Neujahrsfest Rosch ha-Schana Jüdische Gemeinde feiert das Jahr 5779

Saarbrücken · Mit vielen traditionellen jüdischen Bräuchen feiert die Synagogengemeinde Saar am Sonntag Neujahr. Doch der Festtag wird überschattet von antisemitischen Auswüchsen auch im Saarland.

 Mit Gottesdiensten in der Synagoge in Saarbrücken sowie einem besinnlichen Fest im Gemeindesaal feiert die Synagogengemeinde Saar am Sonntag ihr Neujahrsfest.

Mit Gottesdiensten in der Synagoge in Saarbrücken sowie einem besinnlichen Fest im Gemeindesaal feiert die Synagogengemeinde Saar am Sonntag ihr Neujahrsfest.

Foto: Robby Lorenz

Überschattet von sich wieder häufenden antisemitischen Auswüchsen Rechtsradikaler und judenfeindlich erzogener Flüchtlinge feiern die Juden im Saarland am Sonntag Neujahr: Für die rund 900 Mitglieder der Synagogengemeinde Saar und die anderen jüdischen Mitbürger beginnt dann das Jahr 5779, da in ihrem Sonne-Mond-Kalender einst die „Erschaffung der Welt“ auf das Jahr 3761 vor der Zeitenwende festgesetzt wurde. Der Landesvorsitzende der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann, erklärt im Gespräch mit der SZ religiöses Brauchtum und aktuelle Probleme.

„Die jüdische Religion ist eine naturbezogene Religion, bei der die Ernährung eine große Rolle gespielt hat“, sagt er. „Der Jahresbeginn ist bei uns ganz unterschiedlich. Er variiert um maximal 14 Tage, wird dann aber alle vier Jahre wieder ausgeglichen durch einen Schaltmonat, der im Hebräischen Adar heißt.“ Da der jüdische Tag immer mit dem Sonnenuntergang beginnt, startet nun am Sonntag (9. September) am Abend das Neujahrsfest „Rosch ha-Schana“ der Juden. „Das wird zwei Tage lang gefeiert“, sagt Bermann. „Aber es werden keine Raketen abgeschossen, und das neue Jahr wird auch nicht mit viel Alkohol begossen. Wir feiern etwas besinnlicher mit einem Gottesdienst an den beiden Tagen. Am Sonntagabend gibt es nach dem Gottesdienst in der Synagoge ein Festessen im Gemeindesaal. Zu Beginn tauchen wir dabei eine Apfelscheibe in Honig und essen das.“ Dies, so Bermann, drückt „den Wunsch aus, dass wir ein süßes Jahr bekommen.“ Zum Abschluss des Neujahrsfestes am Dienstag ziehen die Juden dann in Saarbrücken zum Rabbiner Rülf-Platz an die Saar und schütten dort Brotkrümel aus ihren Taschen in das Wasser. „Das symbolisiert, dass wir unsere Sünden vor Gott wegschwemmen“, erklärt der Vorsitzende.

Vor der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg, so hat Bermann recherchiert, lebten 5000 bis 5500 Juden im Saarland. Etwa 2100 von ihnen seien Opfer des Nationalsozialismus geworden, knapp 400 von den Nazis in Vernichtungslager geschickt worden, sagt er: „Die Landesregierung hat das nie aufgearbeitet.“ Rabbiner Rülf, dem zu Ehren in der Saarbrücker City der Platz nahe der Berliner Promenade benannt wurde, habe in den 1930er Jahren über seine guten Beziehungen zum damaligen Völkerbund in Genf und anderen ausländischen Politikern erwirkt, dass Juden und andere Regimegegner der Nazis das Saarland noch verlassen konnten. Nach der Saar-Volksabstimmung 1935 mit über 90 Prozent Zustimmung zu Deutschland, seien dann viele saarländische Juden – so auch Bermanns Eltern – nach Frankreich, aber auch nach Holland, USA oder Südafrika gegangen. Sonst wäre die Zahl der jüdischen NS-Opfer an der Saar wohl noch viel größer gewesen.

Richard Bermann, Vorsitzender der Synagogengemeinde Saar.

Richard Bermann, Vorsitzender der Synagogengemeinde Saar.

Foto: Picasa

„Die Probleme, die wir heute haben, sind sehr vielfältig“, sagt der 77-jährige Synagogengemeinde-Vorsitzende Bermann. So gebe es neben Hakenkreuz-Schmierereien und „Juden raus“-Parolen Rechtsradikaler im Nauwieser Viertel in Saarbrücken und anderswo sowie wieder verstärkt Grabschändungen auf den noch 16 jüdischen Friedhöfen im Land, aber auch Mobbing und Drohungen gegen jüdische Schüler durch muslimische Flüchtlinge, die in Syrien und anderswo von Geburt an judenfeindlich erzogen worden seien. Zum anderen seien durch das deutsch-sowjetische Kohl-Gorbatschow-Abkommen zwischen 1990 und 2005 rund 3800 jüdische Menschen aus 15 verschiedenen Sowjetrepubliken ins Saarland gekommen, hätten sich aber oft ohne jede Deutschkenntnisse nicht bei der jüdischen Gemeinde angemeldet. Aufgrund des Datenschutzes habe man auch keine Kontakte aufnehmen können, „weil die Behörden keine Adressen rausrücken“. Bei den Juden aus der Sowjetunion, die man kenne, sei die Integration weitgehend gelungen. „Aber“, sagt Bermann, „es gibt eine ganze Reihe von Juden im Saarland, von denen man gar nichts weiß“.

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