In Urgroßvaters Uniform

Völklingen. Unverhofftes Spektakel für Gäste des Völklinger Weltkulturerbes: Auf dem Parkplatz üben sich am Sonntagnachmittag zwölf gestandene Männer im Alter zwischen 25 und 60 Jahren in militärischer Formalausbildung

Völklingen. Unverhofftes Spektakel für Gäste des Völklinger Weltkulturerbes: Auf dem Parkplatz üben sich am Sonntagnachmittag zwölf gestandene Männer im Alter zwischen 25 und 60 Jahren in militärischer Formalausbildung. Keine Bundeswehrsoldaten, das ist schnell klar: Die Männer tragen bunte Uniformen, Pickelhauben, altertümliche Gewehre, Bajonette und Orden mit den Jahreszahlen 1870/71 auf der stolz geschwellten Brust. Es ist der Traditionsverein des Infanterieregiments Graf Werder "Die Dreissiger" bei der Probe für das Straßentheater in Völklingen am heutigen Dienstag - Wachwechsel, Personenkontrolle und Entlarven französischer Spionen wollen geübt sein.

Die Truppe hört dabei auf das Kommando ihres Feldwebels Dr. Frank Morgenthal, im wirklichen Leben Allgemeinmediziner in der Völklinger Poststraße. "Ich bin in Saarlouis in der Nähe der Graf-Werder-Kaserne geboren. Graf Werder war einer der Hauptakteure im Deutsch-Französischen Krieg. Deshalb habe ich mich schon in jungen Jahren besonders für die saarländische Militärhistorie interessiert", erklärt der Mediziner seine Intention, das Leben der Urgroßväter in der kaiserlichen Armee nachzuspielen. "Wir spielen dabei nicht Krieg, sondern wollen das Leben der Soldaten in der Friedenszeit nachstellen."

Nach originalen Vorbildern wurden die preußischen Uniformen selbst geschneidert. Aus allen Bereichen der Völklinger Bürgerschaft und sogar aus der Pfalz kommen die "Dreissiger". Einmal im Monat treffen sie sich, um ein historisches Ereignis nachzustellen und zu üben oder einfach der Geselligkeit wegen.

Auf dem Parkplatz hat Morgenthal alle Hände voll zu tun. Mit lautstarker Stimme bringt er seine Truppe auf Vordermann: "Still gestanden! Richt' euch! Gewehr über! Gewehr ab!", heißen die Kommandos. Und nicht jedem der preußischen Soldaten fällt der Gleichschritt leicht. Soldat in Wartestellung ist noch Otmar Bohr, Marketingleiter der Stadtsparkasse Völklingen: "Ich werde wohl als französischer Kanonier eingesetzt, wenn am Samstag am Hunerscharberg Völklingen 'beschossen' wird", freut sich Bohr darauf. Zuschauer ist auch noch Uwe Maringer vom Fußartillerieregiment 8. Es wartet beim militärischen Scharmützel am Wochenende mit zwei Geschützen auf: "Wir besitzen das einzige intakte preußische 61-er Geschütz von Krupp, das noch schussfähig ist", berichtet Maringer stolz.

Der 44-jährige Luigi Stambene und der zwei Jahre ältere Hendrik Kersten hingegen exerzieren eifrig mit. Stambene ist gebürtiger Völklinger, auch wenn beide Elternteile aus Italien stammen. "Ich fühle mich durch und durch als Saarländer und bin deshalb, schon immer an Militärhistorie interessiert, mit ganzem Herzen preußischer Musketier", sagt der gelernte Schuhorthopädiemeister. Und Kersten ist fast von Berufswegen verpflichtet. Der Kunsthistoriker ist beim Weltkulturerbe der zuständige Mann bei Ausstellungen. "Ich war Patient bei Dr. Morgenthal, wir kamen ins Gespräch, und er hat mich gleich eingezogen", erzählt Kersten schmunzelnd vom Beginn seiner militärischen Laufbahn vor drei Jahren. Farblich bildet der Polizist Willi Esser aus Kaiserslautern einen Kontrast zum preußischen Blau: Er trägt die grüne Uniform des 9. Marburger Jägerregiments, das seinerzeit die "Dreissiger" unterstützte. Heute und am Wochenende ist es beim gespielten Kampf gegen die Franzosen erneut dabei. "Wir spielen nicht Krieg, sondern wollen das Leben der Soldaten in der Friedenzeit nachstellen."

Dr. Frank Morgenthal, Traditionsvereinigung "Die Dreissiger"

Auf einen Blick

Dienstag, 27. Juli: Straßentheater in Völklingen, 11.45 bis 12.45 Uhr Altes Rathaus, "Wachwechsel", 14.30 Uhr Alter Bahnhof, Bahnsteig 1, Paradieren vor der Kulisse des Weltkulturerbes, 15 Uhr Rathausstraße, Globus-Warenhaus, "Spionage in Völklingen", 17 Uhr Wehrdener Saarbrücke, "Personenkontrolle", 18.30 Uhr Zapfenstreich bei McDonalds in den Saarwiesen

Freitag, 30. Juli: 19 Uhr, Festsaal Altes Rathaus, Empfang der Darsteller, Vorträge "Die Geburt eines Kaiserreiches" (Dr. Achim Kloppert) und "Prolog 1870" (Hendrik Kersten)

Samstag, 31. Juli: ab 13 Uhr Feldlager am Hunerscharberg mit historischer Modenschau und Waffenvorführung, 16 und 18 Uhr "Beschießung Völklingens"

Sonntag, 1. August: Fortsetzung des Feldlagers am Hunerscharberg, 10 Uhr ökumenischer Feldgottesdienst, ab 11 Uhr Bewirtung durch die Freiwillige Feuerwehr, um 15 und um 17 Uhr "Beschießung Völklingens". er

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