Jahresrückblick Landespolitik Paukenschläge und Premieren

Die beiden höchsten politischen Ämter des Landes wurden 2018 neu besetzt – und das war noch nicht alles

 Kurz nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten bezieht Tobias Hans (rechts) am 1. März sein neues Büro in der Staatskanzlei. Links neben ihm seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die ihr Amt aufgab und nach Berlin wechselte, und Staatskanzlei-Chef Jürgen Lennartz.

Kurz nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten bezieht Tobias Hans (rechts) am 1. März sein neues Büro in der Staatskanzlei. Links neben ihm seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die ihr Amt aufgab und nach Berlin wechselte, und Staatskanzlei-Chef Jürgen Lennartz.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Das wichtigste landespolitische Ereignis des Jahres 2018 findet an einem kalten Februartag im Büro von Annegret Kramp-Karrenbauer statt. Nicht einmal ein Jahr ist seit der gewonnenen Landtagswahl vergangen, als die Ministerpräsidentin CDU-Fraktionschef Tobias Hans und Finanzminister Stephan Toscani zu sich in die Staatskanzlei bestellt, um ihnen zu eröffnen, was bislang nur Kanzlerin Angela Merkel weiß: dass sie, AKK, ihr Amt als Saar-Regierungschefin aufgeben und nach Berlin wechseln wird – nicht als Bundesministerin, wie es allgemein erwartet worden war, sondern als CDU-Generalsekretärin. Ein Paukenschlag und eine Premiere: Noch nie hat ein Ministerpräsident sein öffentliches Amt freiwillig aufgegeben, um ein Parteiamt zu übernehmen.

Kramp-Karrenbauer wird später sagen, das Dreier-Treffen in der Staatskanzlei sei „ein ganz außergewöhnlicher Moment“ gewesen, „einer der unvergessenen Momente in meinem politischen Leben“. Denn die Runde entscheidet am Ende einvernehmlich, ohne Machtkampf und „ohne Drama von shakespeareschem Ausmaß“, wie Kramp-Karrenbauer sagt, dass der junge Fraktionschef Hans neuer Regierungschef werden soll – eine faustdicke Überraschung. Auch der Koalitionspartner SPD hatte den 40-Jährigen aus Neunkirchen-Münchwies nicht auf der Rechnung.

  Klaus Meiser musste im Februar wegen seiner Verstrickung in die Finanzaffäre beim LSVS als Landtagspräsident zurücktreten und gab im Dezember auch sein Parlamentsmandat ab. Ab Februar 2019 steht er vor Gericht.  

Klaus Meiser musste im Februar wegen seiner Verstrickung in die Finanzaffäre beim LSVS als Landtagspräsident zurücktreten und gab im Dezember auch sein Parlamentsmandat ab. Ab Februar 2019 steht er vor Gericht.  

Foto: Andreas Schlichter

Von Hans, der in dem entscheidenden Sechs-Augen-Gespräch mehr Ehrgeiz, Machthunger und Biss zeigte als der seriöse und loyale, aber immer etwas zögerliche Toscani, verspricht sich die CDU bessere Siegchancen bei der Landtagswahl 2022. Und so wird Hans am 1. März der elfte und bislang jüngste Ministerpräsident in der Geschichte des Saarlandes. Die Zusammenarbeit mit der SPD rumpelt anfangs, weil sich Hans zunächst profilieren will und die SPD, die nach dem Abschied der populären Regierungschefin neue Chancen wittert, spielt sich aber mit der Zeit ein.

Ein halbes Jahr später, am 19. Oktober, übernimmt Hans auch den Vorsitz der Saar-CDU. Kramp-Karrenbauer bereiten die Delegierten einen emotionalen Abschied, bei dem sie nicht vergisst, „zuallererst“ demjenigen zu danken, ohne den sie nach dem Knall in der Jamaika-Koalition 2012 nicht Regierungschefin geblieben wäre: dem damaligen SPD-Landeschef Heiko Maas. „Wo rechnerisch auch eine andere Koalition möglich gewesen wäre, hat er (nach der Landtagswahl 2012) zu seinem Wort gestanden“, lobt Kramp-Karrenbauer Maas. Kanzlerin Angela Merkel bezeichnet den Wechsel an der CDU-Landesspitze als „historischen Einschnitt in der Geschichte der CDU Saar“. Damals glaubte sie aber wohl noch nicht, dass Kramp-Karrenbauer schon am 7. Dezember Vorsitzende der CDU Deutschlands wird – die erste Saarländerin in diesem Amt, wieder eine Premiere.

Historisches tut sich auch bei den Sozialdemokraten: Die Saar-SPD wählt am 12. März erstmals in ihrer 115 Jahre langen Geschichte eine Frau an die Spitze: Anke Rehlinger, seit 2012 Landesministerin, löst Heiko Maas ab, der die Saar-SPD so lange führte wie Angela Merkel die Bundes-CDU, nämlich 18 Jahre, eine gefühlte Ewigkeit. Rehlinger, die bei der Landtagswahl 2022 sicherlich Hans herausfordern wird, hat Großes vor: Sie will den schrumpfenden und überalterten Landesverband zur Mitmachpartei wandeln, erstmals sollen auch Nichtmitglieder eingebunden werden – und natürlich will sie ihre Partei 2022 wieder zur stärksten Partei machen. Allerdings ist der Gegenwind aus Berlin gewaltig.

Maas, befreit von den Niederungen der Landespolitik, wird in Berlin häufiger wieder Kramp-Karrenbauer begegnen, was ihm sicherlich mehr Freude bereiten wird, als sich mit manchem Amtskollegen abzugeben. Maas ist in der 69-jährigen Geschichte der Bundesrepublik der erste Außenminister mit saarländischen Wurzeln. Und das im ersten Bundeskabinett, dem mit Maas und Peter Altmaier gleich zwei Saarländer angehören.

Eine Premiere in der Landesgeschichte, allerdings eine ziemlich unrühmliche, war auch, was der saarländische Landtag mit seinem Präsidenten erlebte. Das Drama, das Klaus Meiser schließlich das Amt kostete, begann Ende 2017. Zwei Dinge kamen zusammen: ein Staatsanwalt, der im Zuge der Finanzaffäre beim Landessportverband (LSVS) jeden Stein zwei Mal umdrehte und dabei gleich mehrere Ungereimtheiten entdeckte – und die dadurch einsetzende Diskussion über die vielen Nebentätigkeiten und Aufsichtsratsmandate Meisers. Sie gipfelte darin, dass der Landtag schärfere Regeln für die Veröffentlichung von Nebeneinkünften beschloss und vorschrieb, dass das Landtagsmandat im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten stehen muss (was aus verfassungsrechtlichen Gründen bei Verstößen aber keine rechtlichen Folgen hat).

SPD-Mann Eugen Roth, der ebenfalls im LSVS-Präsidium saß, entschuldigte sich dafür, „nicht ausreichend Ungereimtheiten und Unzulänglichkeiten beim LSVS erkannt oder unbegründeten Vorschlägen nicht widersprochen zu haben“ – und kam mit einem Strafbefehl davon. Auf Meiser aber, der am 12. Februar als Landtagspräsident zurücktrat und, nach mehreren Untreue-Anklagen, am 5. Dezember auch sein Landtagsmandat abgab, wartet nun ein Prozess vor dem Landgericht, der Ende Februar 2019 beginnen wird.

Nach Meisers Rücktritt rückte Finanzminister Toscani auf den Posten des Landtagspräsidenten auf, auch das eine dicke Überraschung. Auch wenn es mit dem Ministerpräsidenten-Amt nichts wurde: Jetzt ist er immerhin protokollarisch erster Mann im Land. Was ihn jedoch daran hinderte, die Früchte seiner Arbeit als Finanzminister zu ernten, denn 2019 und 2020 wird das Land erstmals seit 20 Jahren nicht nur ohne neue Schulden auskommen, sondern auch damit beginnen, den gewaltigen Schuldenberg von 14 Milliarden Euro ganz allmählich abzutragen.

So war es Toscanis Nachfolger Peter Strobel vorbehalten zu verkünden, was auch Toscani sicher noch gerne getan hätte: „Die Jahrzehnte der extremen Haushaltsnotlage sind vorbei!“ Der neue Bund-Länder-Finanzausgleich bringt ab 2020 deutliche Verbesserungen für das Land, weshalb Strobel das Jahr als „der Beginn einer neuen Zeitrechnung“ sieht. CDU und SPD wollen dann ein „Jahrzehnt der Investitionen“ starten, was angesichts eines gewaltigen Sanierungsstaus bei der Infrastruktur im Land höchst dringlich erscheint. Die Mittel für Investitionen steigen in den nächsten beiden Jahren um rund 24 Prozent. Um das Geld zu verbauen, müssen hastig Ingenieure und Techniker eingestellt werden, die auf dem Arbeitsmarkt aber nicht so einfach zu bekommen sind. Das wirft ein Schlaglicht auf die Schattenseiten des Sparkurses: Der öffentliche Dienst ist als Arbeitgeber nur noch mäßig attraktiv.

Und noch etwas war, jedenfalls aus Sicht der großen Koalition, historisch in diesem Jahr: die Einigung am 10. November, den Städten und Gemeinden knapp die Hälfte ihrer Kassenkredite von mehr als zwei Milliarden Euro abzunehmen. Das sei die größte Teilentschuldung, die es im Saarland jemals gegeben habe, betonen die Koalitionäre unwidersprochen. Auch die Bürgermeister sehen nun etwas optimistischer in die Zukunft ihrer Kommunen.

Was kommt 2019? Eine Reform der kommunalen Verwaltungsstrukturen, bei der es nach den bisherigen Signalen eher unwahrscheinlich ist, dass man sie später einmal als historisch bewerten wird. Und eine EU-Wahl, nach der das Saarland zum ersten Mal überhaupt vielleicht keinen einzigen Abgeordneten mehr nach Brüssel entsenden kann. Das allerdings wäre zweifelsfrei historisch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort