ZDF-Magazin Royale Hasskommentare im Internet: Auch die saarländische Polizei schneidet im Böhmermann-Check nicht gut ab

Update | Saarbrücken/Köln · Wie reagieren Polizeidienststellen auf strafrechtlich relevante Hassbotschaften im Netz? Das ZDF-Magazin Royale ist der Frage nachgegangen. Die saarländische Polizei schneidet eher mittelprächtig ab, steht aber nicht so schlimm da wie manch anderen Bundesländer, wo die Aktion nun sogar Folgen für einige Beamte haben könnte.

 Während saarländische Polizeibeamte im „ZDF Magazin Royale“ von Moderator Jan Böhmermann harmlosen Spott für Pausengespräche über Frühlingsrollen erntet, kommen die Polizeiwachen in anderen Ländern wesentlich schlechter weg.

Während saarländische Polizeibeamte im „ZDF Magazin Royale“ von Moderator Jan Böhmermann harmlosen Spott für Pausengespräche über Frühlingsrollen erntet, kommen die Polizeiwachen in anderen Ländern wesentlich schlechter weg.

Foto: ZDF/ZDF Magazin Royale

Mit intensiven Recherchen und besonderen Aktionen will Jan Böhmermann in seiner Satire-Sendung ZDF-Magazin Royale immer wieder auf Missstände aufmerksam machen – und sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Zuletzt hat Anfang Mai Influencer Fynn Kliemann wegen fragwürdiger Schutzmasken-Deals dran glauben müssen. Am vergangenen Freitag, 27. Mai, war ein Beschuldigter von ganz anderem Kaliber an der Reihe: die deutsche Polizei. Der wirft das Böhmermann-Team vor, strafrechtlich relevante Hetzkommentare im Internet gar nicht oder nur unzulänglich zu verfolgen.

Morddrohung, Antisemitismus, Hakenkreuz: auch im Internet strafrechtlich relevant

Die Redaktion hinter Moderator Böhmermann hatte im vergangenen Sommer sieben offensichtlich strafrechtlich relevante Hassbotschaften bei Polizeidienststellen in allen 16 Bundesländern angezeigt. In der Sendung am vergangenen Freitag schilderte Böhmermann dann den meist schleppenden Ermittlungsverlauf. Angezeigt wurden Morddrohungen ebenso wie antisemitische Inhalte und verfassungsfeindliche Symbole, die das Team auf Facebook, Twitter und Telegram gefunden hatte. In einigen Bundesländern waren die Anzeigen erst gar nicht angenommen worden.

16 Korrespondentinnen und Korrespondenten gingen am 3. August 2021 um 17 Uhr mit den sieben ausgedruckten Hasskommentaren zu ihrer örtlichen Polizeistation, um sie zur Anzeige zu bringen, ohne die ZDF-Recherche zu erwähnen. Das Team dokumentierte den ersten Besuch bei und den anschließenden Schriftverkehr mit den Polizeien genau, um deren Arbeit beurteilen zu können. Da die Kommunikation jedoch zu wünschen übrig ließ, fragte die Redaktion im April und Mai 2022 die Polizeiwachen offiziell an.

Saarländische Polizei erntet Spott für Frühlingsrollen-Diskussion vor der Wache in Saarbrücken

Auch die Polizeiwache am Ludwigsplatz in Saarbrücken betrat am 3. August eine Korrespondentin mit den ausgedruckten Kommentaren. Ein süffisantes Grinsen kann Böhmermann sich in der Sendung nicht verkneifen, als er einen Auszug aus dem Gedächtnisprotokoll der Korrespondentin vorstellt, laut der Beamte vor der Tür der Wache darüber sprachen, „wer in der letzten Pause wie viele Frühlingsrollen gegessen hatte“ – eine Polizistin habe etwa acht bis zehn Stück gegessen.

Interne Ermittlungen gegen Polizeibeamte

Doch während die saarländische Polizei harmloses Gespött für Pausengespräche erntet, sieht es in anderen Bundesländern schlimmer aus: In einigen Behörden haben die ZDF-Recherchen ernste Folgen für Beamte. In Bremen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Polizeibeamten wegen des Verdachts der Strafvereitelung, da er die Anzeige zwar aufgenommen habe, sie aber erst zwei Monate später auf Nachfrage der Anzeigenden im System erfasst habe. Auch in Sachsen-Anhalt wurden interne Ermittlungen ausgelöst, weil ein Polizist die Korrespondentin laut ZDF-Magazin Royale abgewiesen und die Anzeigen gar nicht erst aufgenommen haben soll. Seit „Bekanntwerden der konkreten Vorwürfe in der letzten Woche“ werde gegen einen Beamten des Polizeireviers wegen des Verdachts der Strafvereitelung ermittelt, teilte die Polizeiinspektion Magdeburg am Samstag der Nachrichtenagentur dpa mit. „Nach bisherigen Erkenntnissen ist hier die Entgegennahme einer Strafanzeige seinerzeit unterblieben.“ Der Sachverhalt werde gründlich und umfassend untersucht.

Korrespondentin verließ Saarbrücker Polizeiwache „mit dem Gefühl, ernst genommen worden zu sein“

Genauere Ergebnisse des Experiments in allen 16 Bundesländern stellt das ZDF-Magazin Royale online unter tatütata.fail zur Verfügung. Das Saarland lässt sich hier anscheinend im direkten Vergleich mit den anderen Bundesländern ungefähr im besseren Mittelfeld verorten. Das liegt allerdings nicht an besonders guter Arbeit, sondern an der Erfüllung von Mindestanforderungen wie „Bewusstsein für Strafbarkeit“ oder dass eine direkte Datei-Übermittlung an die Online-Wache möglich ist. Nach kurzer Beratung mit Kollegen habe eine Polizistin gesagt: „Das sind eindeutig verfassungswidrige Symbole und entsprechend strafbar.“

Die Aufnahme der Anzeigen lief dann anscheinend zwar mit viel gutem Willen, aber wenig Routine ab. (Bezeichnenderweise ist der Eintrag zum Saarland betitelt mit dem Zitat: „Ich kenne mich da auch nicht so gut aus.“) Aber: Die Korrespondentin verließ die Wache am Ludwigsplatz „mit dem Gefühl, ernst genommen worden zu sein“ – und das war leider nicht in allen Bundesländern so.

Das saarländische Innenministerium meldete sich zu dem Beitrag am Montag und erklärte, dass Hass und Hetze im Saarland seit Anfang dieses Jahres direkt über die Onlinewache des Landespolizeipräsidiums angezeigt werden können. Über entsprechende Eingabemasken könnten Kommentare „einfach und unkompliziert“ gemeldet werden, teilte das Innenministerium des Saarlandes am Montag in Saarbrücken mit. Beim Eingeben würden alle für die Ermittlungen notwendigen Angaben abgefragt. Dabei bestehe auch die Möglichkeit, Dokumente bis zu einer Dateigröße von fünf MB hochzuladen. Die Möglichkeit der Anzeige über die Onlinewache sei mit der Landesmedienanstalt Saarland eingerichtet worden.

Saarländische Polizei konnte Täter nicht ermitteln, der bereits verurteilt ist

Greifbare Ermittlungsergebnisse bleiben dennoch größtenteils aus. Laut ZDF-Magazin Royale antwortete das Landespolizeipräsidium des Saarlandes im April auf die ZDF-Anfrage, dass die angezeigten Hasskommentare nach einer „ersten polizeilichen Bewertung“ an den Polizeilichen Staatsschutz weitergeleitet worden seien. Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Saarbrücken habe diese Aussage bestätigt. In einer in der Sendung zitierten E-Mail heißt es, dass im Fall eines Telegram-Posts mit Hakenkreuz und SS-Wahlspruch „keine Beschuldigten ermittelt werden“ konnten. Aus Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen kam jedoch die Information, dass in diesem Fall bereits ein Täter verurteilt wurde.

Bei den drei Twitter-Posts wurden die Ermittlungen ebenfalls eingestellt, da kein Tatverdächtiger gefunden werden konnte. Hier sieht es in anderen Bundesländern aber auch nicht besser aus: Lediglich die niedersächsische Polizei konnte feststellen, dass der Tatverdächtige eins Falls sich in Österreich befindet.

Böhmermann: „Die deutsche Polizei kann nichts im Internet.“

Bei den drei Facebook-Posts wurden Tatverdächtige ermittelt und die Fälle an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet. In zwei Fällen wurden die Ermittlungen eingestellt, da „erhebliche Zweifel an der Schuldfähigkeit“ bestehen, beziehungsweise kein Straftatbestand nachgewiesen wurde. Nur im Fall eines Posts, in dem es (wortwörtlich) heißt, „Türken gehören auf die streckband“ kam aus dem Saarland wie aus sechs anderen Bundesländern die Information, dass ein Tatverdächtiger angeklagt worden sei. Dafür gibt es von Böhmermann jedoch keine Anerkennung, da dieser Verdächtige seinen Beitrag unter Klarnamen abgesetzt hat, unter dem er auch Selfies postet. Das hätte die Redaktion „in einer sehr aufwändigen, 30-sekündigen Investigativ-Recherche bei Facebook herausgefunden“, erklärt der Moderator im ZDF-Magazin Royale. Er kommt zum Schluss: „Ich habe den begründeten Verdacht, die deutsche Polizei kann nichts im Internet.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort