Interview Dr. Helmut Isringhaus „Mit einer klugen Reform könnten alle Krankenhäuser im Saarland überleben“

Interview | Saarbrücken · Der Gesundheitsexperte der FDP Saar, Dr. Helmut Isringhaus, fordert eine kluge Krankenhausreform von der Politik. Dann könnten auch kleinere Kliniken im Saarland erhalten bleiben.

 In Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufen sollten bestimmte Bereiche nicht über Fallpauschalen, sondern über Vorhaltepauschalen finanziert werden, unabhängig von der Zahl der Patienten, fordert der saarländische FDP-Politiker Dr. Helmut Isringhaus. Eine Kinderklinik zum Beispiel oder eine Notaufnahme hätten Kosten, die durch ihre reine Existenz und Funktionsfähigkeit entstünden.

In Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufen sollten bestimmte Bereiche nicht über Fallpauschalen, sondern über Vorhaltepauschalen finanziert werden, unabhängig von der Zahl der Patienten, fordert der saarländische FDP-Politiker Dr. Helmut Isringhaus. Eine Kinderklinik zum Beispiel oder eine Notaufnahme hätten Kosten, die durch ihre reine Existenz und Funktionsfähigkeit entstünden.

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Warum unterstützt die FDP Saar den Aufruf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dass die Bundesländer die Investitionskosten der Krankenhäuser komplett übernehmen müssten?

ISRINGHAUS Das entspricht einfach nur der aktuellen Gesetzeslage. Der teilweise schlechte Zustand unserer Krankenhäuser hängt mit dem riesigen Investitionsstau zusammen. Allein im Saarland liegt der Investitionsbedarf der Kliniken pro Jahr bei 80 Millionen Euro, das Land stellt jährlich aber nur 32,5 Millionen Euro an Investitionsfördermitteln bereit. Doch die Bundesländer sind gesetzlich verpflichtet, die kompletten Investitionskosten zu übernehmen. Dennoch haben sich unsere Landesregierungen in der Vergangenheit selbst gefeiert, wenn sie mal wieder eine Klinikinvestition zu 50 Prozent unterstützt haben. Und die Kliniken haben sich artig bedankt und wussten nicht, woher sie den Rest nehmen sollten. Alle saarländischen Gesundheitsminister, zuletzt Bachmann, haben dem Landeshaushalt zugestimmt, der die ungesetzlich geringe Finanzierung zum Inhalt hatte. Ich habe nicht gehört, dass sie protestiert, dagegen gestimmt oder gar mit Rücktritt gedroht hätten. Und der jetzige Minister Jung wird es auch nicht tun.

Warum fordern die Krankenhäuser die vollen Investitionskosten nicht ein?

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ISRINGHAUS Seit vielen Jahren gibt es im Saarland keine Gegenwehr gegen zu geringe Investitionskosten. Dahinter steckt die Furcht, im nächsten Krankenhausplan Nachteile zu erleiden. Das hat dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren mehrere Krankenhäuser geschlossen wurden, weil die Träger aus wirtschaftlichen Erwägungen selbst die Reißleine gezogen haben. Die Politik bringt nicht den Mut zu Reformen auf. Gesundheitsministerin Bachmann hatte klar gesagt, kein Krankenhaus schließen zu wollen, damit alle zufrieden sind. Und Minister Jung wird es wohl nicht anders halten. Ich halte es aber für möglich, dass mit einer klugen Reform alle Häuser im Saarland überleben könnten, wenn auch nicht alle mit dem bisherigen Spektrum und in der bisherigen Größe.

Das Evangelische Stadtkrankenhaus Saarbrücken wurde gerade geschlossen, die Schließung des Dudweiler Krankenhauses ist angekündigt, für das hoch defizitäre Krankenhaus in Neunkirchen findet sich kein Käufer. Setzt sich das Krankenhaus-Sterben im Saarland fort?

 Dr. Helmut Isringhaus ist gesundheitspolitischer Sprecher der FDP Saar.

Dr. Helmut Isringhaus ist gesundheitspolitischer Sprecher der FDP Saar.

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ISRINGHAUS Ich bin da nicht völlig pessimistisch. Wenn einige der Vorschläge, die die von Minister Lauterbach eingesetzte Expertenkommission zur Neustrukturierung der deutschen Krankenhauslandschaft jüngst vorgestellt hat, schnell umgesetzt werden, haben auch die kleineren saarländischen Kliniken eine Chance und können erhalten werden. In fünf Jahren, fürchte ich, ist es allerdings zu spät. Fast alle kleineren Häuser sind derzeit im Hamsterrad der Fallpauschalen gefangen und stecken in finanziellen Schwierigkeiten.

Welche Vorschläge der Expertenkommission erscheinen Ihnen denn sinnvoll?

ISRINGHAUS Die Idee, dass jedes Krankenhaus strikt einer bestimmten Versorgungsstufe, einem sogenannten Level, zugeordnet wird, kann verhindern, dass eng benachbarte Häuser die gleichen medizinischen Leistungen anbieten. Sonst konkurrieren sie miteinander, was schnell zu einer Überversorgung führt, ohne dass ein wirtschaftlicher Betrieb garantiert ist. Werden die Krankenhäuser jedoch nach einer genauen Prüfung des Versorgungsbedarfs entweder der Grundversorgung, der Schwerpunktversorgung mit erweiterten Leistungen oder der Maximalversorgung zugeordnet, können Doppelstrukturen verhindert werden.

Wie könnte das im Saarland aussehen?

ISRINGHAUS Wenn kleinere Krankenhäuser dem untersten Level zugeordnet werden, ist eine wohnortnahe Grundversorgung weiterhin flächendeckend garantiert. In Häusern dieser Stufe soll der Anteil der ambulanten Behandlungen deutlich ausgebaut werden. Dadurch müssen weniger Patienten stationär versorgt werden, was auch Personal und Kosten spart. Vor allem aber kann erreicht werden, dass Patienten in diesen intersektoralen Gesundheitszentren qualitativ besser versorgt werden als in einem schließungsgefährdeten konventionellen Krankenhaus.

Eine solche Lösung hatten Sie fürs jetzt geschlossene Evangelische Krankenhaus in Saarbrücken vorgeschlagen.

ISRINGHAUS Da hatte ich eine noch schlankere Variante im Sinn, ein fachübergreifendes Medizinisches Versorgungszentrum. Hier würden Ärzte verschiedener Fachrichtungen praktizieren und ambulant operieren. Wenn überhaupt, stünden nur noch wenige stationäre Betten zur Verfügung. Ein solches Versorgungszentrum muss auch nicht unbedingt von einem Krankenhausträger betrieben werden. Da kommen auch die Ärzte selbst in Frage.

In Wadern, wo 2017 das Krankenhaus geschlossen wurde, ist jetzt ein ähnliches Konzept im Gespräch, ein sektorenübergreifendes Versorgungsmodell. Erscheint Ihnen das sinnvoll?

ISRINGHAUS Durchaus, denn dahinter steckt eine Mischung aus vorwiegend ambulanter Versorgung, einer Tagesklinik, also einer teilstationären Versorgung, und wenigen stationären Betten. Eine wohnortnahe medizinische Grundversorgung wäre damit sichergestellt. Allerdings ist noch nicht geklärt, wie diese sektorenübergreifenden Behandlungen bezahlt werden sollen. Ambulante Eingriffe bringen derzeit weniger Geld als stationäre. Mit einer überwiegend ambulanten Versorgung würde sich das Modell Wadern zum jetzigen Zeitpunkt nicht rechnen. Teil der Krankenhausreform muss also ein neuer Abrechnungsmodus sein.

Die Lauterbach-Kommission will für Kliniken der Schwerpunktversorgung, also mit erweitertem medizinischem Angebot, die Fallpauschalen grundsätzlich beibehalten. Wie sehen Sie das?

ISRINGHAUS Von der Grundidee sind Fallpauschalen ein sinnvolles und ausgereiftes Abrechnungssystem. Allerdings ist es nicht richtig ausbalanciert. Mit einigen Pauschalen, zum Beispiel Knie-Implantaten, lässt sich gut verdienen, mit anderen wie Geburten und Kindermedizin in der Regel jedoch nicht. Daher bieten viele Kliniken Therapien mit lukrativen Fallpauschalen an, um sich wirtschaftlich über Wasser halten zu können. Krankenhäuser der höheren Versorgungsstufen sollten daher bestimmte Bereiche über Vorhaltepauschalen finanzieren können. Eine Kinderklinik zum Beispiel oder eine Notaufnahme hat Kosten, die durch ihre reine Existenz und Funktionsfähigkeit entstehen und unabhängig von der Fallzahl sind. Durch diese Vorhaltepauschalen bekämen sie einen festgesetzten Betrag unabhängig von der Zahl der Patienten, wenn sie für komplexe und seltene Krankheitsfälle ausreichend Personal und medizinische Geräte vorhalten.

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