In der Diskussion: Kultur und Verkehrsbelastung Prinzip des Forderns und Förderns Am Thema Tourismus scheiden sich die Geister

Die Podiumsdiskussion, zu der Saarbrücker Zeitung und Saarländischer Rundfunk in die Deutschherrenhalle eingeladen hatten (wir berichteten bereits kurz), erwies sich als Publikumsmagnet: Trotz winterlicher Straßenverhältnisse kamen rund 300 Besucher zur von SZ-Redakteur Wolf Porz und seinem SR-Kollegen Thomas Gerber moderierten Veranstaltung

 Podiumsdiskussion in der Deutschherrenhalle: Die Bürgermeisterkandidaten stehen Rede und Antwort.

Podiumsdiskussion in der Deutschherrenhalle: Die Bürgermeisterkandidaten stehen Rede und Antwort.

Die Podiumsdiskussion, zu der Saarbrücker Zeitung und Saarländischer Rundfunk in die Deutschherrenhalle eingeladen hatten (wir berichteten bereits kurz), erwies sich als Publikumsmagnet: Trotz winterlicher Straßenverhältnisse kamen rund 300 Besucher zur von SZ-Redakteur Wolf Porz und seinem SR-Kollegen Thomas Gerber moderierten Veranstaltung.

SPD-Herausforderer Joachim Gratz attackierte den Amtsinhaber, der sich zur Wiederwahl stellt, wegen dessen Faible für Kunst und Kultur: Die Gemeinde brauche einen Bürgermeister, keinen "Kulturattaché". In Beckingen sei "alles überwachsen von Kultur", kritisierte Gratz. Aufgabe einer Gemeinde könne es nicht sein, nur noch Kunst- und Kulturprojekte zu entwickeln, sondern es müsse ein Lebensumfeld geschaffen werden, in dem die Bürger sich wohl fühlten. "Es kann nicht sein, dass ein Bürgermeister Kultur nur zur Selbstdarstellung nutzt", sagte der SPD-Kandidat. Er werde als Bürgermeister die Kulturausgaben "auf ein für alle Bürger erträgliches Maß" zurückfahren und das dort eingesparte Geld "zum Beispiel für die Schulbuchausleihe einsetzen".

Amtsinhaber Erhard Seger äußerte nur Unverständnis für diesen "Feldzug gegen die Kultur" des SPD-Kontrahenten. Er verwies darauf, dass die Gemeinde im Jahr 90 000 Euro für Kulturarbeit ausgebe - das seien gerade mal 0,3 Prozent der Gesamtausgaben von 30 Millionen Euro. Für die Sportförderung hingegen bringe die Gemeinde jährlich weitaus mehr, nämlich 550 000 Euro auf. Seger verteidigte seinen kulturpolitischen Ansatz: "Ich interpretiere Kultur ganzheitlicher, als Gratz es vielleicht tut."

Kultur verbinde die Menschen und führe auch die Generationen zusammen. Zudem sei das Bewusstsein für Kultur auch wichtig für die von ihm angestrebte Revitalisierung der Ortskerne: "Man muss Verständnis für Kultur haben, um in den Orten authentisch arbeiten zu können."

Ein anderes Thema, über das die beiden Kandidaten intensiv diskutierten, war die Verkehrsbelastung im Haustadter Tal - hierzu hatten auch SZ-Leser Fragen an die Kandidaten eingereicht. Gratz machte sich erneut für den Bau einer Umgehungsstraße stark, die die Ortsteile im Haustadter Tal insbesondere vom Schwerlastverkehr entlasten sollte. Die Anwohner entlang der Hauptverkehrsader durch die Talorte litten erheblich unter dem "nervtötenden Lärm", der von frühmorgens bis in die Nacht insbesondere vom Schwerlastverkehr verursacht werde. Diese Umgehungsstraße solle vom Honzrather Sport- und Freizeitzentrum ausgehend nach Düppenweiler führen. Gratz unterstellte seinem Kontrahenten, bei diesem Thema spezielle Klientelinteressen im Blick zu haben: "Er ist jetzt wohl familiär involviert in diesen Schwerlastverkehr" - eine Anspielung darauf, dass eines der Kinder von Erhard Seger mit dem Betreiber eines Hartsteinwerkes verheiratet ist.

Diesen Vorwurf wies Seger in scharfer Form zurück: "Ich bin nicht involviert in diese Firma, habe damit gar nichts zu tun.. Und außerdem darf bei uns noch hoffentlich jeder lieben, wenn er will." Die von Gratz geforderte Umgehungsstraße sei ein "Hirngespinst", das von der SPD alle paar Jahre ins Spiel gebracht werde. "Aber es ist noch in einen konkreten Antrag gemündet, die Machbarkeit einer solchen Straße mal untersuchen zu lassen."

Die von Gratz vorgeschlagene Streckenführung würde bedeuten, dass die Straße wertvolle Landschaftsschutzgebiete zerschneiden würde, betonte Seger. Darum und wegen der geschätzten Kosten von 30 bis 50 Millionen Euro sei diese Forderung illusorisch. "Den Schwerlastverkehr aus dieser Gemeinde herauszuhalten, ist illusorisch", sagte der Amtsinhaber mit Verweis auf die topographische Struktur Beckingens und das vorhandene Straßennetz.

Auch bei einer anderen Forderung des SPD-Herausforderers gingen die Meinungen auf dem Podium sehr weit auseinander: Joachim Gratz erklärte, er wolle sich für die Schaffung eines zentralen Industriegebietes Beckingen-Süd im Anschluss an den bestehenden Industriepark Dillingen-Ost stark machen. Dieses Gelände besitze eine optimale Verkehrsanbindung mit unmittelbarer Nähe zur Autobahn und Anschluss an das Gleisnetz der Bahn. "Was wir in der Gemeinde an Gewerbeflächen haben, ist Stück- und Flickwerk ohen vernünftigen Verekrhsanschluss", kritisierte Gratz mit Blick auf die Gewerbegebiete in Reimsbach und Düppenweiler. Genau für diese Gewerbeflächen habe er sich vor seiner Wahl vor sieben Jahren stark gemacht, erwiderte der CDU-Amtsinhaber: "Und dieses Versprechen habe ich gehalten." Mittlerweile seien in diesen beiden Gewerbegebieten auch alle Grundstücke verkauft, unterstrich Seger. Es sei bei der Erschließung beider Gebiete vorrangig darum gegangen, einheimischen Gewerbebetrieben die Möglichkeit zur Expansion zu geben, ohne dass dies den direkten Ortsbereich belaste. Was Gratz mit Beckingen-Süd anstrebe, sei gar nicht machbar: "Dieser Bereich ist seit 2003 per Bundesgesetz als Hochwasserschutzgebiet ausgewiesen, da ist nichts mehr zu machen." Beckingen. In Sachen Tourismus habe die Gemeinde nicht allzu viel zu bieten, meinte Herausforderer Gratz. Das liege auch an fehlender Infrastruktur. "Wir rangieren dabei an letzter Stelle in diesem Land", betonte Gratz. Und weiter: "Man spricht hier von einem touristischen Highlight, das in Wirklichkeit nicht besteht." Es sei nicht möglich, aus Beckingen eine Touristikgemeinde zu machen. Deshalb sollten die diesbezüglichen Aktivitäten auf ein erträgliches Maß zurückgeschraubt werden.

"Mit touristischen Attraktivitäten sind wir nicht gerade gesegnet", bestätigte Seger. Aber wenn man das, was Beckingen zu bieten habe, brach liegen lasse, komme kein Mensch mehr in die Gemeinde. Er sehe touristisch erhebliches Potenzial. Die Entstehung eines Fußball-Golfplatzes bei Saarfels belege das. Gleichzeitig habe die Gemeinde Grundstücke verkauft, um dort Gastronomie anzusiedeln. "Ebenfalls ist der Bahnhof Teil des touristischen Konzeptes, für das wir erhebliche Zuschüsse einstreichen konnten", meinte Seger. Auch das Kupferbergwerk in Düppenweiler habe sich gut entwickelt. Darauf konterte Gratz: "Die Minigolfanlage in Honzrath lockt mehr Menschen an als das Kupferbergwerk." Auch die hohen Investitionen für den Saargarten seien für ihn unverständlich, sagte Gratz. Touristen, die diese Anlage besuchten, ließen keinen Euro in der Gemeinde. "Die kommen, schauen sich das an und fahren wieder nach Hause".

Auch das Thema "Kindergärten" erregte die Gemüter. Familien hatten sich beklagt, dass sie in den letzten Jahren erhebliche Mehrausgaben zu schultern hätten. "Besonders Kindergartenbeiträge reißen immer größere Löcher in die privaten Haushaltskassen", hieß es. Die Frage des Moderators ging an beide Kandidaten: "Wie wollen Sie die Familienfreundlichkeit steigern?"

Gratz würde, so seine Aussage, die Kindergartenbeiträge ganz erlassen. "Das ist anderswo möglich, warum nicht bei uns?". Zudem plädierte er für die Einführung einer kostenlosen Schulbuchausleihe. Durch Kürzung der Ausgaben bei Kultur und Repräsentation sei dies möglich. Seger hingegen argumentierte mit nüchternen Zahlen. Die Gemeinde gebe für die Kindertageseinrichtungen etwa 750 000 Euro aus, so Seger. Mit jedem Krippenplatz würde diese Zahl um viele Tausend Euro steigen. "Wenn wir weitere Krippenplätze schaffen, sind wir mit den Zuschüssen schon bald bei einer Million". Diese Leistungen seien nur einzufordern, wenn man die Elternbeiträge auf das gesetzliche Maß bringe. Beckingen habe in der Region die niedrigsten Kindergartenbeiträge, und das solle so bleiben, bekräftigte Seger.

Welche Visionen beide Kandidaten bis zum Ende der kommenden Amtsperiode hätten, wollten die Moderatoren wissen. "Ich würde Wert darauf legen, dass es Beckingen im Jahre 2019 noch gibt und wir nicht ein Anhängsel von Rheinland-Pfalz sind." Dazu wünsche er sich einen schöneren Friedhof und weniger Kultur, sagte Gratz. Für Seger bedarf es keiner Vision. Man müsse Gebäude-Leerstände eindämmen, die Abwanderung stoppen und ein gutes Betreuungssystem schaffen. Dann sei ihm um eine attraktive Gemeinde nicht bange. Beckingen. Ein weiteres Thema in der Deutscherrenhalle war der Sportstätten-Bau: "Werden Sie sich als Bürgermeister dafür einsetzen, dass auch in Honzrath, Haustadt und Erbringen Rasenplätze gebaut werden?", lautete die an die SZ eingereichte Frage an die beiden Kandidaten. Joachim Gratz sagte dazu: "Ich würde das nur für den Fall unterstützen, dass die Vereine dies finanziell aus eigener Kraft schultern können." Alles andere könne sich zum finanziellen Fallstrick für die Gemeinde entpuppen, die ohnehin in den vergangenen Jahren durch Ausfallbürgschaften und Zuschüsse viele Lasten auf ihre Schultern genommen habe. Dieses System habe sich bewährt, fand Erhard Seger: "Wir haben seit 35 Jahren dieses Prinzip des Forderns und Förderns." Die Gemeinde unterstütze solche Groß-Investitionen durchaus, wenn auch die Vereine bereit seien, ihren Eigenbeitrag zu leisten. "Bislang haben die Vereine sich stets bemüht, ihren finanziellen Verpflichtungen auch nachzukommen." Im Falle von Honzrath und Haustadt hätten sich die Vereine noch vor wenigen Jahren dagegen entschieden, einen Rasenplatz zu bauen. cbe

"Joachim Gratz fürchtet den Saargarten wie der Teufel das Weihwasser."

Erhard Seger

"Der Saargarten konnte nur ein Garten des Lärms werden. Jetzt ist er gut, um Hunde auszuführen."

Joachim Gratz

"Kultur ist seit Achim Gratz ein Schimpfwort, das ist sehr bedenklich".

Erhard Seger

"In Beckingen ist alles überwachsen von Kunst und Kultur. Hier braucht man einen Bürgermeister und keinen Kulturattaché".

Joachim Gratz

Auf einen blick

Werden unter dem amtierenden Bürgermeister bestimmte Ortsteile bevorzugt behandelt? Auch um diese Frage stritten die beiden Kontrahenten auf dem Kandidatenpodium mit Verve. Joachim Gratz sagte, in Beckingen werde stets alles nach einer bestimmten Reihenfolge abgearbeitet: "Zuerst kommt Beckingen, dann Düppenweiler, dann Reimsbach, und wenn dann noch etwas für die kleineren Ortsteile übrig bleibt, dann bekommen die auch noch was ab." Der Bürgermeister setze sich zwar für alle ein, "aber für die einen mehr, für die anderen weniger".

 Joachim Gratz (l.) und Erhard Seger begrüßen sich. Hinten: Thomas Gerber (l.) und Wolf Porz.

Joachim Gratz (l.) und Erhard Seger begrüßen sich. Hinten: Thomas Gerber (l.) und Wolf Porz.

 Rund 300 Bürger verfolgten die Diskussion. Fotos: Rolf Ruppenthal

Rund 300 Bürger verfolgten die Diskussion. Fotos: Rolf Ruppenthal

Das ließ Erhard Seger nicht so stehen: "Hier wird kein Ort besonders protegiert." In den letzten sieben Jahren sei in alle Ortsteile investiert worden, unabhängig von deren Größe und der Parteizugehörigkeit ihrer Ortsvorsteher. So habe die Gemeinde in Beckingen selbst, wo es seit Jahrzehnten SPD-Ortsvorsteher gebe, den Marktplatz mit dem Lebensmittelmarkt neu gestaltet, zudem den Max-Doerfert-Platz in der Ortsmitte geschaffen, das Rathausumfeld saniert und die umfassende Renovierung des Bahnhofs auf den Weg gebracht. In Honzrath, einer anderen SPD-Hochburg, würden derzeit fast drei Millionen Euro in die Umgestaltung der Ortsmitte investiert. Dies alles mache aus Segers Sicht eins deutlich: "Ich bin ein Bürgermeister für alle."cbe

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