In der Maske wird mächtig getrullert

Saarbrücken · Die Neu-Inszenierung des „Tartuffe“ am Staatstheater soll ein Perücken-Fest werden. Wir haben uns die Haarmassen angeschaut.

 Silke Buchholz, eine Schauspielerin des Saarländischen Staatstheaters, wird für die Aufführung von Tartuffe geschminkt. Foto: Oliver Dietze

Silke Buchholz, eine Schauspielerin des Saarländischen Staatstheaters, wird für die Aufführung von Tartuffe geschminkt. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Oje, jetzt passiert es. Unter den Blicken der Zuschauer wird dieses fragile Gebilde aufgetürmter Haarmassen gleich einstürzen. So ungestüm, wie die erboste Zofe gestikuliert und den porzellanweiß geschminkten Kopf schüttelt. Aber nein. Es passiert nichts, auch nicht die nächsten 100 Minuten. Alles hält - zumindest bei Nina Schopka, die unter dem braunen Perückenmonstrum steckt. Bei ihren Kollegen liegen die Dinge etwas anders: Da dürfen die fulminanten Kunstfrisuren schon mal wackeln oder werden sogar während des Stücks abgesetzt und in die Ecke gepfeffert. Perücken als Requisite - auch das gehört zur Neuinszenierung des "Tartuffe" am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken.

Zeitsprung zurück: Es ist kurz nach 18 Uhr. In dem kleinen schmalen Maske-Raum wird konzentriert gearbeitet. Während Maskenbildnerin Konstanze Menenguzzi ihr das Gesicht grundiert, schwärmt Mimin Yevgenia Korolov von den Vorzügen warmer Angorawäsche und der Kiefernmassage, die sie verschrieben bekommen hat. Neben ihr schneckelt Bianca Jungfleisch die Haare von Nina Schopka. Schneckeln? "Ja, das sagt man so, oder trullern", erklärt Chefmaskenbildnern Birgit Blume. Dabei geht es darum, die Haare in Minizöpfchen gleichmäßig am Haaransatz festzustecken. "Das Ziel ist, den Kopf so klein wie möglich zu machen." Über die "Schnecken" kommt eine Netzhaube, alles möglichst "fest und stabil", denn das ist die Basis für die Perücke.

Wer skurrile Perücken (und Typen) liebt, für den ist "Tartuffe" ein Fest: Haare, wohin das Auge blickt. "So ein schönes Ausstattungsstück hatten wir lange nicht", schwärmt Birgit Blume. Selten kann sie so in die Vollen gehen, auch bei der Schminke: "Diese Extreme tun dem Gesamtbild gut", und nicht nur ihm: "Die Schauspieler brauchen das", es dient dem Eintauchen in den Charakter und "die Unterstreichung der Rolle". Die Perücken selbst kommen erst ganz am Schluss auf die Köpfe. Unter den frisierten Haaren - "verwendet werden Büffelhaare, die haben eine etwas gröbere Struktur und lassen sich wunderbar verformen" - sind je nach Größe Gestelle eingearbeitet. "In sich darf es keine Bewegung geben", erläutert Birgit Blume. Manchmal werden die Ansätze mit Mastix festgeklebt.

Alle acht "Tartuffe"-Perücken hat das Masken-Team selbst hergestellt, oder besser "aus alt neu gemacht. Wir hatten nicht so viel Zeit." Zumal nagelneue Perücken "sehr, sehr teuer" sind: 2000 bis 3000 Euro pro Stück. "Da waren wir froh, dass wir solche Schätzchen noch im Fundus haben." Gewaschen werden die Perücken im Übrigen "normal mit Shampoo". Überraschend leicht ist so ein Teil, die bis über die Schultern fallende weiße Lockenpracht von Orgon wiegt höchstens ein Pfund. Gerade aus Berlin angekommen, nimmt Silke Buchholz Platz. Als Elmire bekommt sie diese breitgezogene rote Lockentolle verpasst. Wie sich das anfühlt auf dem Kopf? "Wie eine Mütze, eine wunderschöne Mütze!" Unter der man entsprechend schwitzt, zumal Elmire fast die ganze Zeit einen Pelzmantel trägt. "Meine Damen und Herren: 30 Minuten noch. Die Bühne ist ab jetzt gesperrt", schallt es aus dem Lautsprecher. Nach der Vorstellung geht dann alles ratz, fatz. "Wir wünschen uns immer, dass wir die Perücken abnehmen können", sagt Birgit Blume. Dann kommen die kostbaren Teile auf Ständer, wo sie, aufgestiftelt und auffrisiert, auslüften können - bis zur nächsten Mission.

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