Personalnot in Kliniken Im nächsten Jahr dürfen Pflegekräfte hoffen

Saarbrücken · Die Politik in Bund und Land räumt inzwischen ein, dass in den Kliniken Pflegepersonal fehlt – und dass sich etwas ändern muss.

 In einem ersten Schritt sollen auf Bundesebene Personalmindestzahlen für sechs Bereiche festgelegt werden, etwa für Intensivstationen.

In einem ersten Schritt sollen auf Bundesebene Personalmindestzahlen für sechs Bereiche festgelegt werden, etwa für Intensivstationen.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Das Jahr 2017 geht ohne eine Lösung für die Personalnot in den 22 saarländischen Krankenhäusern zu Ende. Es gab Demonstrationen, Verhandlungen und Streiks – aber die gut 6500 Pflegekräfte auf den Stationen haben bisher nichts Konkretes in der Hand, auch wenn es hier und da Bewegung gibt.

Die Probleme sind bekannt: „Die Pflegekräfte, die in den stationären Einrichtungen arbeiten, sind kaputtgeschafft.“ Gesagt hat den Satz nicht etwa ein Gewerkschaftsfunktionär, sondern Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) in einer Landtagsdebatte. Fehlende Einsicht wird man der Landespolitik schwerlich vorwerfen können.

Die Frage ist, welche konkreten Folgen der Befund hat. Die Landespolitik verspricht zwar viel, hat aber kaum etwas zu entscheiden. Die Weichen für die Krankenhausfinanzierung und damit auch fürs Personal werden im Bund gestellt. Dort haben sich die gesetzlichen Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft kürzlich immerhin darauf verständigt, dass in sechs „pflegesensitiven“ Bereichen künftig Personaluntergrenzen gelten sollen: Geriatrie, Neurologie, Herzchirurgie, Intensivstationen, Kardiologie und Unfallchirurgie. Wie hoch diese Untergrenzen sind und was das für die einzelnen Stationen bedeutet, muss im ersten Halbjahr ausgehandelt werden. Zu einer massiven Aufstockung des Personals dürften diese Untergrenzen aber nicht führen.

Die Saar-Regierung will daher einen deutlichen Schritt weitergehen und Mindestzahlen für alle Stationen festlegen, also auch für die Normalstationen. Das neue Krankenhausgesetz, das derzeit im Landtag beraten wird, ermächtigt das saarländische Gesundheitsministerium dazu, stationsbezogene Personaluntergrenzen festzulegen. Diese sollen auf Gutachterbasis beruhen und evidenzbasiert, also wissenschaftlich fundiert, sein.

Die Gewerkschaft Verdi erkennt darin einen begrüßenswerten „Paradigmenwechsel“, bleibt aber misstrauisch. Vor der Landtagswahl, als Verdi Streiks vorbereitete, versprach Bachmann kurzerhand 1000 zusätzliche Mitarbeiter für die Pflege in den Kliniken. „Die Ankündigung hat unserer Streikbewegung die Spitze genommen“, sagt Verdi-Sekretär Michael Quetting.

Nun stellt sich die Frage, was Bachmanns Worte noch wert sind. „Ich bleibe dabei: Ich will 1000 neue Stellen bis 2020“, bekräftigt sie. Sie sei auch guter Dinge, dass dies zu schaffen sei. Die entscheidende Frage aber ist: Wer soll die 1000 zusätzlichen Stellen bezahlen?

Im November kamen Experten in einem Gutachten für das Saar-Gesundheitsministerium zu dem Ergebnis, dass die Krankenkassen nur bezahlen müssen, was bundeseinheitliche Vorgaben verlangen. Wenn das Saarland also, abweichend vom Bund, Personalmindestzahlen für alle Stationen plant, müssen die Kassen das nicht bezahlen. Ergebnis der Gutachter: „Der Wunsch, für das Saarland stationsbezogene Vorgaben zur Mindestbesetzung festzulegen, ist aus Gutachtersicht mit der Realität nicht vollständig vereinbar.“

Das sei „von den Absprachen in der Koalition weit entfernt“, ärgerte sich SPD-Fraktionsvize Magnus Jung. „Eine bittere Enttäuschung für die Beschäftigten in den saarländischen Krankenhäusern“, kommentierte Verdi. Heute sagt Quetting: „Die Stimmung ist sehr explosiv.“ Auf Betriebsversammlungen sehe er weinende und verzweifelte Mitarbeiter.

Die CDU verspricht, dass es bei den Personaluntergrenzen bleibt. In einem ersten Schritt sollen die gesetzlichen Kassen und die Krankenhäuser auf Bundesebene bis Ende Juni 2018 die Vorgaben für die sechs pflegesensitiven Bereiche machen. Wenn dies abgeschlossen ist, soll eine Expertengruppe im Saarland „Anhaltszahlen“ definieren, kündigt der CDU-Politiker Hermann Scharf an. „Wir wollen an der Spitze der Bewegung bleiben.“ Diese landesspezifischen „Anhaltszahlen“ können nach Ansicht der Gutachter aus rechtlichen und finanziellen Gründen aber nur den Charakter einer Empfehlung haben.

Auch deshalb sind alle Blicke auf Berlin gerichtet. „Wir brauchen den Bund“, sagt Bachmann. Schon in den Jamaika-Sondierungen war das Problem erkannt worden.

Auch in den Sondierungen von Union und SPD wird das Thema aufgerufen werden. Die SPD versprach im Wahlkampf „verbindliche Personalstandards“. Und Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) räumte kürzlich ein, man wolle in den Sondierungen „über die Misslichkeiten bei Krankenhäusern und in der Pflege“ reden; Pflege und Gesundheit sollten ein Schwerpunkt der Arbeit der neuen Bundesregierung sein. Es besteht also Hoffnung, dass sich bis Ende 2018 tatsächlich etwas tut.

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