Intimpflege publik: Zeiten ändern sich

Theas Mama hatte ein einschneidendes Erlebnis. Fast traumatisches. Vor Jahren. Vor vielen Jahren, wie sie meiner besten Freundin, ihrer Tochter vor ebenfalls etlichen Jahren aus der Lamäng beim Abendessen gestand. Als junge Frau - das ist wirklich lange her - entschloss sich ihr Kollegium zum gemeinsamen Kinoabend

Theas Mama hatte ein einschneidendes Erlebnis. Fast traumatisches. Vor Jahren. Vor vielen Jahren, wie sie meiner besten Freundin, ihrer Tochter vor ebenfalls etlichen Jahren aus der Lamäng beim Abendessen gestand.Als junge Frau - das ist wirklich lange her - entschloss sich ihr Kollegium zum gemeinsamen Kinoabend. Zu einer Heimatschmonzette, wie in den 60ern beliebt: "Die Mädels auf der Heide" oder so.

Holde Darstellerinnen, blond bezopft, mit liebreizenden Blicken. In Taftkleidchen. Ob auf hölzernen Schulbänken oder beim Tollen auf saftigen Wiesen, zwischen bunten Blumen hüpfend tirilierend. Unschuldig. Unverdorben. "Ach ja, schön war die Zeit", sinnierte Mami. Damals selbst jung und keusch wie die Schauspielerinnen auf der Leinwand im Farbfilm mit schweinchenrosanen Wangen.

Deshalb machte Theas Erzeugerin eins zu schaffen: Sie war in der harten Realität. Saß neben ihrem Chef alter Schule. Der den Zylinder abgelegt hatte, ihn innerlich weiterhin würdevoll trug. Eine respektvolle Persönlichkeit durch Ton und Statue. Dessen Gattin man Frau Doktor nannte, obwohl dies eigentlich nur ihrem Mann zustand. Neben diesem Herrn in schwarzer Robe saß sie nun im herrschaftlichen Filmtheater samt Plüsch und Tischschirmlämpchen.

Schon damals besserten Filmvorführer ihre Kasse durch Reklame auf, bevor endlich der Hauptfilm flimmerte. Genau dieser Umstand bereitete Theas Mama, als sie damals noch ein junges Ding war, schreckliches Unbehagen: Werbung für Intimhygiene; für - bis heute stockt ihr der Atem, bevor ihr der liederliche Begriff über die Lippen geht - Damenbinden.

Vor Scham sei sie in ihrem Kinosessel versunken. Habe sich dessen Konturen angeschmiegt, wie es Slipeinlagen laut Werbespot bis heute bei ihren Nutzerinnen anstellen. Statt Mitgefühl erntete Mutter von Thea nur Gelächter.

Vor ein paar Tagen stand mein Kumpel Tobi bei Thea auf der Matte. Im Hintergrund dudelte das Radio. Schnulzenwelle fürs gesetztere Publikum. Kurz vor den Nachrichten zur vollen Stunde: Werbung. Darin eine sonore Frauenstimme: "Haben Sie Probleme mit Scheidenpilz?" Thea erstarrte. Tobi hingegen lässig: "Scheidenpilz? Ich? Nö."

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