Im Jugendclub darf man ungestraft scheitern"Die Insel" eröffnet das Geburtstags-Programm

Als Sie den Jugendclub gründeten - hätten Sie es da für möglich gehalten, dass er zur Talentschmiede für Schauspieler, Autoren und Regisseure werden würde? Ziegenbalg: Der erste Jugendclub, den es gab, war sozusagen mein Privatvergnügen. Insofern hätte ich nicht gedacht, dass wir einmal so viele Clubs haben würden. Damals war es nicht üblich, dass Theater Jugendclubs hatten

Als Sie den Jugendclub gründeten - hätten Sie es da für möglich gehalten, dass er zur Talentschmiede für Schauspieler, Autoren und Regisseure werden würde?Ziegenbalg: Der erste Jugendclub, den es gab, war sozusagen mein Privatvergnügen. Insofern hätte ich nicht gedacht, dass wir einmal so viele Clubs haben würden. Damals war es nicht üblich, dass Theater Jugendclubs hatten. Mittlerweile gibt es an fast jedem größeren Theater einen Jugendclub, allerdings mit unterschiedlichen Ansätzen. Welche Rolle spielen die Kinder- und Jugendclubs in der Arbeit des Theaters Überzwerg?Ziegenbalg: Für uns ist es ganz wichtig, im ständigen Austausch mit Kindern und Jugendlichen zu sein und zu erfahren, was Jungen und Mädchen in einem bestimmten Alter bewegt. Denn Kindheit und Jugend verändern sich. Wir können heute nicht die selbe Art von Theater machen wie in den 1970ern, das würde an unserem Publikum völlig vorbeigehen. Es gibt Themen, die immer aktuell sind, wie zum Beispiel das Thema Erwachsenwerden. Aber es gibt auch Dinge, die sich verändern. Welche Themen bewegen Jugendliche heute?Ziegenbalg: Als der Jugendclub gegründet wurde, hatte noch nicht jeder ein Handy, Spielekonsolen und Internetzugang. Heute kennt jeder Jugendliche jemanden, der vom Computer nicht mehr wegkommt. Auch die Art des Schauens hat sich stark verändert. Viele junge Leute finden alte Filme nervig. Die Schnitte sind ihnen nicht schnell genug. Sie sind diese Videoclip-Technik gewöhnt, schnelle Bilder, schnell schießen, tack, tack, tack. So kann es für sie sogar ein Ereignis sein, etwas langsam zu machen. Auch das kann man im Theater aufgreifen. Was können die Jugendclub-Mitglieder bei Ihnen lernen?Ziegenbalg: Es war von Anfang an mein Ziel, dass die Jugendlichen, wenn sie von uns weggehen, zumindest brauchbare Amateurschauspieler sind. Wir sind keine Schauspielschule, aber eine Schauspielvorschule sind wir sicherlich. Wir vermitteln schauspielerisches Rüstzeug, zum Beispiel das Spannen und Lösen, ein Grundprinzip jedes darstellenden Spiels. Ganz wichtig ist mir auch der Ensemblegedanken: Den König spielen immer die andern. Es genügt nicht, wenn einer über die Bühne stolziert. Die andern machen ihn durch ihre Verbeugungen erst zum König. Es ist nicht unsere Absicht, all unsere Jugendlichen zu Schauspielern zu machen. Wenn jemand aber unbedingt Schauspieler werden will, gibt es Elevenverträge. Zu unserer Verantwortung für die Eleven gehört es, den Beruf des Schauspielers nicht in den schillerndsten Farben zu schildern, sondern darauf hinzuweisen, dass Manches sehr hart ist. Woher nehmen Sie nach 20 Jahren immer noch die Energie für die Arbeit mit den Jugendclubs?Ziegenbalg: Das ist wie bei jemandem, der gerne reitet, aber genau so viel Spaß daran hat, anderen in den Sattel zu helfen: Er freut sich, wenn diejenigen, denen er aufs Pferd geholfen hat, auch reiten. Und er macht sich nichts daraus, wenn einige von ihnen irgendwann besser reiten als er selbst. Der Jugendclub ist ein geschützter Raum, in dem man sich ausprobieren kann und ungestraft scheitern darf. Aus seinen Fehlern kann man lernen, daran wächst man. Dieses Wachsen kann man in der Arbeit mit Jugendlichen beobachten. Und das gibt einem Kraft. Trotzdem denke ich schon daran, mich in den nächsten zwei bis drei Jahren zurückzuziehen und mehr an Jüngere abzugeben. Saarbrücken. Der Jugendclub I startet das Programm zum 20. Geburtstag am Freitag, 5. Juni, 18 Uhr, mit einer Eigenproduktion. "Die Insel" erzählt die Geschichte eines Kinderchors, der auf einer Reise Schiffbruch erleidet (Spielleitung: Nicolas Bertholet, Elke Kremer). Anschließend steigt eine Party mit Überraschungsgästen. Mit der Theatergruppe Käser/Meyer stellt sich am Samstag, 6. Juni, 19.30 Uhr, ein Projekt aus den Reihen des Jugendclubs vor. "stimmung null.eins" heißt das Regie- und Autorendebut von Mara Käser und Jan Meyer, die im Theater Überzwerg uraufgeführt wird. Bei der Produktion wirken Mitglieder des Überzwerg-Jugendclubs, des Jugendclubs des Staatstheaters und des Theatervereins Wildwuchs mit. "Wir bin ich!!" heißt das Stück, das der Jugendclub II am Sonntag, 7. Juni, 19.30 Uhr, auf die Bühne bringt. Wie viel meiner Persönlichkeit kann ich mir in einer Gruppe erlauben, oder braucht es gerade die ganze Persönlichkeit, um in einer Gruppe zu bestehen? Der "LehrerInnenclub" lädt für Donnerstag, 11. Juni, 19.30 Uhr, zur Vorstellung seiner Eigenproduktion "Aus der Wanduhr tropft die Zeit" ein. Verarbeitet werden Texte von Kästner, Tucholsky und anderen, in denen es um Isolation, Einsamkeit und Rückzug geht (Spielleitung: Elke Kremer, Bob Ziegenbalg). Eine Premiere steht am Freitag, 12. Juni, 19.30 Uhr, auf dem Programm. "Heißes Wasser für alle" von Gesine Danckwart spielt der Jugendclub III, der das alltägliche Scheitern des Einzelnen an einer "unsortierten Weltlage" aufzeigt (Spielleitung: Gerrit Bernstein, Bob Ziegenbalg). Bei allen Vorstellungen ist der Eintritt frei. rae

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