Jeder zweite Patient spricht auf Scheinmedikamente an

Saarbrücken. Bei Kindern ist der Placebo-Effekt extrem. Kein Wunder, denn ihr Vertrauen in die Fähigkeiten der Eltern ist unerschütterlich. Bei Erwachsenen ist nicht jeder empfänglich für den Placebo-Effekt. Dr. Ulrike Bingel, Schmerzforscherin der Uni Hamburg, schätzt, dass Placebos jedem zweiten Patienten helfen können

Saarbrücken. Bei Kindern ist der Placebo-Effekt extrem. Kein Wunder, denn ihr Vertrauen in die Fähigkeiten der Eltern ist unerschütterlich. Bei Erwachsenen ist nicht jeder empfänglich für den Placebo-Effekt. Dr. Ulrike Bingel, Schmerzforscherin der Uni Hamburg, schätzt, dass Placebos jedem zweiten Patienten helfen können. "Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Psyche dabei eine wesentliche Rolle spielt", erklärt der Essener Placebo-Forscher Manfred Schedlowski. Er sucht Faktoren, die helfen, vorherzusagen, ob und wie stark eine Person auf Scheinmedikamente anspricht. Warum wirken Placebos überhaupt? Immerhin ist der Effekt vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. "Die Heilkunst von Schamanen und Zauberern basierte auf dem Placebo-Effekt und zeigte in vielen Fällen Wirkung", berichtet der Essener Experte. Wer auf rituelle Beschwörungsformeln und Heilrituale ansprach, überlebte schwere Krankheiten besser und bekam mehr Nachkommen - Kinder, die ihrerseits wiederum auf Placebos ansprachen. Vermutlich hat sich so die Empfänglichkeit für heilsame Suggestionen nach und nach ins Erbgut eingraviert. Ob und wie stark Scheinmedikamente wirken, hängt aber nicht nur von der jeweiligen Person, sondern auch von der Art des Leidens ab. Dänische Wissenschaftler haben jüngst nach strengen Kriterien die aktuelle Studienlage gesichtet und kommen zu dem Schluss, dass die Kraft des Glaubens nachweislich Schmerzen, Übelkeit, Asthma und krankhafte Furcht lindert. Gegen Rauchen, Demenz, Depressionen, Übergewicht, Bluthochdruck, Schlaf- und Angststörungen hingegen können Scheinmedikamente nur wenig ausrichten. Über den Placebo-Effekt bei der Behandlung von Krebskrankheiten ist wenig bekannt - das liegt auch daran, dass ethische Gründe den Einsatz von Placebos bei lebensbedrohlichen Erkrankungen verbieten. bid

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