In der Haft auf der Spur des Holzes

Ottweiler. Der Ausbilder gibt Anweisungen, junge Männer arbeiten an Kreis- oder Blattsäge, Hobel-, Schleif- oder Kantenanleim-Maschine. Ein übliches, dennoch kein ganz gewöhnliches Ausbildungs-Szenario: Um die Tür zu dieser Schreiner-Lehrwerkstatt zu öffnen, muss man zuvor mehrere Gittertüren überwinden

 Schreinermeister Helmut Colle ist Ausbilder in der Justizvollzugsanstalt Ottweiler. Foto: Andreas Engel

Schreinermeister Helmut Colle ist Ausbilder in der Justizvollzugsanstalt Ottweiler. Foto: Andreas Engel

Ottweiler. Der Ausbilder gibt Anweisungen, junge Männer arbeiten an Kreis- oder Blattsäge, Hobel-, Schleif- oder Kantenanleim-Maschine. Ein übliches, dennoch kein ganz gewöhnliches Ausbildungs-Szenario: Um die Tür zu dieser Schreiner-Lehrwerkstatt zu öffnen, muss man zuvor mehrere Gittertüren überwinden.Diejenigen, die sich hier dem handwerklichen Umgang mit Holz verschrieben haben, sind junge Gefangene der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ottweiler. Sie haben dabei Gelegenheit, in den Schreinerberuf hineinzuschnuppern und im Idealfall die Gesellenprüfung abzulegen. Ein oder zwei schafften das jedes Jahr, sagt Helmut Colle, der sich seit 1998 um die Schreiner-Aspiranten hinter Gittern kümmert. Der Schreinermeister aus St. Wendel, seit mehr als 30 Jahren im Beruf, hat dazu eine weitere Ausbildung zum Justizvollzugs-Beamten absolviert.

Fünf Köpfe umfasst Colles Azubi-Truppe, das ist das Maximum für einen Ausbilder. Wenn eine Stelle frei wird, wird sie von der JVA-Arbeitsverwaltung ausgeschrieben, interessierte Gefangene können sich dann bewerben. Colle sucht sich dann die passenden Pappenheimer aus. Der Umgang mit dem angenehmen Werkstoff Holz sei meist die Triebfeder für seine Zugänge, von denen 90 Prozent neu in der Materie seien.

Fast alle, die den Abschluss als Geselle anstrebten, schafften das, sagt er. Die JVA-Quote sei höher als "draußen". Wer von der Haftdauer her keine Gelegenheit dazu hat, kann auch von der Handwerkskammer anerkannte "Qualifizierungsbausteine" erwerben oder mit der Zwischenprüfung als "Holzwerker" aufhören. "Die Ausbildung hilft vielen, nach ihrer Entlassung Fuß zu fassen", sagt Colle. "Manche Gesichter sieht man aber auch wieder." Was ihn, wie auch den Leiter der JVA, Pascal Jenal, besonders freut, ist ein Novum in Ottweiler: In diesem Jahr schaffte einer von Colles Schützlingen sogar den Meisterbrief. Der 25-Jährige konnte im offenen Vollzug die Meisterschule in Saarbrücken besuchen und fertigte in der Haft sein Meisterstück an, ein Bett aus Kirschbaumholz.

Wer bei Helmut Colle etwas lernen will, kann sich angesichts eines straff geregelten Arbeitstages ganz darauf konzentrieren. Um 6.45 Uhr beginnt der Ausbildungstag, um 14.30 Uhr ist Feierabend, Frühstücks- und Mittagspause werden in der Werkstatt verbracht. Ein Tag pro Woche gehört der Berufsschule, dazu kommt weiterer Unterricht in größeren Abständen. Dafür erhalten die Azubis in der meist üblichen Lohnstufe III exakt 11,04 Euro pro Tag. Was durch eine Leistungszulage noch um bis zu 30 Prozent aufgebessert werden kann. Bar auf die Hand gibt's allerdings nichts. 220 Euro des monatlichen Verdienstes, so erläutert JVA-Chef Jenal, seien unpfändbares "Hausgeld", von dem die Häftlinge bei Bedarf Einkäufe tätigen können.

Der Schwerpunkt des Tagwerks in der Schreinerei liege bei der Ausbildung, so Colle. Daneben arbeite man auch Aufträge ab - meist interne wie Haftraum-Einrichtungen, Büromöbel oder Reparaturen innerhalb der JVA. Etwa 30 Prozent der Arbeiten seien auch für draußen, für Amtsgerichte, Kindergärten, JVA-Bedienstete, aber auch für Privatleute. Auch karitativ werden die Schreiner-Azubis tätig: Für den Ottweiler Weihnachtsmarkt wurden jetzt Schneidbretter, Kleiderbügel und Vogelhäuschen gefertigt. Deren Verkauf komme dem Förderverein für Kunst und Kultur oder dem Weißen Ring zugute, so Jenal und Colle.

Neben Schreiner sind in der JVA Ottweiler sechs andere Berufe erlernbar: Gas- und Wasser-Installateur, Elektriker, Bauschlosser, Kfz-Mechatroniker, Maler und Lackierer, Fahrzeug-Lackierer. Von der 120-köpfigen "Belegschaft" der JVA seien etwa 30 in der handwerklichen Ausbildung, so Jenal. Rund 50 weitere absolvierten eine schulische Ausbildung.

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