Neue Studie Ist Saarbrücken Europas Drogen-Hauptstadt?

Saarbrücken · Die Landeshauptstadt liegt bei einer Untersuchung zu Amphetamin-Konsum auf Platz eins. Der Sicherheitsdezernent kritisiert die Studie.

 Der Konsum von Aufputschmitteln hat sich in Saarbrücken binnen eines Jahres erhöht, so das Ergebnis einer neuen Untersuchung der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht.

Der Konsum von Aufputschmitteln hat sich in Saarbrücken binnen eines Jahres erhöht, so das Ergebnis einer neuen Untersuchung der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht.

Foto: picture alliance / dpa/Thomas Lehmann

Nach der jüngsten Wasserstudie der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht hat sich der Konsum von Amphetaminen (Aufputschmitteln) in Saarbrücken binnen eines Jahres erhöht. Dabei kontrollierten die Experten, wie stark die Abwässer mit entsprechenden Rückständen belastet sind. Dann zogen sie im Vergleich zur Einwohnerzahl Rückschlüsse auf den Konsum. Auf 1000 Personen kam demnach pro Tag ein Amphetamin-Konsum von rund 407 Milligramm (ein Jahr zuvor waren es 242 Milligramm). Warum so viele Amphetamin-Rückstände in Saarbrücker Abwässer gelangen, darüber gibt die Studie keine Auskunft.

Bereits 2018 nahm die saarländische Landeshauptstadt im Europavergleich auf dem damals dritten Rang eine Spitzenposition ein. Innerhalb eines Jahres rückte die Stadt sogar auf den unrühmlichen ersten Platz vor. Dahinter folgen mit Abstand die isländische Hauptstadt Reykjavik und Oslo (Norwegen). Die nächsten deutschen Städte sind im Europavergleich Dortmund auf dem zehnten Platz sowie Berlin auf dem elften.

Schon im Vorjahr hatte Stephan Kolling (CDU) als Drogenbeauftragter der saarländischen Landesregierung das Ergebnis als „erschreckend“ gewertet und angekündigt, die Suchthilfe neu zu organisieren. Nach der neuerlichen Studie, die Saarbrücken ein noch schlechteres Ergebnis attestiert, kündigt der Staatssekretär im Gesundheitsministerium „Werkstattgespräche mit allen Akteuren“ an, um die Ursachen des Amphetamin-Konsums zu ergründen.

Außerdem soll nach Angaben des Saar-Gesundheitsministeriums im Laufe der kommenden Monate eine eigene Studie veröffentlicht werden. Diese saarländische Untersuchung hatte das Land gemeinsam mit dem Entsorgungsverband Saar (EVS) im Vorjahr bei der Universität Dresden in Auftrag gegeben, um – wie es im Juni 2018 hieß – auszuschließen, dass es sich bei der europäischen Studie um einen „Einmaleffekt“ handelte.

Aus dem Rathaus der Landeshauptstadt kommt unterdessen Kritik an der Europa-Expertise. Der Saarbrücker Sicherheitsdezernent Harald Schindel (Linke) zweifelt an den Ergebnissen. Er nennt sie in einer Pressemitteilung „fragwürdig“. So sei unter anderem nicht berücksichtigt, dass in die beiden Saarbrücker Kläranlagen nicht nur Abwässer „aus Saarbrücker Haushalten, sondern auch aus anderen saarländischen und einigen lothringischen Gemeinden gespeist“ würden. Die Fremdabwässer machten anteilsmäßig 30 Prozent aus.

Unberücksichtigt bleibe zudem, ob Amphetamine in Saarbrücken überdurchschnittlich oft zu medizinischen Zwecken verabreicht werden. Ungeklärt bleibe die Reinheit der Amphetamin-Dosen und damit die Konzentration, die das Wasser belastet. Abweichungen entdeckt Schindel zudem bei der Angabe der Einwohner. So legten die Macher der Studie 203 983 Saarbrücker zugrunde (tatsächlich liegt die Einwohnerzahl bei unter 200 000). Die Zahl der Einwohner, deren Abwässer in die beiden Kläranlagen eingeleitet werden, liege aber bei etwas über 250 000. „Wenn die im Abwasser nachgewiesene Konzentration illegaler Substanzen auf die korrekte Zahl der abwassereinliefernden Personen umgerechnet würde, kämen schon dadurch niedrigere Werte für Saarbrücken heraus“, so Schindel.

Was Schindel besonders aufstößt: Großstädte wie Düsseldorf, Hamburg oder Köln seien gar nicht von der Studie erfasst. Professor Ludwig Kraus, Epidemiologe vom Institut für Therapieforschung (IFT) in München und einer der Ansprechpartner für die Studie in Deutschland, sieht darin kein Problem. Die Absicht der Untersuchung besteht laut Kraus nicht darin, eine Hitliste aller Städte aufzustellen, sondern interessierte Kommunen darauf hinzuweisen, in welchen Bereichen es Probleme gibt. Und in Saarbrücken gebe es sie offenbar bei Amphetaminen. Denn: „Zwei Mal hintereinander hohe Werte – das kann nicht nur Zufall sein.“ Herauszufinden, woran das liege, sei nun vor allem Aufgabe der Politik.

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