„Jetzt brauche ich noch Ihre Kontonummer“

Völklingen · Ein günstiger Stromtarif? Dem Anrufer, der ihr das anbot, hörte eine 80-jährige Völklingerin erstmal zu. Doch als er ihre Bankdaten wissen wollte, war Schluss: Die alte Dame informierte Polizei und Stadtwerke.

"Ich komme gerade von den Stadtwerken", sagt die rüstige ältere Dame, die eben in der SZ-Redaktion hereingeschneit ist. Anneliese Meyer (Name geändert, die Red.) will sich nicht etwa beschweren über den Völklinger Energieversorger. Sondern erzählen, wie der Anruf eines Unbekannten bei ihr die Alarmglocken schrillen ließ.

Ihre Geschichte beginnt mit der Jahresrechnung der Stadtwerke, die jüngst bei ihr einging. Der Betrag war höher als sonst. Deshalb, berichtet die 80-Jährige, die auf dem Heidstock lebt, habe sie bei den Stadtwerken angerufen und um genauere Auskunft gebeten. Ein persönliches Gespräch war verabredet, aber noch nicht terminiert - bei den Stadtwerken sei derzeit viel zu tun, sagt Anneliese Meyer verständnisvoll -, als bei ihr das Telefon klingelte. Der Anrufer habe ihren Vornamen, ihre Adresse und ihr Geburtsdatum gekannt, berichtet sie, und habe ihr einen günstigeren Stromtarif angeboten. So habe sie angenommen, dass er Stadtwerke-Mitarbeiter sei.

Stutzig wurde sie, als der Anrufer ihre Kontonummer wissen wollte. Angeblich wegen einer Rückerstattung. "Nein", sagt sie, "meine Kontonummer hat er nicht bekommen!" Die Stadtwerke hätten die ja sowieso. Dann fiel ihr auf, dass der Anruf gar nicht aus Völklingen kam: Ihr Telefon zeigte eine Münchner Vorwahl an. Sie notierte die Nummer, ließ sich den Namen ihres Gesprächspartners buchstabieren, forderte ihn auf, ihr sein Angebot per Brief zu unterbreiten - und ging dann zur Polizei und zu den Stadtwerken. "Was will der mit meiner Kontonummer?", empört sie sich.

"Kein vernünftiger Energieversorger würde telefonisch Bankdaten abfragen", sagt Thomas Nowack dazu, Abteilungsleiter Kundenbetreuung bei den Völklinger Stadtwerken, "nie!", mit unüberhörbarem Ausrufezeichen. "Bei uns ist es sogar tabu, solche Daten am Telefon auch nur anzunehmen" - wolle ein Kunde sein Konto telefonisch durchgeben, werde er gebeten, das bitte schriftlich zu tun. Dubiose Anrufe wie bei Anneliese Meyer gebe es öfter, "mehrmals im Jahr melden sich Kunden deshalb bei uns". Sein dringlicher Rat vor allem an Senioren: Niemals am Telefon persönliche Daten herausgeben.

Das sagt auch Hermann-Josef Flesch, Kriminaldienst-Leiter bei der Völklinger Polizei. Gerade Ältere seien oft Ziel von Betrügern, die das Internet oder das Telefon als Werkzeug gewählt haben. "Aber die Masche mit dem Stromtarif ist mir neu", fügt er hinzu. Häufiger werde Leuten vorgegaukelt, sie hätten einen großen Gewinn gemacht und müssten, um den einzustreichen, erstmal Geld bezahlen. Flesch berichtet von einem Fall, in dem einem Mann auf diese Art 36 000 Euro aus der Tasche gezogen wurden. "Diese Leute sind nicht seriös", sagt Flesch über solche Anrufer. Den Angerufenen empfiehlt er, mindestens einen Rückruf zu vereinbaren. Dubiose Anrufe kämen häufig aus dem Ausland, was aber durch vorgeschaltete Nummern verschleiert werde: "München haben wir da oft."

Dass Bankkonten direkt angegangen würden, sei selten, sagt Flesch. Wohl aber komme es vor, dass Betrüger mit fremden Kontodaten, also auf andererleuts Kosten, einkaufen, im Versandhandel etwa. Doch im Vorfeld könne die Polizei wenig tun: "Wir haben bei der Staatsanwaltschaft angefragt. Die sieht solche Anrufe als Vorbereitungshandlungen, die selber nicht strafbar sind."

Vorsichtig sein, nichts glauben, nichts preisgeben: So, sagt Flesch, könnten sich ältere Menschen am besten vor Ungemach, Verlusten und Leid schützen. Anneliese Meyer, die hellwache 80-Jährige, hat alles richtig gemacht.

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HintergrundKriminalität per Internet und Telefon nimmt zu. Drei der 20 Kriminalpolizisten, die Völklingen, Bous und den Warndt betreuen, seien ausschließlich mit solchen Fällen befasst, sagt der Völklinger Kriminaldienst-Leiter Hermann-Josef Flesch. Netz-Betrüger, berichtet er, säßen oft im Ausland. Die Strafverfolgung sei infolgedessen schwierig. Auch weil es meist nur um Beträge bis 100, 150 Euro gehe, eine "Schmerzgrenze", bis zu der die Opfer noch zahlten; so bleibe der einzelne Fall dann unter dem Schadens-Limit, das manche Staaten gezogen hätten für grenzüberschreitende Polizei-Kooperation. dd

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