Immer mehr junge Leute in Wärmestuben

Saarbrücken. Längst sind sie nicht mehr nur Anlaufstation von Stadtstreichern, Obdachlosen und Clochards - die Wärmestuben im Saarland. Vermehrt suchen die Tagesstätten junge Erwachsene mit Suchtproblemen, Arbeitslose und Menschen mit psychischen Erkrankungen auf. Im Saarland sind nach Schätzungen des Gesundheitsministeriums zwischen 800 und 900 Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen

 Mitarbeiter Reiko Wunderseer in der Saarbrücker Wärmestube gehörte früher selbst zu den Hilfebedürftigen. Foto: Iris Maurer

Mitarbeiter Reiko Wunderseer in der Saarbrücker Wärmestube gehörte früher selbst zu den Hilfebedürftigen. Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Längst sind sie nicht mehr nur Anlaufstation von Stadtstreichern, Obdachlosen und Clochards - die Wärmestuben im Saarland. Vermehrt suchen die Tagesstätten junge Erwachsene mit Suchtproblemen, Arbeitslose und Menschen mit psychischen Erkrankungen auf. Im Saarland sind nach Schätzungen des Gesundheitsministeriums zwischen 800 und 900 Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen. Die Betroffenen seien in Notunterkünften untergebracht oder in Wohnräumen ohne Mietvertrag eingewiesen. Etwa 500 Menschen lebten in prekären Lebensverhältnissen, hätten keine dauerhafte Unterkunft, übernachteten bei Verwandten, Freunden und Bekannten oder hielten sich in stationären Einrichtungen und Notschlafstellen auf.

"Die 'Oase' in Saarlouis ist eine Anlaufstelle für Frauen und Männer, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben und für Klienten, denen der Verlust der Wohnung droht", sagt die Leiterin der Wärmestube in Saarlouis, Stefanie Durst. Im vergangenen Jahr seien rund 200 Personen über das ganze Jahr regelmäßig in die "Oase" gekommen. "Wir haben einen starken Zuwachs in den vergangenen Jahren gehabt", sagt Durst. Vor allem sei der Anteil der Frauen angestiegen. Auch würden immer mehr 18- bis 25-Jährige die Einrichtung aufsuchen, die nach einem Streit von den Eltern rausgeworfen worden seien. "Die stehen dann bei uns vor der Tür, wenn sie Freunde und Bekannte durch haben", erklärt die Sozialarbeiterin Stefanie Durst. Über 90 Prozent der Klienten seien Hartz-IV-Empfänger.

"Kaum Stadtstreicher"

"Die klassischen Stadtstreicher verschwinden immer mehr", unterstreicht Stephan Manstein, Vorsitzender des Vereins Initiativkreis Wärmestube Saarbrücken. Tendenziell kämen immer mehr Jüngere in die Saarbrücker Wärmestube. "Das Gros ist zwischen 20 und 30 Jahre alt", fügt Manstein hinzu. Darunter seien viele Menschen mit Suchtproblemen und psychischen Erkrankungen. Zwischen 80 und 100 Personen kämen täglich in die Saarbrücker Wärmestube in die Trierer Straße 64. "Es haben auch immer Obdachlose bei uns mitgearbeitet", erläutert Manstein. Einer von ihnen ist Reiko Wundersee, der zum Mitarbeiter-Team der Wärmestube gehört. "Ich bin hier als Klient gelandet", erzählt der 37-Jährige, der früher selbst einmal alkoholabhängig war. "Ich arbeite hier mit meinen Freunden zusammen, mit Leuten, die ich schon eine Ewigkeit kenne."

Mehr als eine konventionelle Wärmestube, nämlich Fahrradwerkstatt, Gesellschaftsspiel-Treff und Computer-Raum, bietet der "Treff em Gässje" in St. Ingbert. "Über die Jahre hat es bei den Klienten eine kontinuierliche Steigerung gegeben", sagt Ursula Rodner, die zuständige Sozialarbeiterin. Täglich kämen im Schnitt 23 Menschen. Jene, die auf der Straße leben, seien in der Wärmestube eher in der Minderheit. Öfter kämen Menschen, die in ungesicherten Lebensverhältnissen leben, darunter viele mit Suchtproblemen und sogar Familien.

"In der kalten Jahreszeit kommen mehr zu uns", sagt der Soziologe Achim Ickler, der mit der Sozialarbeiterin Silvia Zimmer-Lepiorz in der "Wärmestubb" in Neunkirchen arbeitet. "Wir beobachten eine Zunahme von jüngeren Leuten", erklärt Ickler. Allerdings sei der Anteil der Menschen, die obdachlos sind und auf der Straße leben, eher gering. Ickler: "Gewöhnlich treffen wir auf eine Häufung von individuellen Konfliktlagen": Arbeitslosigkeit, Scheidung, Suchtproblematik.

Kostenloses Frühstück

"Wir bieten kostenloses Frühstück, regelmäßige Angebote, wie etwa einen Kochtreff und ein Frauencafé", so Ickler. Besonderer Service der von Caritas und Diakonie getragenen Einrichtung: Wenn jemand vorbei kommt, der nichts zu essen hat, wird ihm eine Tüte mit Lebensmitteln gepackt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort