarland und in Rheinland-Pfalz bis heute noch relativ häufig vor

 Meist rot gestreift und recht groß: der Tafel- und Wirtschaftsapfel "Kaiser Wilhelm". Fotos: SZ

Meist rot gestreift und recht groß: der Tafel- und Wirtschaftsapfel "Kaiser Wilhelm". Fotos: SZ

Der Arbeitskreis "Obstsorten" des Verbandes der Gartenbauvereine Saarland/Rheinland-Pfalz e.V. hat den Tafel- und Wirtschaftsapfel "Kaiser Wilhelm" zur Streuobstsorte des Jahres 2011 für das Verbandsgebiet benannt. Die Sorte "Kaiser Wilhelm" kommt auf den Streuobstwiesen im Saarland und in Rheinland-Pfalz bis heute noch relativ häufig vor. Grund für seine Beliebtheit sind sicherlich die vielfältigen Verarbeitungsmöglichkeiten der Früchte. Die Äpfel behalten beim Backen ihre schöne helle Farbe und bleiben bissfest. Als Gelee schmecken sie fein fruchtig. Als Obstbrand können sie - auch sortenrein gebrannt - gut bestehen, und auch für die Saftherstellung sind sie geeignet.

Die meist rot gestreiften, recht großen Früchte des "Kaiser Wilhelm" lachen ihre Betrachter förmlich an und laden zum Reinbeißen ein. Kein Fehler, denn der Apfel ist auch zum Frischverzehr geeignet. Er schmeckt weinsäuerlich und hat ein leichtes, feines Aroma. Das gelblichweiße Fruchtfleisch ist fest, aber nur mäßig saftig. Insbesondere sehr große Früchte neigen zu Fleischbräune und Stippe.

"Kaiser Wilhelm" bildet große bis mächtige, breitrunde Kronen aus. Die stattlichen, landschaftsprägenden Bäume benötigen nährstoffreiche, wärmere Böden, die nicht zu trocken sein sollten. Auch in höheren, raueren Lagen kann die Sorte angepflanzt werden.

1864 entstand "Kaiser Wilhelm" als Sämling der Sorte "Harberts Renette" und galt früher als eine der Hauptsorten. Geerntet wird Ende September bis Mitte Oktober. Die Früchte können direkt verzehrt oder verarbeitet werden. Eine Lagerung ist bis März/April möglich. Der Ertrag schwankt von Jahr zu Jahr, die Sorte neigt zu Alternanz.

"Kaiser Wilhelm" ist triploid und zählt zu den schlechten Pollenspendern. Die Bäume blühen mittelspät, lange anhaltend und sind unempfindlich. Krebs, Mehltau und Schorf kann in ungünstigeren Lagen auftreten.

Die Apfelsorte "Kaiser Wilhelm" ist in guten Obstbaumschulen erhältlich oder kann dort auf Nachfrage veredelt und kultiviert werden.

In den zweihundert Jahren bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahmen der Feldobstbau und die damit verbundene Sortenvielfalt einen großen Aufschwung. Eine Fülle von Obstsorten entstand. Dann aber nahm die wirtschaftliche Bedeutung der Obstwiesen zugunsten der besser zu bewirtschaftenden Niederstammanlagen ab. Ein drastischer Rückgang der landschaftsprägenden Streuobstwiesen ist heute zu verzeichnen. Zahlreiche Obstsorten sind damit unwiederbringlich verschwunden, viele stark gefährdet. Mit diesen Obstsorten geht ein bedeutendes Kulturgut mehr und mehr verloren. yv

Quellen: Alte und neue Apfelsorten, Franz Mühl, 6. Auflage 2007 und Farbatlas Alte Obstsorten, Walter Hartmann, Eckhart Fritz, 3. Auflage 2008

Dem Wunsch des Verbandes der Gartenbauvereine in Deutschland (VGiD) entsprechend hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sich der Findung einer allgemein gültigen Definition des Begriffs "Streuobst" angenommen.

Zunächst wurde im Ministerium mit den betroffenen Referaten (Ökolandbau, Marktabteilung, ländliche Räume) geklärt, dass die vorgeschlagene Definition des VGiD, die ursprünglich im Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg formuliert wurde, eine gute Grundlage für die Diskussion mit den Ländern darstellt.

Die Definition wurde als Vorschlag an die Länder verschickt und auf der Referentenbesprechung Gartenbau des Bundes und der Länder am 20. und 21. Mai 2008 in Bonn im Kreis der Länderreferenten sehr intensiv diskutiert. Klar war, dass der Begriff "Streuobst" nicht mit Zusatzkriterien befrachtet werden soll, die für einige Erzeuger zum Ausschluss führen, aber nichts mit Streuobst zu tun haben.

Letztendlich wurde folgende Definition "Streuobst" verabschiedet:

"Streuobstanbau ist eine Form des extensiven Obstbaus, bei dem großteils starkwüchsige, hochstämmige und großkronige Obstbäume in weiträumigen Abständen stehen. Charakteristisch für Streuobstbestände ist die regelmäßige Unternutzung als Dauergrünland. Daneben gibt es Streuobstäcker mit ackerbaulicher oder gärtnerischer Unternutzung, Streuobstalleen sowie sonstige linienförmige Anpflanzungen. Häufig sind Streuobstbestände aus Obstbäumen verschiedener Arten und Sorten, Alters- und Größenklassen zusammengesetzt, sie sollten eine Mindestflächengröße von 0,15 Hektar umfassen.

Im Unterschied zu modernen Dichtpflanzungen mit geschlossenen einheitlichen Pflanzungen ist in Streuobstbeständen stets der Einzelbaum erkennbar." yv

Die Streuobstsorte 2011 befindet sich als Motiv auf dem "Obstbecher 2011" - einem echten Sammlerstück (Preis 15 Euro). Der "Obstbecher 2011" wurde in limitierter Auflage von 500 Stück von Villeroy & Boch speziell für den Verband der Gartenbauvereine hergestellt. Er ist Nummer elf der Obstbecherserie.

Weiter erhältlich sind die "Obstbecher" 2010, 2009, 2008, 2007 und 2006 (Preis 13 Euro). Sie zeigen als Motive die Streuobstsorten des jeweiligen Jahres. Die "Obstbecher" können beim Verband bezogen werden. yv

Kontakt: Verband der Gartenbauvereine Saarland/Rheinland-Pfalz e.V., Kulturzentrum Bettinger Mühle, Hüttersdorfer Straße 29, 66839 Schmelz, Telefonnummer (0 68 87) 90 32 9 99, E-Mail: sl-rlp@gartenbauvereine.de.

Die Bewirtschaftung von Obstwiesen hat in unserer Region eine lange Tradition. Bis ins vorige Jahrhundert hinein dienten sie der Bevölkerung als wichtiger Lieferant von Früchten aller Obstarten. Sie prägten das Bild der bäuerlichen Kulturlandschaft mit. Die ökologische Bedeutung der Obstwiesen für unsere Region und ihr kulturhistorischer Wert sind sehr groß.

Im Laufe der Zeit hat sich vieles geändert. Die Bedeutung der Obstwiesen wurde geringer. Der wirtschaftliche Nutzen spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Pflege der Obstbestände wurde vernachlässigt. Aus den einst geschlossenen Baumbeständen, die um die Siedlungen herum gepflanzt waren, sind lückenhafte Streuobstwiesen geworden. Baulanderschließungen, Infrastrukturmaßnahmen und aufgegebene Pflege der Obstwiesen haben sie dezimiert.

EG-Rodungsprämien und bewusste Kampagnen gegen den hochstämmigen Obstanbau liegen hinter uns. Politik und Gesellschaft sind sich heute darüber im Klaren, dass die Streuobstwiesen eine große Bedeutung haben. Sowohl aus landschaftsästhetischen und kulturellen als auch aus funktional-ökologischen Gründen ist der Erhalt und die Pflege der Streuobstbestände wichtig. Auch für den Tourismus spielen sie eine große Rolle. Wirtschaftliche Gesichtspunkte dürfen zwar derzeit nicht in den Vordergrund gestellt werden, sollten aber für die Zukunft durchaus in Betracht gezogen werden.

Die in den letzten Jahren erfolgte Bewusstseinsänderung stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar. Nach wie vor kann aber nicht von einer wirklich verbesserten Situation gesprochen werden. Viele alte Obstwiesen sind in einem schlechten Zustand. Die Bäume sind abgängig, die Bestände werden unzureichend oder gar nicht gepflegt und dringend notwendige Ergänzungspflanzungen erfolgen nur sehr vereinzelt.

Mit Hilfe staatlicher Förderungen oder im Zuge von Ausgleichsmaßnahmen sind in den letzten Jahren wieder neue Anlagen (insbesondere bei den Kommunen) entstanden.

Hier ist leider festzustellen, dass eine nachhaltige Pflege nur in wenigen Fällen gewährleistet wird und viele Neubestände die ersten Jahre nicht überdauern.

Eine Schlüsselfunktion bei der Erhaltung und der Neuanlage von Streuobstwiesen kommt sicherlich der nachhaltigen Nutzung zu. Nur durch großes Engagement vieler einzelner Privatpersonen wird die Erhaltung der Streuobstwiesen zu erreichen sein. Bei allen künftigen Planungen und Förderprogrammen muss auf diesen Umstand das Hauptaugenmerk gerichtet werden. An diesem Punkt setzt auch der Verband der Gartenbauvereine an. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen wirbt er für den Streuobstbau. Und das nicht nur bei den eigenen Mitgliedern, sondern bei der breiten Öffentlichkeit. Die Bedeutung des Streuobstbaus soll bei der Bevölkerung wieder ins rechte Licht gerückt werden.

Das nötige Fachwissen, das zur Pflege der Obstwiesen notwendig ist, wird in vielen Vorträgen, Seminaren und Kursen vermittelt. Zahlreiche vereinseigene Keltereien und Brennereien stehen zur Verfügung, so dass die anfallende Obsternte sinnvoll verwertet werden kann. Mit Unterstützung des saarländischen Ministeriums für Umwelt wurden die Keltern der Vereine modernisiert und auf den heuten Stand der Technik gebracht.

Ziel des Verbandes ist es, mit gezielten Aktivitäten, wie Obstwiesenfesten oder Streuobstwanderungen den heimischen Obstbau erlebbar zu machen - sozusagen "Streuobst zum Anfassen" anzubieten. Die kulturelle Bedeutung und die Philosophie des Streuobstbaus wieder und wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und positive Kontakte zur traditionellen Obstwiese zu schaffen.

Der Verband möchte Menschen dazu animieren, sich für den Erhalt der Streuobstwiesen einzusetzen, alte Obstwiesen wieder in Stand zu setzten und neue Obstwiesen anzulegen. yv

"Wenn ich wüsste,

dass morgen die Welt unterginge,

pflanzte ich doch heute noch einen Apfelbaum."

Martin Luther (1483-1546)

Auf einen Blick

Streuobstsorte des Jahres im Überblick

2011: Kaiser Wilhelm, Tafel- und Wirtschaftsapfel

2010: Luxemburger Renette`, Tafel- und Wirtschaftsapfel

2009: Trockener Martin, Wirtschaftsbirne

2008: Spanisch Braun, Kirsche

2007: Harberts Renette, Tafel- und Wirtschaftsapfel

2006: Doppelte Philippsbirne, Tafel- und Wirtschaftbirne

2005: Metzer Mirabelle, Mirabelle

2004: Gelber Edelapfel, Küchen- und Tafelapfel

2003: Gute Graue, Tafel- und Wirtschaftsbirne

2002: Roter Bellefleue, Tafel- und Wirtschaftsapfel

2001: Großer Rheinischer Bohnapfel`, Wirtschaftsapfel

2000: Rote Sternrenette, Tafel- Wirtschaftsapfel yv

Hintergrund

Der Verband der Gartenbauvereine widmet sich der Erhaltung der landschaftsprägenden Streuobstwiesen und setzt sich für die Erhaltung alter Obstorten ein. Eigens zu diesem Zweck wurde ein Arbeitskreis gegründet.

 1864 enstand "Kaiser Wilhelm".

1864 enstand "Kaiser Wilhelm".

Mitglieder sind die Fachberater für Obst- und Gartenbau Michael Keller, Kreis St. Wendel, Harry Lavall, Saarpfalz-Kreis, Karl-Heinz Schmitt, Landkreis Merzig-Wadern und Robert Weber, Regionalverband Saarbrücken. Weitere Mitglieder sind Josef Jacoby, Obstbau und Obstbauberatung in Mettlach-Tünsdorf, Herbert Ritthaler, Baumschuler in Hütschenhausen sowie Monika Lambert-Debong, Geschäftsführerin des Verbandes der Gartenbauvereine. yv

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