Im Einsatz für traumatisierte FrauenEin Abend ganz im Zeichen einer engagierten Ärztin

1992 beschlossen Sie, Frauen zu helfen, die im Bosnienkrieg systematisch vergewaltigt wurden. Was hat Sie dazu bewogen?Monika Hauser: Die Berichterstattung in den Medien über die Problematik gab den Ausschlag. Ich habe so etwas wie einen Ruf verspürt, als Frau, als Gynäkologin, als Europäerin, ich hatte das deutliche Gefühl: "Hier hast du etwas zu tun"

1992 beschlossen Sie, Frauen zu helfen, die im Bosnienkrieg systematisch vergewaltigt wurden. Was hat Sie dazu bewogen?

Monika Hauser: Die Berichterstattung in den Medien über die Problematik gab den Ausschlag. Ich habe so etwas wie einen Ruf verspürt, als Frau, als Gynäkologin, als Europäerin, ich hatte das deutliche Gefühl: "Hier hast du etwas zu tun". Ich musste feststellen, dass sich keine andere Organisation dieses Themas annahm. Ich sah meine Aufgabe darin, nicht nur technisch-medizinische Hilfe, sondern interdisziplinäre und ganzheitliche Unterstützung zu bieten. Dass daraus einmal eine so große Organisation mit rund 140 Mitarbeiterinnen auf der ganzen Welt werden würde, konnte ich nicht ahnen.

Sie kämpfen mit Ihrer Organisation "medica mondiale" gegen sexualisierte Kriegsgewalt. Warum spielt diese einerseits in jedem Krieg eine große Rolle, und warum wurde sie andererseits so lange als "Kavaliersdelikt" nur am Rande wahrgenommen?

Hauser: Frauen werden mit sexualisierter Gewalt gedemütigt. Im Krieg sind die Normen aufgehoben, die Soldaten nehmen sich, was sie wollen. Die Vergewaltigung von Frauen ist außerdem Teil der Kriegsstrategie, um den Gegner zu demütigen und um Überlegenheit zu demonstrieren. Beispielsweise in Bosnien oder in der Demokratischen Republik Kongo fallen zwei Dinge zusammen: die patriarchal akzeptierte Gewalt und die strategischen Handlungen. Wird eine Frau vergewaltigt, wird die Ehre des Mannes beschädigt, was zur Folge hat, dass der Frau verboten wird, über das ihr Angetane zu sprechen. Zur Frage nach dem "Kavaliersdelikt" ist zu sagen, dass auch im Frieden die Gewalt gegen Frauen nahezu legitimiert ist. Und wenn deutsche Soldaten auf dem Balkan bei ihrer Ankunft als Erstes nach dem nächsten Bordell fragen, dann läuft da auch etwas nicht richtig. Doch seit zehn Jahren weigert sich das Verteidigungsministerium, sich mit dem Thema zu befassen.

In der aktuellen Biografie über Sie von Chantal Louis (siehe Infokasten) beschreibt eine Frau den Zustand nach einer Vergewaltigung: "Ich verfaule innerlich" - Wie ist nach solch einer Grenzerfahrung ein relativ "normales" Leben überhaupt noch möglich?

Hauser: Es geht nicht nur um die unmittelbare Grenzerfahrung einer Frau, die beispielsweise über Stunden von mehreren Männern vergewaltigt wurde. Es geht auch darum, wie die Gesellschaft damit umgeht. Es darf nicht sein, dass eine Frau geächtet wird oder das Verbrechen verschweigen muss. Oder, dass sie womöglich noch verdächtigt wird, sie hätten "es" gewollt. Wichtig sind für die Frauen vielfältige und fachübergreifende Unterstützungsangebote. Neben medizinischer Hilfe ist auch psychosoziale Unterstützung nötig, damit die Frauen ihr Selbstwertgefühl wiederfinden. Außerdem auch praktische Überlebenshilfe, zum Beispiel in Form von Kühen oder Ziegen als Starthilfen, damit die Frauen ihren Lebensunterhalt sichern können.

In der Biografie wird auch beschrieben, dass in vielen Ihrer Veranstaltungen ältere Frauen von Vergewaltigungen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges berichten. Was glauben Sie, wie viele Deutsche insgesamt betroffen waren?

Dr. Hauser: Schätzungen von der Filmemacherin Helke Sanders zufolge dürften dies allein im Gürtel um Berlin eine Million Frauen gewesen sein. Weil es sich ja um ein Tabuthema handelt, ist es sehr schwer, dies in konkreten Zahlen auszudrücken. Die Gewalterfahrung steckt noch heute in den Menschen, die nie eine Möglichkeit bekommen haben, sich mit ihrem Trauma auseinanderzusetzen, und wird so auch an die nächsten Generationen weitergegeben. Der von mir in Teilen auch kritisierte Film "Anonyma" war eine Möglichkeit, sich damit zu beschäftigen, doch das Interesse war leider gering.

Im Buch steht auch, dass viele Vorfälle in Seniorenheimen vermutlich auf einer Traumatisierung durch sexualisierte Gewalt im oder nach dem Krieg fußen...

Hauser: Ja, so manche Frau wird für verrückt erklärt und ruhig gestellt, wenn sie zum Beispiel bei bestimmten Behandlungen anfängt zu schreien. Da das Personal diesbezüglich nicht ausgebildet ist, kommt kaum jemand auf die Idee, dass die Frau durch eine frühere Vergewaltigung traumatisiert sein könnte.

Unter anderem wurden Sie im Jahr 1993 von den ARD-Tagesthemen zur "Frau des Jahres" gewählt, jetzt gab es den Alternativen Nobelpreis. Helfen Ihnen diese Preise bei der Umsetzung Ihrer Ziele?

Hauser: Ja, das hilft zum Teil für die so wichtige finanzielle Unterstützung unseres Vereines, aber auch bei der politischen Menschenrechtsarbeit. Und trotzdem bleiben immer noch viele Türen zu. Wir müssen immer wieder Wege finden, unsere Anliegen in die Öffentlichkeit zu bringen - aber ohne plakative Schilderungen, die die Frauen entwürdigen.

Saarbrücken. "Sie ist eine sehr charismatische Person. Und ihre Schilderungen sind sehr eindringlich", so beschreibt Annette Keinhorst, Leiterin der Frauenbibliothek Saar, die Trägerin des Alternativen Nobelpreises 2008, Dr. Monika Hauser, Gründerin der weltweit tätigen Organisation "medica mondiale". Heute, Montag, 7. Dezember, kann man sie kennenlernen - ab 18 Uhr ist sie im Rathausfestsaal in Saarbrücken.

Initiiert wurde die Veranstaltung (Eintritt frei) vom Frauenrat Saarland, der Frauenbibliothek Saar, dem Frauenbüro der Stadt Saarbrücken und der Saarbrücker "medica-mondiale"-Aktionsgruppe.

Zunächst liest Autorin Chantal Louis aus ihrem Buch "Monika Hauser - Nicht aufhören anzufangen. Eine Ärztin im Einsatz für kriegstraumatisierte Frauen". Louis beschreibt, wie bei Monika Hauser der Wunsch, kriegstraumatisierten Frauen zu helfen, zu einer Lebensaufgabe wurde. Im Anschluss spricht Monika Hauser selbst. Die Diskussion mit ihr leitet Anne-Marie Marx von der Saarbrücker "medica-mondiale"-Aktionsgruppe. up

Hintergrund

Aus dem Engagement von Dr. Monika Hauser ging "medica mondiale" hervor. Heute ist Hauser Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Organisation. Diese setzt sich seit mehr als 15 Jahren für traumatisierte Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten ein. Dabei, so heißt es, "versteht sich die Organisation als Anwältin für die Rechte und Interessen für Frauen, die sexualisierte Kriegsgewalt überlebt haben". Neben gynäkologischer Versorgung, psychologischer und rechtlicher Unterstützung bietet sie Programme zur Existenzsicherung und leistet politische Menschenrechtsarbeit.

"Monika Hauser - Nicht aufzuhören anzufangen" von Chantal Louis ist im Verlag Rüffer & Rub erschienen, ISBN: 978-3-907625-41-5. up

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