"In der Saarbrücker Koalition rumpelt es"

Herr Linsler, Sie werden im kommenden Monat 68. In diesem Alter hocken andere Zeitgenossen im bequemen Schaukelstuhl. Warum tuen Sie sich diesen Politik-Stress noch an?Linsler: Ich mache seit 35 Jahren Politik in diesem Lande. Dies hat mir immer Spaß gemacht. So lange ich mich gesundheitlich so gut fühle wie gegenwärtig, belastet mich das nicht

Ein selbstbewusster Linken-Chef Linsler: "Wir sind mit Abstand drittstärkste Partei im Saarland." Foto: Oliver Dietze

Ein selbstbewusster Linken-Chef Linsler: "Wir sind mit Abstand drittstärkste Partei im Saarland." Foto: Oliver Dietze

Herr Linsler, Sie werden im kommenden Monat 68. In diesem Alter hocken andere Zeitgenossen im bequemen Schaukelstuhl. Warum tuen Sie sich diesen Politik-Stress noch an?Linsler: Ich mache seit 35 Jahren Politik in diesem Lande. Dies hat mir immer Spaß gemacht. So lange ich mich gesundheitlich so gut fühle wie gegenwärtig, belastet mich das nicht. Warum soll ich dann nicht weiter Politik machen? Adenauer ist mit 73 noch Bundeskanzler geworden.

Zur Landespolitik: Sind Sie überrascht, wie gut es mit der Jamaika-Koalition läuft?

Linsler: Nun, so geräuschlos ist Jamaika nicht gestartet. Die Regierungskoalition sieht sich zwei Untersuchungsausschüssen gegenüber. Sie sollen Klarheit darüber bringen, in welchen Ausmaß der Saarbrücker Unternehmer und FDP-Politiker Hartmut Ostermann sich die Jamaika-Koalition zusammengekauft hat. Beim Thema Gondwana soll geklärt werden, ob die Landesregierung Steuergelder zu Gunsten eines Privatunternehmers verschwendet hat.

Wie werten Sie denn die bisherigen Ergebnisse?

Linsler: Wir haben ein wesentliches Ziel bereits erreicht: Es ist deutlich geworden - was sich übrigens in der Bevölkerung verfestigt hat -, dass es bei Bildung der Jamaika-Koalition nicht demokratisch zuging. Die Verfassungsklage von Ostermann, weil er jetzt seine Steuerakten dem U-Ausschuss zugänglich machen muss, spricht für sich. Es drängt sich der Eindruck auf: Da hat jemand was zu verbergen.

Ministerpräsident Peter Müller hat trotz klammer Kasse weiterhin Freude am Regieren. Haben Sie Freude an seiner Regierung?

Linsler: Wir hatten schon vor der Wahl keine Freude an seiner Regierung. Bei der Wahl hat er 13 Prozentpunkte verloren und steht jetzt einer schwarz-gelb-grünen Landesregierung vor, die am Krückstock geht. Wie sollen wir da Freude haben am Regieren von Herrn Müller?

In der Linkspartei flammen immer wieder Querelen auf. Jetzt haben Sie durch eine Karteibereinigung auch noch knapp ein Drittel der Mitglieder verloren. Wo steht die Partei heute?

Linsler: Die Linken im Saarland sind exakt drei Jahre alt. Wie einst bei Gründung der Grünen gab es auch in den Reihen von WASG und PDS unzufriedene Leute, die sich bei Gründung der Linken in der neuen Partei sammelten. Mit diesen Leuten, die nicht zu integrieren sind und sich in kein Team einbinden lassen, können wir nicht politisch arbeiten. Wir müssen uns leider von ihnen trennen, was wir in Einzelfällen bereits getan haben.

Und zum Thema Karteibereinigung?

Linsler: Wir mussten uns von 900 Personen trennen, die in die Partei eingetreten sind, aber keine Beiträge gezahlt haben. In neuen Parteien nichts Außergewöhnliches. Wir zählen jetzt 2500 Mitglieder und sind mit Abstand drittstärkste Partei im Saarland.

Querelen gibt es immer wieder in der rot-rot-grünen Rathaus-Koalition in Saarbrücken. Könnte dies auf Dauer nicht das Bündnis in Frage stellen?

Linsler: Zugegeben: In der Dreier-Stadtrats-Koalition rumpelt es. Ich lege aber Wert darauf, dass das Bündnis weiterhin bestehen soll und die gesamte Legislaturperiode durchhält. Allerdings müssen sich die Bündnispartner auch an die im Koalitionsvertrag festgelegten Vereinbarungen halten. Und daran muss von Seiten der SPD und der Grünen noch gearbeitet werden.

Angeblich soll es eine große Verärgerung des Linken-Fraktionschefs über das Verhalten vom SPD und Grünen geben?

Linsler: Meinen Sie mich damit?

Wen sonst ?

Linsler: Natürlich kann man nicht erfreut sein, wenn Abmachungen nicht eingehalten werden. Das gilt nicht nur für Personalabsprachen wie die Besetzung der kaufmännischen Werksleitung beim Zentralen Kommunalen Entsorgungsbetrieb ZKE. Dies trifft auch auf Sachthemen wie Schulessen, Sozialpass und Bettensteuer zu. Aber der Ärger ist nicht so groß, dass er zum Aufkündigen der Koalition führt. Wir hoffen, dass nach der Sommerpause von unseren Koalitionspartnern diese Dinge in unserem Sinne klargestellt werden.

Erkennen SPD und Grüne nicht die landespolitische Option, die in diesem rot-rot-grünen Modell-Projekt in der Stadt Saarbrücken steckt?

Linsler: Die SPD vielleicht, aber die Landes-Grünen sind gekauft. In der Schulpolitik kassieren sie jetzt ihre Wahlversprechen - Stichworte sind da G 8, das Gymnasium und Schulschließungen - weil sie sich in der Jamaika-Koalition nicht durchsetzen.

Die Schulreform gehört nach der Sommerpause zu den Top-Themen. Wie positioniert sich die Linkspartei?

Linsler: Das geplante fünfte Grundschuljahr ist bundesweit eine Insellösung, die ich für sehr problematisch halte. Wir sind allerdings zu Gesprächen bereit. Was die Verfassungsänderung betrifft, ist mir persönlich die Auffassung der Arbeitskammer sehr sympathisch, darüber könnte man reden. Danach sollten in Anlehnung an die durchgängige Praxis der übrigen Bundesländer alle Schulformen aus der Verfassung gestrichen werden. Der damit im Saarland bis jetzt abgesicherte Bildungsauftrag des Staates sollte durch eine allgemeiner gehaltene, zeitgemäße Formulierung ersetzt werden. Die Festlegung von Schulformen gehört in das Schulordnungsgesetzes.

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