Berichte von der Arbeit aus dem Kriegsgebiet Ukrainische Journalisten besuchen die SZ – „Das Wichtigste ist, zu überleben“

Saarbrücken · 22 Medienmacher berichteten vom Arbeiten unter extremen Bedingungen in teils stark umkämpften Gebieten.

 Die Gäste aus der Ukraine sprachen bei der Saarbrücker Zeitung mit Chefredakteur Peter Stefan Herbst und anderen Redaktionsmitgliedern.

Die Gäste aus der Ukraine sprachen bei der Saarbrücker Zeitung mit Chefredakteur Peter Stefan Herbst und anderen Redaktionsmitgliedern.

Foto: Robby Lorenz

Eine Gruppe von 22 ukrainischen Journalisten, Medienmachern und Forschern hat am Donnerstagnachmittag die Redaktion der Saarbrücker Zeitung besucht. Organisiert wurde das Treffen von der Akademie der Deutschen Welle.

Ukrainische Journalisten arbeiten teils direkt in stark umkämpften Gebieten wie Cherson

Sie kommen aus den unterschiedlichsten Regionen, arbeiten teilweise direkt in stark umkämpften Gebieten wie Cherson und Charkiv. Valeriy Garmash berichtet von seinem Alltag als Journalist, wie ihn viele seiner Kollegen zurzeit erleben. Er hat sich gerade im Bunker in Sicherheit gebracht, weil die Sirenen aufheulten. Nach dem Luftalarm muss er erst schauen, ob es Strom gibt, dann muss er checken, ob das Internet funktioniert. Erst jetzt kann er arbeiten. Allerdings ist die Redaktion, an die er seinen Text übermitteln will, in der gleichen Situation. „Die russischen Angriffe auf die Energieversorger gefährden also auch den Journalismus in der Ukraine?“, hakt der Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, Peter Stefan Herbst, nach. „Machen Sie in ihrer Redaktion mal eine Stunde den Strom aus, und schauen Sie, wie gut das funktioniert“, antwortet Garmash. „Und dann stellen Sie sich vor, so geht das 18 Stunden am Tag.“ Immer im Hinterkopf, die Sorge um die Familie und Freunde. „Das Wichtigste ist, zu überleben“, sagt er.

Journalisten interessiert, wie die Medien in Deutschland über den Krieg berichten

Die Journalisten interessiert vor allem, wie die Medien in Deutschland über den Krieg berichten. Woher sie ihre Informationen beziehen, während sie selbst zum Teil direkt an der Frontlinie stehen, wie Marian Kushnir. Entsprechend emotional wird das Gespräch.

Nataliia Steblyna ist Professorin an der Nationalen Universität in Donezk, die 2014 aus der Region evakuiert wurde. Mit ihren Studenten analysiert sie unter anderem die Berichterstattung der regionalen Presse. Sie sagt, auch wenn es manchmal emotional wird, arbeiteten sie mit wissenschaftlichen Standards und versuchten, objektiv zu bleiben.

Sie versuchen, Fakten zu überprüfen und russische Kriegsverbrechen zu dokumentieren. Bei den Faktenchecks hilft ihre langjährige Erfahrung. „Wir kennen die russischen Narrative seit Jahren“, sagt Steblyna. „Alle denken immer, die russische Propaganda startete erst am 24. Februar 2022, aber wir leben seit Jahrzehnten in dieser Realität. Russland versucht die Ukraine schon seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu beeinflussen.“

Deutsche Welle hat Aufenthalt organisiert

Die Deutsche Welle hat diesen Aufenthalt organisiert, um den Ukrainern die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen, und  gemeinsam die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Krieg zu reflektieren. Dabei können sie den Krieg nicht hinter sich lassen. Am Morgen des Besuchs in Saarbrücken warnen ihre Mobiltelefone vor einem Raketenangriff. Alona Bereza, die Gründerin der Organisation „Women’s Anticorruption Movement“ (deutsch: Antikorruptionsbewegung der Frauen), sagt, in der Region, in der sie lebt, im Westen der Ukraine, seien es 317 Alarme in knapp 14 Tagen gewesen.

Nach rund einer Woche im Saarland soll es für sie am Freitag über Krakau zurück in die Ukraine gehen. Durch den Streik an den Flughäfen wurde aber ihr Lufthansa-Flug annulliert. „Vielleicht bleiben wir also länger“, scherzt Steblyna.

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