Justizskandal: Originalakten sind wieder aufgetaucht

Saarbrücken/Marpingen · Nach über zwei Jahren hat die Staatsanwaltschaft die Originalakten im Fall um Justizopfer Norbert Kuß wieder gefunden. Die Archivbox sei falsch beschriftet worden, teilte gestern Ministeriumssprecher Bernd Weber der SZ mit.

. Im Fall des Marpingers Norbert Kuß (70), der nach mehr als zehnjähriger Verfahrensdauer und fast zweijähriger Haft rechtskräftig vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs seiner Ex-Pflegetochter freigesprochen wurde, sind die Originalakten der Justiz jetzt wieder aufgetaucht. Bernd Weber, Sprecher des Justizministeriums, bestätigte dies gestern auf Anfrage unserer Zeitung. Die Unterlagen waren seit Ende November 2011 verschwunden. Im Vorfeld einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes in einem Wiederaufnahmeverfahren mussten die kompletten Akten mit Hilfe von Jens Schmidt, Verteidiger von Kuß, rekonstruiert werden. Das Ministerium hat bereits eingeräumt, dass wegen des Aktenverlustes eine Verzögerung des Verfahrens eingetreten war.

Ende letzter Woche wurde die Staatsanwaltschaft wohl durch einen Zufall bei der Suche nach den bislang verschollenen Akten fündig. Nach Angaben von Pressesprecher Weber waren die Ordner im Archiv in einer falsch beschrifteten Box abgelegt.

Über den Aktenfund wird das Ministerium auch am Donnerstag den Rechtsausschuss des Landtages informieren. Dann steht die Berichterstattung im Justizskandal um Kuß auf der Tagesordnung. Der frühere technische Beamte, der stets seine Unschuld beteuerte, war von der Jugendkammer des Landgerichts 2004 zu drei Jahren Haft wegen sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen verurteilt worden. Eine Gerichtssachverständige hatte die Aussagen der Ex-Pflegetochter als "mit hoher Wahrscheinlichkeit" glaubwürdig eingestuft.

Zwei Wiederaufnahmeverfahren scheiterten. Kuß saß insgesamt 683 Tage im Gefängnis. Erst als ein neuer Gutachter in einem Zivilverfahren wegen Schmerzensgeld die Aussagen als "nicht erlebnisorientiert" bezeichnete, wendete sich der Fall. Justizministerin Anke Rehlinger (SPD) hat zwischenzeitlich angekündigt, sie werde sich persönlich bei Justizopfer Kuß und seiner Familie entschuldigen.

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