Wenn man Ihren Namen auf Plakaten oder dem Cover eines Albums liest, steht stets „C.G.P.“, für „Certified Guitar Player“, dahinter. Was hat es mit diesem Titel auf sich?
Interview mit Gitarrist Tommy Emmanuel „Ich will immer Neues ausprobieren“
Losheim · Der Gitarrist Paco de Lucia, ungekrönter König des Flamenco, ist unbestritten der Star beim Open-Air-Konzert am Stausee Losheim am 3. August. Aber der australische Fingerstyle-Gitarrist Tommy Emmanuel, der das Vorprogramm bestreitet, gehört auch zur ersten Garde der Saiten-Virtuosen. SZ-Mitarbeiter Adrian Froschauer hat sich mit ihm über seine Musik und seine Technik unterhalten.
Tommy Emmanuel: Das ist eine Ehrung, die mir vom großartigen Chet Atkins verliehen wurde für „lebenslangen Beitrag zur Kunst der Fingerstyle-Gitarre“. Es ist nichts, was man an einer Musikschule oder so bekommt, es ist nur eine Anerkennung, die ich für mein Lebenswerk erhielt. Als Chet mir diese Ehre zuteil werden ließ, sagte er: „Jetzt schreib deinen Namen bloß nie mehr ohne C.G.P. dahinter!“ Und ich sagte nur: „Ja, Sir!“
Sie geben bis zu 300 Konzerte im Jahr. Zusammen mit intensivem Üben und Songwriting, machen Sie da den ganzen Tag noch etwas anderes als Gitarre spielen?
Emmanuel: Reisen. Ich bin immer am Reisen. Aber Sie müssen wissen, ich betrachte das so: Ich spiele umsonst Gitarre, und bezahlt werde ich fürs Reisen. Eigentlich gehe ich das Ganze mittlerweile sogar etwas langsamer an, aber ungefähr 300 Konzerte sind es immer noch. Früher habe ich mehr gearbeitet, aber ich will jetzt etwas mehr Zeit für mich.
Ihr Repertoire ist über die Jahre zu beachtlicher Größe angewachsen, aber Sie benutzen bei Konzerten dennoch keine Setlist. Wie vermeidet man da, immer wieder dieselben Stücke zu spielen und schafft es trotzdem, die Publikumslieblinge im Programm zu behalten?
Emmanuel: Das ist ein Balanceakt. Es gibt manche Songs, die ich immer spiele, weil ich weiß, dass die Leute sie hören wollen. Aber gleichzeitig möchte ich immer mal was Neues ausprobieren. Live gibt es viel Platz für Improvisation. Darum möchte ich mir alle Möglichkeiten offen lassen.
Ihre Songs klingen nie gleich, wenn Sie sie live spielen …
Emmanuel: Sie sind ein sehr aufmerksamer Mann (lacht).
Haben Sie mit so einem Talent für Improvisation auch mal darüber nachgedacht, sich eher im Jazzbereich zu betätigen?
Emmanuel: Ja, ab und zu tue ich das auch. Wenn ich zum Beispiel mit Leuten wie Stochelo Rosenberg, Frank Vignola oder Martin Taylor spiele, dann ist alles improvisiert. Wenn ich alleine spiele, muss alles sitzen. Ich improvisiere zwar, wenn ich Lust dazu habe, aber ich will auch immer noch Geschichten erzählen durch Musik.
Am bekanntesten sind Sie für Ihr akustisches Fingerstyle-Spiel. Aber haben Sie vor, mal wieder zur elektrischen Gitarre zu greifen, wie sie es 2000 taten, als Sie und Ihr Bruder Phil bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Sydney spielten?
Emmanuel: Ja, wir waren kürzlich zusammen auf Tour anlässlich unseres 50-jährigen Bühnenjubiläums. Es hat Spaß gemacht, mal wieder die Elektrische zu spielen. Vielleicht mache ich das irgendwann wieder, aber erst mal war ich ziemlich froh, mich wieder der Akustikgitarre widmen zu können. Einfach nur die Gitarre und das Publikum - das hat etwas Magisches, worauf ich mich jeden Abend freue.
50-jähriges Bühnenjubiläum? Wann haben Sie angefangen, Gitarre zu spielen?
Emmanuel: Mit der Gitarre angefangen habe ich, als ich vier war, und mit sechs Jahren begann ich, mit meiner Familie professionell aufzutreten. Heute kann ich mir nur sehr schwer ein sechsjähriges Kind mit Gitarre auf der Bühne vorstellen, aber für mich war das damals ganz natürlich.
In Ihren ersten Bands spielten Sie dann Schlagzeug. Machen Sie das immer noch manchmal? Ihr Gitarrenspiel sieht zumindest danach aus!
Emmanuel: Auf jeden Fall. Ich suche immer nach neuen Klängen. Darum spiele ich diese Percussion-Soli auf meinen Gitarren. Einige haben schon lauter Risse und Löcher, aber damit klingt die Gitarre nur noch besser.
Sie lesen keine Noten oder Tabulaturen; stattdessen finden Sie die Töne und Akkorde eines Stücks durch reines Zuhören heraus. Wie viel Arbeit ist es, auf diese Art einen typischen Pop- oder Rocksong für Solo-Akustikgitarre zu arrangieren?
Emmanuel: Nun ja, zunächst muss der Song mich inspirieren, ich muss geradezu verrückt danach sein. Als zweites suche ich die richtige Tonart, um den Song auf der Gitarre zu spielen, damit die Melodie sich gut anfühlt. Ein großer Teil meiner Lieblingsmusik ist von den Beatles. Sie eignet sich so gut zum Arrangieren, die Melodien sind immer sehr stark, und man kann so viele verschiedene Dinge damit machen.
Haben Sie Ihr Gehör auf eine spezielle Art trainiert, damit es so exakt wird?
Emmanuel: Für meinen Bruder und mich war es damals ein Spiel, Lieder im Radio zu hören und zu versuchen, so schnell wie möglich die richtige Akkordfolge herauszuhören. Dabei haben wir uns quasi aus Versehen trainiert.
Beschäftigen Sie sich mit Musiktheorie?
Emmanuel: Ich weiß schon einiges, aber ich kann es nicht benennen. Ich weiß ein wenig über Musik und wie sie funktioniert, aber wenn ich eine bestimmte Reihe von Noten über einige bestimmte Akkordwechsel spiele, dann würde eine Person, die sich besser auskennt, sagen können: „Da bist du vom mixolydischen in den ionischen Modus übergegangen, bla bla bla.“ Ich hätte keine Ahnung, wie ich es nennen soll – es ist einfach ein gewisser Klang, den ich suche.
2008 landete Joe Robinson auf dem ersten Platz bei „Australia’s got Talent“, indem er Ihre Stücke spielte, und dieses Jahr war einer der Teilnehmer ein klassischer Gitarrist. In der deutschen Ausgabe der Sendung wären reine Solo-Instrumentalisten unvorstellbar. Wird die akustische Gitarre in Australien in einem anderen Licht betrachtet? Vielleicht sogar dank Ihnen?
Emmanuel: Ich glaube, vor vielen Jahren habe ich als Solokünstler einiges verändert an der Art und Weise, wie Musik in Australien gehandhabt wird. Die Regel war immer: „Keine Instrumentalisten im Fernsehen.“ Es war einfach nur nötig, den Leuten zu zeigen, dass ich sie auch ohne Gesang unterhalten kann. Nach und nach änderte sich die Einstellung der Leute, und ich trat auch in bekannteren Fernsehsendungen auf. Ich bin immer noch der einzige Instrumentalist, der in Australien ein Platinalbum hat und als „Künstler des Jahres“ für den Aria Award, quasi den australischen Grammy, nominiert wurde.
Joe Robinson kennen Sie persönlich, sind auch mit ihm aufgetreten. Haben Sie zur Zeit noch andere junge, vielversprechende Musiker im Visier?
Emmanuel: Ich treffe überall immer wieder auf junge Talente. In Großbritannien, Russland, China, Polen, und es gibt eine ganze Menge guter junger Musiker in Italien. Gareth Pearson ist zum Beispiel ein großartiger junger Gitarrist aus Wales, oder Bryan Browne aus Australien.
Hatten Sie eigentlich selbst die Chance, als Sie so jung zu waren, mit einem Ihrer Idole zu spielen?
Emmanuel: Ja, die hatte ich. Und zwar mit Chet Atkins, der schon immer eine Inspiration für mich war. Es war wunderbar, ihn kennen zu lernen und Zeit mit ihm zu verbringen und vor allem mit ihm zu spielen. Es veränderte mein Leben.
Sie haben in Ihrer Karriere schon mit sehr vielen Gitarristen und anderen Musikern aus den unterschiedlichsten Genres gespielt. Mit wem hat es am meisten Spaß gemacht?
Emmanuel: Ich glaube, mit Stevie Wonder. Ich liebe es, seine Musik zu spielen, und er ist ein unglaublicher Mensch.
Und wie spielen Sie lieber? Solo oder mit Band?
Emmanuel: Ich mag alle möglichen Arten von Musik, aber ich denke, was ich am meisten liebe, sind meine Soloauftritte. Es ist eine wunderbare Herausforderung. Ich bin ganz auf mich gestellt, und ich habe quasi jeden Abend eine leere Leinwand vor mir, die ich bemalen muss.
Gibt es einen Unterschied zwischen, zum Beispiel, dem deutschen und dem australischen Publikum?
Emmanuel: Nicht wirklich. Die Australier kennen mich zwar besser, aber anders wahrgenommen werde ich dort eigentlich nicht. Mit Deutschland verbinde ich ohnehin besondere Erinnerungen, da es das erste europäische Land war, in dem ich je auftrat.
Karten gibt’s im Vorverkauf zum Endpreis für 49,50 Euro (Liegewiese) sowie 72,50 Euro (Kategorie 1, bestuhlt) und 61,50 Euro (Kategorie 2, bestuhlt), 94,50 Euro (Golden Circle: beste Plätze, Parkplatz, Souvenir) in Losheim bei der Tourist-Info am See, Buchhandlung Rote Zora, an allen Verlagsbüros von Wochenspiegel/DieWoch und Saarbrücker Zeitung sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen. Ticket-Hotline (0651)9790777 oder www.ticket-regional.de