Musik In Sachen Mozart gegen Salieri

Wien · Gute Kollegen und nur wenig Neid: Eine neue CD beleuchtet das Verhältnis der beiden Komponisten.

 Tom Hulce (li.) als Mozart und F. Murray Abraham als Salieri in der „Amadeus“-Verfilmung von Milos Forman.

Tom Hulce (li.) als Mozart und F. Murray Abraham als Salieri in der „Amadeus“-Verfilmung von Milos Forman.

Foto: picture-alliance / Mary Evans Picture Library/dpa Picture-Alliance /

Ihren Alltag führten die größten Komponisten wie Otto Normalverbraucher: immer zu wenig auf dem Konto, Streit mit den Nachbarn wegen lauter Musik und ansonsten Verstopfung und Halsweh. Außerdem mangelte es ihnen nicht an Bosheit, gerade untereinander. Kollegenschelte war Usus: Arnold Schönberg ätzte gegen Igor Strawinsky, Richard Wagner verfemte Giacomo Meyerbeer, Hugo Wolf verachtete Johannes Brahms, Claude Debussy verhöhnte Franz Schubert.

Ginge es nach den Hypothesen des Filmschaffens, dann waren Wolfgang Amadeus Mozart und Antonio Salieri, die Helden aus Milos Formans „Amadeus“, ziemlich beste Feinde. Der Regisseur folgte der Novelle von Puschkin und dem Theaterstück von Peter Shaffer; dabei wussten alle, dass es sich in Wirklichkeit ganz anders zugetragen haben muss. Doch die Psychologie des gesunden Menschenverstands jazzte die Angelegenheit hoch: Musste einer wie Salieri nicht eifersüchtig auf den Götterfunken Mozart sein?

Neid hin oder her – im Wiener Leben von damals waren beide nach allem, was wir wissen, gute Kollegen, die allerdings ihr Rangunterschied und ihre stilistischen Positionen voneinander trennten. Salieri war Hofkapellmeister mit Ausrichtung nach Frankreich, Mozart war der Springsinsfeld, der mit Italien liebäugelte und gezwungen war, innovativ zu sein. Gewiss hatten sie beruflich miteinander zu tun, und das taten sie respektvoll. Salieri hat die Uraufführung der 40. Sinfonie g-Moll dirigiert. Und warum? Weil er Mozart bewunderte; Salieri besaß die Kompetenz, das zu beurteilen. Bei der Kantate „Per la ricuperata salute di Ofelia“ KV 477a haben beide sogar zusammengearbeitet.

Jetzt ist bei Sony Classical eine erhellende Doppel-CD unter dem insinuierenden Titel „Rivalry?“ erschienen, die sich für Rätselabende unter Freaks eignet. Immer lässt sie ein Mozart- auf ein Salieri-Werk folgen. Allerdings ist der Vergnügungscharakter endlich, weil das Genie Mozarts sturmflutartig über die Ufermauer zu jedem Nachbarstück schwappt; da hat Salieri, der ja tausend Interessen bedienen musste, keine Chance. Was ist etwa Salieris gut gemachte Ouvertüre zu „Axur, re d’Ormus“ gegen Mozarts „Figaro“-Ouvertüre? Diese bietet Champagner, jene stilles Wasser.

Großartig aber, dass das Prager Sinfonieorchester unter Leitung von Christian Benda alles mit gleicher Hingabe und Intensität spielt. Die Musiker treiben einander fortwährend zu Höchstleistungen an, damit niemand glaubt, der Rangunterschied schlage auch auf die Interpreten durch. Apropos Schlagen: Der Boxhandschuh, der das Cover der CD ziert, ist einzig der Verkaufsstrategie geschuldet.

„Mozart / Salieri – Rivalry?“: Prague Sinfonie Orchestra, Christian Benda, zwei CDs, Sony Classical

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