Beleidigungen und Drohungen gegen Lehrer Die Helikopter-Eltern im Nacken

Saarbrücken/München · Laut Schulexperten nehmen manche Eltern nicht nur die eigenen Kinder ins Visier, sondern zunehmend auch die Lehrer. Der saarländische Lehrerverband beobachtet einen teils „respektlosen Umgang“.

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Foto: SZ

Endlosdiskussionen über Noten bis hin zu wüsten Beschimpfungen. „Dann gehe ich halt zum Anwalt!“, lautet die Drohung, die Lehrern immer wieder aus dem Munde wütender Eltern entgegenschlägt. Lisa Brausch, Vorsitzende des Saarländischen Lehrerverbands, beobachtet, dass Konfliktgespräche zwischen Eltern und Lehrern zugenommen haben. „Viele Eltern gehen davon aus, dass Lehrer nicht wohlwollend mit ihrem Kind umgehen.“ Es komme immer häufiger vor, dass sich ein überengagierter Elternteil im Ton vergreife. „Der respektvolle Umgang ist bei einigen verloren gegangen. Das ist bitter.“

Wie bitter das Ganze werden kann, weiß der Autor Thomas Böhm. Deshalb schrieb er kürzlich ein Buch mit dem Titel „Diese Note akzeptieren wir nicht – Welche Rechte Eltern in der Schule haben“. Ein Werk, das – so das Anliegen des Autors – den konstruktiven Umgang zwischen Eltern und Lehrern fördern soll. Wer sich von der Lektüre eine Anleitung zum Anwaltsbriefeschreiben erhofft, wird schnell ernüchtert. „Diejenigen, die das Buch in der Erwartung kaufen, ich brauche ein Arsenal von Ansprüchen und Rechten, die ich gegen die Schule einsetzen kann, werden erkennen, dass das Arsenal gar nicht so groß ist“, fasst Böhm den roten Faden seines Werkes zusammen. Er betont auch, dass ein guter Umgang zwischen Eltern und Lehrern auch für das Kindeswohl unabdingbar sei.

Für den Pädagogen, der Rechtswissenschaft studiert hat und hauptberuflich Lehrer fortbildet, ist klar: Eltern sollten auch im Sinne des eigenen Nachwuchses mit den Lehrern zusammenarbeiten, statt mit allen Mitteln auf Konfrontationskurs zu gehen.

Auch Marcus Hahn, Vorsitzender des Saarländischen Philologenverbands, beobachtet einen erhöhten Gesprächsbedarf zwischen Lehrkräften und Eltern. Es sei grundsätzlich positiv, wenn sich Eltern einmischten und beispielsweise die Maßstäbe für Noten hinterfragten. „Die Erziehung zur Mündigkeit ist ja auch eines unserer Ziele im Unterricht“, sagt Hahn. Gerade wenn es um Abiturnoten gehe, komme es häufiger zu Beschwerden. Was Hahn dabei in der heutigen Zeit aber besonders ärgerlich findet: „Wenn Eltern über soziale Netzwerke verbreiten, wie ungerecht sie behandelt wurden, statt das direkte Gespräch zu suchen.“ Und manche gehen noch einen Schritt weiter.

Schulexperten berichten, dass Eltern zunehmend zur juristischen Keule greifen. Das gehe jedoch schnell nach hinten los, sagt der Anwalt Henning Schulte im Busch. „Das Problem ist, dass beide Seiten so was sehr schnell ins Persönliche ziehen. Das Elternpaar mag sich nicht vorstellen, dass ihr Sprössling vielleicht schlechter oder fauler ist, als es daheim den Anschein macht.“

Der Münsteraner Schulte im Busch vertritt regelmäßig Lehrer, aber auch Eltern. „Die Tendenz, dass man sich vermehrt gegen schlechtere Noten wehrt, die gibt es schon.“ NC-Verfahren – etwa in der Medizin oder für angehende Juristen – erhöhten den Gute-Noten-Druck. Aber es fängt teilweise auch ganz früh an: Markus Rinner hat beispielsweise viele Fälle mit Dritt- und Viertklässlern auf dem Tisch. Der Leiter der Rechtsabteilung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands führt das eindeutig auf den Druck zurück, schon in der Grundschule möglichst gute Zensuren zu liefern, um im besten Fall das Gymnasium besuchen zu dürfen. Bayern gilt in dieser Hinsicht bundesweit als besonders leistungsfixiert.

Gegen Ende der Grundschule richteten sich die Beschwerden vorrangig gegen den Notenschlüssel, in höheren Klassen gehe es meist um Ordnungsmaßnahmen bei Fehlverhalten. Das Verhältnis zwischen Lehrer und Kind spiele bei juristischen Konflikten in allen Altersstufen eine Rolle. „Wenn der Umgang von Lehrern mit dem Schüler aus Sicht der Eltern nicht in Ordnung ist, dann marschieren sie ein.“ Wie oft das geschieht, dazu gibt es – zumindest laut saarländischem Bildungsministerium – keine Erhebungen. Auch Katja Oltmanns vom Elternverein für schulische Bildung Saar kann nicht beziffern, wie häufig diese Konflikte vorkommen. Sie kenne aus ihrem Umfeld keinen Fall, in dem ein Elternteil einen Lehrer angezeigt hätte. Sie nennt den juristischen Weg die „absolut letzte Instanz“ und appelliert an beide Seiten, im Konfliktfall das Gespräch zu suchen. Was die Eltern im Saarland besonders aufregt: „Wenn der Unterricht ausfällt.“ Gerade jetzt in Prüfungszeiten sei es gerechtfertigt, wenn Eltern sich fragten, ob massiver Unterrichtsausfall wirklich angebracht ist. „Da gucken Eltern schon genau hin.“

Und wenn aus dem genaueren Hinsehen Termine beim Anwalt werden, muss zumindest der Münsteraner Jurist Schulte im Busch seine Mandanten oft enttäuschen. Beschwerden von Eltern, die sich subjektiv ungerecht behandelt fühlten, seien juristisch unerheblich. „Da ist dann rechtlich nichts zu machen.“ Im Gespräch aber schon eher.

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