Jetzt ist die FDP-Basis gefragtWie Hinschberger einen Hilflosen im Wald rettete

Saarbrücken. Die mit Rücktrittsforderungen konfrontierte Führungsriege der saarländischen FDP will in mehreren Regionalkonferenzen das Vertrauen der eigenen Basis zurückgewinnen

 Christoph Hartmann (links) und Horst Hinschberger (rechts) gestern im Landtag.Foto: Dietze

Christoph Hartmann (links) und Horst Hinschberger (rechts) gestern im Landtag.Foto: Dietze

Saarbrücken. Die mit Rücktrittsforderungen konfrontierte Führungsriege der saarländischen FDP will in mehreren Regionalkonferenzen das Vertrauen der eigenen Basis zurückgewinnen. Das ist das Ergebnis einer Krisensitzung der fünfköpfigen FDP-Landtagsfraktion, die am Montag weder ihrem Fraktionschef Horst Hinschberger das Vertrauen entzog noch ihrem Landesvorsitzenden und Wirtschaftsminister Christoph Hartmann einen Amtsverzicht nahe legte.

Im Anschluss an die dreistündige Sitzung verlas Hartmann den Beschluss der Fraktion, wonach die Saar-FDP "Verantwortung für die Koalition, unsere Wähler und die Partei" trage. Ziel sei es, die FDP als starken und verlässlichen Partner in der Jamaika-Koalition zu etablieren. Dazu strebe man "eine starke und nachhaltige Lösung" an. Fraktionschef Hinschberger, so heißt es im Beschluss der Fraktion weiter, habe "erklärt, dass er sich aktiv einbringen wird. Er ist bereit, sein Amt zur Verfügung zu stellen, wenn ein tragfähiges Gesamtkonzept gefunden wird."

Zugleich wolle die Fraktion den Dialog mit der Partei suchen. Dabei werde sie sich den Wünschen der Basis stellen. Aus diesem Grund wolle man in den nächsten Wochen die Mitglieder der Kreisvorstände sowie die Ortsvorsitzenden zu Regionalkonferenzen einladen. Damit sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die FDP sich wieder in vollem Umfang der Sacharbeit widmen könne. Nur so werde sie erfolgreich in der Koalition arbeiten und von den Bürgern wieder verstärkt Zuspruch erfahren können.

Wie im Gespräch mit FDP-Politikern weiter zu erfahren war, sei für die Fraktion im Moment eine Ablösung von Hartmann als Wirtschaftsminister kein Thema; schon gar nicht komme ein Wechsel von Volker Giersch, des Hauptgeschäftsführers der Industrie- und Handelskammer (IHK), auf den Ministersessel in Frage. "Das wäre nicht einmal denkbar, wenn Wirtschaftsminister Hartmann heute tot vom Baum fiele", sagte einer.

Zugleich war zu erfahren, dass Hinschberger sich einen Verzicht auf das Amt des Fraktionschefs vorstellen könnte, wenn die Fraktion vor neue Tatsachen gestellt würde. Dass also Hartmann auf sein Landtagsmandat verzichten würde, wodurch ein Nachrücker die Neuwahl eines Fraktionschefs erfordern würde. Oder dass der FDP-Landesvorsitzende bei einem Verzicht auf das Ministeramt die Zügel in der Fraktion selbst wieder in die Hand nehmen wollte.

Die Krise um die FDP-Spitze war entstanden, nachdem Hinschberger im Sommer den Vorstand der liberalen Stiftung Villa Lessing angezeigt hatte. Von dieser Anzeige waren auch der Ehrenvorsitzende der FDP Saar, Werner Klumpp, sowie der frühere Landesvorsitzende und Wirtschaftsminister Horst Rehberger betroffen. Ihnen warf Hinschberger mit seiner Anzeige Veruntreuung von Stiftungsgeldern und Betrug bei Abrechnungen vor. Vorstand und Kuratorium der Stiftung hatten die Vorwürfe "unhaltbar" genannt, sie entbehrten jeder Grundlage. Daraufhin verlangte Klumpp sogar den Parteiausschluss des Fraktionschefs. Darauf allerdings wollte sich der FDP-Landesvorstand bei einer Krisensitzung am 20. Oktober nicht einlassen.

Einstimmig wurde das Begehren abgelehnt. Inzwischen greift Klumpp nun auch den FDP-Landesvorsitzenden Christoph Hartmann an, dem er als Mitglied "der so genannten Führung" Entscheidungsschwäche vorwirft. Aufgabe des Parteichefs sei es, Entscheidungen zu treffen, nicht nur zu moderieren, so Klumpp. Landstuhl. Nicht nur mit Problemen hat FDP-Fraktionschef Horst Hinschberger in diesen Tagen zu kämpfen. Letzte Woche war er zur Erholung in sein Jagdrevier in die Pfalz nach Hauptstuhl gefahren, wo er einem orientierungslosen Mann das Leben rettete. Und das kam so: Zunächst hatte ein grippaler Infekt den Fraktionschef aufs Krankenlager geworfen. Um in Ruhe wieder durchzuatmen, fuhr Hinschberger nach Hauptstuhl. An seiner Seite dabei: Der viereinhalbjährige Vorstehhund Anka. Auf das Tier ist der Ex-FCS-Präsident besonders stolz. Anka entdeckte bei dem Waldspaziergang abseits der Wege im Laub einen am Boden liegenden Mann und führte ihr Herrchen brav zu der hilflosen Person. Hinschberger alarmierte per Handy die Rettungskräfte. Die Polizei hatte den stark unterkühlten Mann, der von einem Seniorenheim vermisst wurde, trotz eines Großaufgebots nicht gefunden. mju

Kein Signal zur Befreiung

Von SZ-Redakteur

Gerhard Franz

So werden die saarländischen Liberalen nicht aus dem Morast herauskommen - wenn sie Entscheidungen immer weiter vertagen und neue Diskussionsforen eröffnen. Kürzlich hat der Landesvorstand nur gesagt, was er nicht will, und das einstimmig. Nämlich den Fraktionschef Horst Hinschberger aus der Partei auszuschließen. Jetzt hat die Fraktion sich auch nicht zu einer klaren Meinung durchgerungen. Nun will man auf einer Tour durch mehrere Regionalkonferenzen den Willen der Basis erfragen. Damit erlangt man womöglich ein Meinungsbild, aber man eröffnet zugleich für Wochen einen parteiinternen Debattierclub, der mit vielleicht kontraproduktiven Vorschlägen dem liberalen Erscheinungsbild noch weiter schadet. Ein Befreiungsschlag sieht anders aus.

 Horst Hinschberger mit seinem Hund Anka. Foto: Privat

Horst Hinschberger mit seinem Hund Anka. Foto: Privat

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort