In Saarbrücken summen 20.000 Mitarbeiter Miet-Bienen auf dem Balkon

Saarbrücken · Eigenen Honig zu ernten, kostet Zeit und erfordert viel Wissen. Im Saarland und in Rheinland-Pfalz kann man sich ein Bienenvolk mieten - die Pflege und Arbeit übernehmen dabei andere.

 Michael Wirth (r) erklärt Sebastian Ambos die sogenannte Windel eines Bienenstocks. Ambos hat bei Wirth einen Bienenstock gemietet, der auf der Terrasse seines Unternehmens steht.

Michael Wirth (r) erklärt Sebastian Ambos die sogenannte Windel eines Bienenstocks. Ambos hat bei Wirth einen Bienenstock gemietet, der auf der Terrasse seines Unternehmens steht.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Wenn die Mittagszeit ansteht, treffen sich in Saarbrücken regelmäßig die zehn Mitarbeiter eines IT-Dienstleister zur gemeinsamen Pause, sitzen um einen großen Tisch, essen und plaudern - und beobachten die „Kollegen“. Tausende von ihnen. Vor allem, wenn es warm und sonnig ist, sind die nämlich fleißig wie die Bienen. Im wahrsten Sinne des Wortes: Denn direkt am Fenster vor dem Gemeinschaftsraum steht ein Bienenstock. Und das, obwohl sich die Firma mitten in der Innenstadt befindet und ihr Chef gar kein Imker ist.

„Muss ich auch gar nicht sein“, sagt Sebastian Ambos (32) lächelnd. Denn dafür hat er Michael Wirth. Der hat ihm vor knapp einem Jahr den Bienenstock auf den Balkon des Unternehmens gestellt. Er kontrolliert und betreut regelmäßig das Volk und erntet sogar noch den Honig. Und das nicht aus Freundschaft, sondern als Geschäftsmodell: Denn der 32-jährige Imker aus Waldmohr hat sich vor drei Jahren mit seinem Service und seinem Unternehmen „BeeGreat“ selbstständig gemacht. „Rent your Hive“ („Miete deinen Bienenstock!“) heißt das Motto.

33 Völker hat Wirth im Saarland und in Rheinland-Pfalz seitdem bei Kunden aufgestellt: in Saarbrücken genauso wie in der Saarpfalzregion zwischen Kusel und Merzig und bis ins Leininger Land. Nur drei Privatleute zählen dazu; bei den meisten Kunden handelt es sich um Unternehmen und Geschäftsleute. Darunter sind Bauunternehmer, Spediteure und Kältetechniker ebenso wie Restaurants, Hotels, Garten- und Landschaftsbauer, Anwälte und Notare oder eben IT-Dienstleister.

Durch Zufall hatte Sebastian Ambos von der Bienenvermietung erfahren und war sofort begeistert. Nicht nur deshalb, weil er gerne Honig mag. „Wir arbeiten sehr hardwareintensiv. Ökologisch ist das Horror“, gibt er zu. Mit der Idee, einen eigenen Bienenstock zu finanzieren, könne er vielleicht einen winzigen Gegenbeitrag leisten. „Natürlich ist das kein Ausgleich“, sagt er. „Aber es ist ein sichtbares Zeichen, dass überhaupt Bewusstsein geschaffen wird.“

Mit dem Verleih von Bienenstöcken ist Michael Wirth nach Einschätzung des Verbandes Saarländischer Imker noch die absolute Ausnahme. „Die Vermietung von Bienenvölkern zum Zwecke der "Corporate Social Responsibility" ist zunächst einmal in Großstädten wie Hamburg, Berlin oder München verbreitet“, meint Verbandssprecher Markus Lay. Problematisch wird es seiner Meinung nach dann, „wenn die Pflege der Bienen in den Hintergrund rückt oder damit ein "Greenwashing" von Unternehmen unterstützt wird.“

Doch von jenen Firmen, die beim Bienen-Mieten nur darauf abzielen, sich ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, distanziert sich Michael Wirth. „Es gab auch schon Leute, bei denen ich Nein gesagt habe“, berichtet er. Denn mit seiner Arbeit möchte er zwar Geld verdienen, aber eben nicht um jeden Preis. Deshalb stelle er seine Bienenstöcke nur dort auf, wo er das Gefühl habe, dass die Mieter tatsächlich auch zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen und Flagge gegen das Bienensterben zeigen wollen. Und nicht bei denen, die nur das Ergebnis und die eigene Vermarktung im Blick haben. Oder die womöglich umrechnen, wie teuer ein Glas Honig sein müsste, um ihn kostendeckend zu verkaufen.

Die komplette Honigernte ist in der Monatsmiete von 200 Euro enthalten. Sie beinhaltet die Betreuung, Versicherung und Anmeldung bei der Tierseuchenkasse und das Schleudern des Honigs. Pro Jahr kann mit 25 bis 30 Kilo Honig pro Bienenvolk kalkuliert werden, abgefüllt in 250- oder 500-Gramm-Gläsern.

Auch Sebastian Ambos hat bereits die erste Honigernte erhalten und rund 50 kleine Gläser zu Weihnachten an ausgesuchte Kunden verschenkt. Künftig sollen neben den Beschäftigten auch alle anderen Bienen-Freunde die Möglichkeit haben, das Volk bei der geschäftigen Arbeit zu sehen: Per Webcam sollen die Aufnahmen live auf der Homepage der Firma übertragen werden. Denn es gibt viel zu entdecken: „Je nach Wetter ist hier richtig was los. Das ist superspannend“, meint Ambos.

Wirth muss sich langsam Gedanken machen, ob er sein Unternehmen vergrößern will. Mit den 33 Stöcken habe er die Grenze erreicht, um alle Völker intensiv betreuen und im engen persönlichen Kontakt mit den Kunden bleiben zu können. Parallel hat er sein Studium als Umwelt- und Betriebswirt mit seiner Masterarbeit über „BeeGreat“ abgeschlossen. Nur bei der Frage, wie er selbst seinen Beruf bezeichnet, könnte es schwierig werden. Bienenvermieter etwa? „Nein“, sagt er lächelnd. „Menschen-Glücklichmacher“.

(dpa)
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