Im Namen der Toleranz

Rehlingen. "Mein Bruder war ein sehr intelligenter Akademiker, sein Hauptinteresse war, das Verständnis zwischen Ländern und Menschen zu fördern", sagte Liesel Stein am Freitag bei der Feierstunde in der Rehlinger Kulturhalle über Lothar Kahn. Mit ihrer Familie mussten die beiden 1935 vor der Judenverfolgung aus Rehlingen fliehen

Rehlingen. "Mein Bruder war ein sehr intelligenter Akademiker, sein Hauptinteresse war, das Verständnis zwischen Ländern und Menschen zu fördern", sagte Liesel Stein am Freitag bei der Feierstunde in der Rehlinger Kulturhalle über Lothar Kahn. Mit ihrer Familie mussten die beiden 1935 vor der Judenverfolgung aus Rehlingen fliehen. "Meine Bruder wäre stolz, dass die Erweiterte Realschule seinen Namen zur Mahnung und als Vorbild annimmt." Er ist 1990 gestorben. Nach seiner Flucht wurde der Rehlinger in den USA Professor für deutsche Literaturgeschichte, holte nach dem Krieg junge Deutsche in die USA als Vorzeige-Demokratie und brachte seine Studenten nach Deutschland, um Feindbilder abzubauen. "Kahn hat es als seine Pflicht angesehen, den Studenten die Kultur des anderen Deutschland nahe zu bringen", hob Hanno Krisam in der Laudatio hervor. "Die Hand war zur Versöhnung immer ausgestreckt." Die Uni Frankfurt verlieh Kahn den Ehrendoktor für seine wissenschaftliche Arbeit und sein Engagement für die Versöhnung. Kahns Sohn Geoffrey charakterisierte seinen Vater dreifach: zunächst als Familienmensch, der begeistert wäre, dass zur Feier rund 20 Verwandte von zehn bis 90 Jahren aus USA, Brasilien, Israel und Frankreich anreisten; dann als Lehrer: "Mehr als 40 Jahre stand er vor oder hinter dem Lehrerpult", sagte der Sohn. "Hätte er aussuchen können, was für eine Einrichtung seinen Namen trägt, hätte er eine Schule gewählt." Und schließlich als "deutscher Jude": "Das war er, so wollte er sich identifiziert sehen. Auf schmerzlichste Weise erfuhr er die Spannung zwischen diesen beiden Elementen." Sein ganzes Leben lang habe er darüber gesprochen und geschrieben. "Auch wenn er 1935 ins Exil ging, haben Sie ihm ermöglicht, dass er heute nach Rehlingen zurückkommt", dankte Geoffrey Kahn Schülern und Lehrern für die Würdigung.Lothar Kahns Autobiografie hatte der Siersburger Werner Klemm (mit Fritz Rüdell) ins Deutsche übersetzt, der Ortsvorsteher Reinhold Jost der Schule einen Satz Bücher davon geschenkt. Bei Schülern entstand so der Wunsch, die Schule dem Flüchtling zu widmen. Als Entscheidungsbasis startete Schulleiterin Angelika Feld ein Projekt. "Zu Beginn fragten wir uns: Wer war Lothar Kahn?", erzählte Michell Dittgen für die Klassen 9c und 9d. "Die Gespräche mit Zeitzeugen halfen uns, die Situation damals besser zu verstehen. Mit Werner Klemm gingen wir zu den historischen Stellen im Ort." Eine Ausstellung dokumentiert nun Kahns Leben. "Wir sind stolz, durch unser Projekt anderen unser Wissen weitergeben zu können." Dazu verpflichtet nun der Schulname. Jeder fragt: Wer war Lothar Kahn? Jeder muss eine Antwort bekommen. Feld erklärte: Kahn steht heute für Toleranz, Verantwortung für Mitmenschen und Zivilcourage, er steht nicht nur gegen Rassismus, sondern jede Ausgrenzung und jedes Mobbing.

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